Star Wars:Kinder an die Macht

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Die Filme sind nur ein kleiner Teil der Marke "Star Wars". (Foto: dpa-tmn)

"Star Wars" hat eine ganze Generation von Kindern begeistert. So wie unseren Autor. Nun wird auch seine kleine Tochter zum Fan der Macht. Ob das wohl gut geht?

Von Marc Deckert

Vor Kurzem fragte mich meine Tochter aus heiterem Himmel nach Darth Vader. Sie wollte wissen, was das für ein Typ sei, was er für eine Geschichte habe, was er beruflich so mache. In einer Sendung auf dem Kinderkanal Kika hatte sie die Serie "Darth Vader privat" gesehen, eine "Star Wars"-Parodie. Nach einigen Folgen war Darth Vader, der da als Tollpatsch durch die Welt stolpert, für sie ein lustiger Typ mit Helm. Und sie hatte wohl irgendwie mitbekommen, dass ich ihn kenne.

Tatsächlich hätte ich ihr ziemlich viel erzählen können. Beruflich ist Darth Vader eine Art CEO eines großen, expansiven Unternehmens. Er managt den Todesstern. Und er hängt einer okkulten Sekte an, den Sith, die die dunkle Seite der Macht benutzen (und häufig Leute würgen). Aber wie sollte ich ihr je erklären, welche Rolle er für mich persönlich spielte?

"Star Wars" nahm in meiner kindlichen Vorstellungswelt so viel Raum ein wie ein ganzer Planet. Als der erste Teil 1977 ins Kino kam, durfte ich ihn nicht sehen. Doch ich kann mich noch gut an die Spannung erinnern, mit der dann neue Teile der Serie erwartet wurden. Daran, wie in Vor-Internet-Zeiten Elemente des Plots erst als Gerüchte Gestalt annahmen und dann immer konkreter wurden. Die entscheidende dramatische Wendung der Saga erfuhr ich tatsächlich erst am Tag des Kinobesuchs, eine Stunde vor der Vorstellung: Der Held wird im Duell verstümmelt, von seinem eigenen Vater, der niemand Geringerer ist als: Darth Vader.

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Der erste Schritt in eine größere Welt

Mich traf der Schlag. Ich war schockiert und gleichzeitig begeistert von der schieren Wucht dieser Idee. In die kindliche Schwärmerei für Lichtschwerter und Technik mischte sich eine erste Ahnung von der Kraft epischer Geschichten. Die Vorhersage des Jedi-Meisters Obi-Wan, eines Anhängers der hellen Seite, traf zu: "Du hast den ersten Schritt in eine größere Welt getan."

Diese epische Urerfahrung machte eine ganze Generation von Kindern und Teenagern, geboren zwischen 1970 und 1980, zu Fans einer bunten Weltraum-Rittersaga, die für Erwachsene einfach nur albern aussah. "A bad movie" schrieb die US-Filmkritikerin Pauline Kael über den ersten "Krieg der Sterne", aber für uns, die anvisierte Zielgruppe, zwölfjährige Jungs und einige Mädchen, war er pure Magie.

Dass diese erste Liebe so langfristige Folgen haben würde, haben wohl die wenigsten von uns damals geahnt. Aber nun sind die "Star Wars"-Kinder Eltern, und man sieht sie immer noch überall: Väter, die im Spielzeuggeschäft etwas zu lange in der Ecke mit dem Jedi-Kram stehen bleiben. Einem dieser Väter, Holger, begegnete ich im Kindergarten meiner Tochter. Er erzählte mir so begeistert von seinen "Star Wars"-begeisterten Söhnen, dass ich gleich wusste, was Sache war. Als dann noch sein Handy klingelte - mit dem "imperialen Marsch" als Klingelton - erübrigten sich alle weiteren Fragen. Holger beeilte sich zu sagen, dass er eigentlich nur die Ur-Trilogie gut finde. Wir verstanden uns.

Jedi? Yeti? Wookie?

Natürlich hat meine Tochter noch überhaupt keine Ahnung von "Star Wars". Sie kann nicht mal einen Jedi von einem Yeti unterscheiden (und eigentlich meinte sie neulich im Spielzeugladen einen Wookie). Aber das erste zarte Interesse, das sich nun bei ihr zeigt, stellt mich vor eine Reihe beinahe existenzieller Fragen. Und eine davon ist: Können wir jetzt gemeinsam Darth Vader gut finden?

Das Problem ist: Kinder haben ein Anrecht auf eigene Helden. Aber was geschieht, wenn ihnen dieses angestammte Recht durch besondere historische Umstände verweigert wird? Am 17. Dezember startet ein neuer "Star Wars"-Film, "Das Erwachen der Macht", der wahrscheinlich so clever gemacht ist, dass er alte und neue Fans gleichermaßen ins Kino zieht. Es wird mit Sicherheit ein kommerzieller Mega-Coup. Man sieht schon Väter, die ihre Söhne ins Kino mitschleifen ("das muss du sehen!") anstatt umgekehrt.

Wiederholungen, Fortsetzungen, Franchises

An "Star Wars" zeigt sich ein größeres Phänomen: Popkultur, die ursprünglich einmal das Gleiche wie "Jugendkultur" war, hat sich inzwischen weitgehend von der Jugend abgewandt. Drehte sich ursprünglich alles um neue Sensationen, geht es inzwischen fast ausschließlich um die Wiederkehr von Sensationen. Der Musikkritiker Simon Reynolds beschrieb das in seinem Buch "Retromania", in dem er dem heutigen Pop generell eine "Obsession mit der eigenen Vergangenheit" unterstellt. Und folgert, dass es einen Unterschied zwischen geschichtsbewusstem Collagieren und reiner Wiederholung gibt.

Der Fortsetzungscharakter unserer Populärkultur wird im Kino noch deutlicher: Kein erfolgreiches Franchise stirbt wirklich aus, stattdessen werden die Storys und Charaktere immer weiter gemolken, ein Ende ist nicht in Sicht - was auch den Effekt hat, dass Erwachsene permanent in ihre Kinderwelten zurückkehren können.

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Hat es das je gegeben, dass die Generationen so einträchtig zusammen Popcorn futterten? Sehr erschreckend ist es nicht mehr, sondern heute eher normal, dass man Eltern und Kinder gemeinsam bei einer Freizeitaktivität beobachtet - und kaum klar ist, wer gerade mehr Spaß hat, die Eltern oder die Kinder.

Kinder saugen den kulturellen Kanon ihrer Eltern auf, die dann stolz berichten, dass der kleine Lukas oder die kleine Mia heute schon wieder den ganzen Tag Roots-Reggae-Platten hören wollte. Und Eltern freuen sich, dass sie endlich mal wieder eine Ausrede haben (oder gar keine Ausrede brauchen), um an langen Sonntagnachmittagen alte Zeichentrickfilme zu sehen. Dann sind die Eltern erleichtert, dass das "Dschungelbuch" wirklich so gut ist, wie sie es in Erinnerung hatten, dass Michel immer noch in Lönneberga und Lotta immer noch in der Krachmacherstraße wohnt. Die Welt ist noch in Ordnung.

Dabei ist die Übereinstimmung des Eltern- und Kindergeschmacks natürlich eine Illusion der Eltern. Sie reden sich gerne ein, dass es die unverwüstliche Qualität der Klassiker ist, die Kinder noch heute begeistert. Dabei sehen die Kleinen sich genauso gerne das "Dschungelbuch" in 3D an oder unfassbaren Einhorn-Trash wie "Mia and me". Und wenn Papas alte Reggae-Platten so gut ankommen, dann höchstwahrscheinlich auch deshalb, weil Papa beim Hören der Musik so gute Laune bekommt.

Wir Eltern bilden uns also ein, in einem kulturellen Kontinuum mit unseren Kindern zu leben. In Wahrheit ist alles anders. Meine Tochter ist dafür ein ganz gutes Beispiel: In ihrem sechsjährigen Kopf leben schon klar zwei unterschiedliche Bedürfnisse: der Wunsch, die Vorlieben der Eltern zu verstehen. Und der Wunsch, sich davon abzugrenzen.

Kinder wollen auch Filme für sich alleine haben

"Die Eiskönigin", jener enorm erfolgreiche Disney-Trickfilm, der mehr als 1,2 Milliarden Dollar einspielte und in fast allen Kinderzimmern der Welt seine Merchandise-Spuren hinterlassen hat, zeigt das auf anschauliche Weise. Meine Tochter liebt "Die Eiskönigin" vor allem deshalb so sehr, weil der Film ganz allein ihr gehört. Er ist neu. Und anders als beim "Dschungelbuch" bekommen die Eltern beim Anschauen keine glänzenden Augen.

Auch bei "Star Wars" wird deutlich, dass die popkulturellen Brücken zwischen den Generationen nicht so haltbar sind, wie wir Eltern sie gerne hätten: Wir lieben die Filme mit Darth Vader, Han Solo und der wunderbar schnippischen Prinzessin Leia.

Unsere Kinder lieben "Star Wars". In ihren Sammelalben und Kartenspielen tauchen die Figuren der neueren Episoden genauso selbstverständlich auf wie das Personal der Ur-Trilogie. Und tatsächlich gibt es so manche Väter, die schief auf die Figurensammlung ihrer Söhne schauen, mit einem unausgesprochenen kulturellen Vorwurf, nicht unähnlich dem Klassik-Fan, dessen Kinder sich ein David-Garrett-Album gekauft haben.

Unser Star Wars ist nicht das Star Wars unserer Kinder

Absurd daran ist nicht zuletzt, dass unser Festhalten am "guten Star Wars" ja nur drei Kinofilme als Basis hat. Das ist vergleichsweise wenig in der Gesamtschau. 20 Milliarden Dollar wurden über die Jahre schätzungsweise mit "Star Wars"-Merchandise und Lizenzprodukten umgesetzt - ein Vielfaches der Filmeinnahmen. Als George Lucas die Marke mitsamt seiner Firma 2012 an Disney verkaufte, bekam er vier Milliarden Dollar.

Im Spielzeuggeschäft ist "Star Wars" heute mehr denn je eine aggressive Marke auf Eroberungsfeldzug, genau wie "Cars", "Angry Birds" oder "Monster High". Jede dieser Marken versucht, alle Kanäle zu bespielen: Film, Game, Brettspiel, Figuren, Kosmetik, Accessoires - und "Star Wars" ist dabei enorm erfolgreich, ebenso wie "Die Eiskönigin", die in nur zwei Jahren den Planeten kleiner Mädchen vollständig erobert hat. Vielleicht wird meine Tochter ja auch irgendwann sagen: "Aber der erste Film war noch echt gut."

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Kontinuität existiert in dieser Warenwelt kaum. Es ist nur so, dass wir sie verstärkt suchen: Die Hyper-Beschleunigung unserer Kommunikation, auch der ständige Veränderungsdruck im Berufs- und im Privatleben bringt eine große Sehnsucht nach Beständigkeit mit sich.

Dass die angenehm bekannten Dinge, in die wir uns so erinnerungsselig kuscheln, von den gleichen globalen Konzernen in die Welt gesetzt werden, die den Kapitalismus selbst zum Turbo-Kapitalismus beschleunigt haben, ist beinahe schon selbstverständlich. Es ist die älteste Kamelle der Popkultur, die ja neben einem rebellischen Störenfried immer auch eine große Lebenshilfeindustrie war.

Die Begeisterung für Retro-Phänomene, der Glaube an ein Zusammenrücken der Generationen ist einfach nur ein Placebo. Es hilft uns zu glauben, wir hätten den Anschluss nicht verpasst und unsere Sprösslinge seien wenigstens noch in Sichtweite.

Unerträglich albern, überraschend weise

Für unsere eigenen Eltern sahen die Blockbuster meiner Generation aus wie alberner Science-Fiction-Kram. Sie täuschten sich gewaltig. Wenn ich einige davon heute sehe, bin ich wirklich überrascht, wie unerträglich albern, wie naiv sie sind. Bei anderen hingegen bin ich überrascht, wie weise und erwachsen sie sind. Sieht man sich Steven Spielbergs Filme, wie zum Beispiel "E.T." und "Unheimliche Begegnung der dritten Art", aus den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren wieder an, bekommt man das seltsame Gefühl, dass es hier eigentlich um ganz andere Dinge geht als um die Landungen von Außerirdischen.

Die seltsame Verlorenheit der Kleinstädte und Vorortsiedlungen, die Geborgenheit in der Familie, das Funktionale und das Dysfunktionale, der Wunsch nach Normalität und die Flucht vor der Normalität. Es ist alles da, was Kindheit bedeutet, und wer meint, dass Hollywood-Blockbuster immer ein Happy End haben, der hat die Filme nicht sehr genau gesehen. Sie handeln auch von Transformationen, von Scheidungen, vom Abschiednehmen.

Solche harten Themen werden in dem von Javas, Ewoks, Wookies und anderen Geschöpfen bevölkerten "Star Wars"-Universum nicht verhandelt - bis auf die Sache mit der abgetrennten Hand. "Star Wars" war in seinen besten Momenten immer auf eine wunderbare Art kindlich, albern sogar.

Und wenn man den Trailern zum aktuellen Film glauben darf, hat der Regisseur J. J. Abrams, selbst ein Kind der "Star Wars"-Generation, die Essenz der alten Filme ganz gut verstanden. Immerhin gibt es wieder einen finsteren Bösewicht, der mit Sicherheit vorhat, die Galaxis zu erobern und dazu - was sonst - "Die Macht" benutzt. Harrison Ford spielt Han Solo und Carrie Fisher die hoffentlich immer noch schnippische Prinzessin Leia.

Die Sache könnte mit etwas Daumendrücken tatsächlich gut gehen. Wird sich der Zauber der Kindheit wieder einstellen, der Wahnsinn eines elften Geburtstags mit dem Kinobesuch von "Das Imperium schlägt zurück"? Mit Sicherheit nicht. Der Zauber der Kindheit gehört in die Kindheit. Ihn in guter Erinnerung zu behalten ist besser als der Versuch, ihn sich mit aller Macht zurückzuholen.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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