"Star Wars"-Marketing:Ein gutes Geschäft es ist

"Star Wars"-Marketing: Jedi-Meister in klein: Auch der Spielzeug-Yoda von Spin Master bekannt für seine eigentümliche Grammatik ist.

Jedi-Meister in klein: Auch der Spielzeug-Yoda von Spin Master bekannt für seine eigentümliche Grammatik ist.

(Foto: Spin Master/PR)

Lichtschwert-Grillgabeln, Han-Solo-Kühlschränke, Todesstern-Eiswürfel: Wahnwitziges Marketing begleitet schon Wochen vor dem Kinostart den neuen "Star-Wars"-Film. Der sorgfältig kreierte Hype soll viele Milliarden in Disneys Kassen spülen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis. Okay, okay, es war im Juli 1976 in San Diego. Zur Messe Comic-Con im El Cortez Hotel kamen 3000 Nerds - die Bezeichnung war damals ein Schimpfwort. Drinnen wurden Requisiten und Fotos eines Films gezeigt, der zehn Monate später in die Kinos kommen sollte und von Krieg im Weltraum zwischen einem bösen Imperium und noblen Rittern handelte. Draußen boten junge Leute die Poster zum Film feil, einen Dollar wollten sie jeweils dafür haben. Sie hatten 1000 Stück mitgebracht - und wer dabei war wie der Comicbuchhändler Cal Burke, der erzählt heute: "600 davon sind in den Mülleimern gelandet." "Star Wars", das war keine große Sache damals.

Gegenwart, 150 Kilometer weiter nördlich: Wer sehen möchte, wie sich wegen der siebten Folge der Filmreihe die komplette Welt in einen Todesstern zu verwandeln scheint, der muss mit seinem Sohn nach Disneyland in Anaheim fahren. Es gibt dort in Kalifornien eine Ausbildung zum Jedi-Jüngling und die Raumschiffattrappe "Star Tours", vom 16. November an wird der komplette Park verstarwarst, dann beginnt The Season of the Force. Aus dem Space Mountain wird der Hyperspace-Mountain, es gibt Paraden mit Star-Wars-Figuren und einen Flug im X-Wing-Fighter. "The Force Awakens", der siebte Teil des Sternenkriegs feiert am 18. Dezember seine Premiere.

Wer schon mal in einem Disney-Freizeitpark war, der weiß, dass er nach jeder Attraktion in einen Souvenirladen geschleust wird, weil der Sohn (und bisweilen auch der Vater) nach einem Flug im virtuellen Raumschiff und einer Begegnung mit Darth Vader sehr empfänglich ist für Merchandising-Produkte. "Exit Through the Gift Shop" heißt diese Strategie, die sie bei Disney perfektioniert haben: Es gibt neben den üblichen Produkten wie Pullis, Actionfiguren und Rucksäcken auch Lichtschwerter zum Selberbasteln (24 Dollar), eine R2-D2-Seifenblasen-Maschine (80 Dollar) und eine tennisballgroße Version von BB-8, dem süßen Droiden, der bislang nur in den Werbefilmen zu sehen war. 150 Dollar kostet der kleine Roboter, der sich mit dem Smartphone steuern lässt.

Das Erwachen der Marketing-Macht

"Star Wars"-Marketing: Die Hauptakteure des Kassenknüllers Star Wars als Spielfiguren.

Die Hauptakteure des Kassenknüllers Star Wars als Spielfiguren.

(Foto: oh)

Die planetare Vermarktungsmaschinerie von "Das Erwachen der Macht", so der deutsche Titel, ist bereits vor drei Jahren angelaufen: Im Oktober 2012 verkündete Disney den 4,06-Milliarden-Dollar-Zukauf der Produktionsfirma Lucasfilm und kurz darauf die Produktion einer neuen Episode. Die Strategie erinnert ein wenig an die erste Szene im ersten Star-Wars-Film: Zuerst werden ein paar Sterne gezeigt, dann ein Planet, dann ein Raumschiff. Plötzlich kommt zu martialischen Klängen und mächtigem Geballer der monströse Sternenzerstörer daher. Genau das passiert gerade.

Sechs Wochen vor dem weltweiten Filmstart erwacht die Marketing-Macht, die mit geschätzten 225 Millionen Dollar mehr kostet als die Produktion des Films (200 Millionen). Mancher fragt sich, ob 24 Stunden in seinem Leben vergehen können, ohne dass er etwas von "The Force Awakens" sieht oder hört, und ob er ein Geschäft betreten kann, in dem es keinen einzigen Star-Wars-Artikel gibt.

Der vor zwei Wochen veröffentlichte Trailer legte Vorverkaufsseiten von US-Kinos lahm. 500 Stormtrooper standen kürzlich auf der Chinesischen Mauer, das gleichzeitige Auspacken von Star-Wars-Spielzeug (was ungefähr so interessant ist wie jemandem beim Kaugummikauen zuzusehen) wurde als 18-Stunden-Live-Event vermarktet, Regisseur J.J. Abrams beantwortete im Internet die Fragen berühmter Fans. In Berlin hat Madame Tussauds ihr Wachsfigurenkabinett für drei Millionen Euro um elf Star-Wars-Figuren erweitert.

Rebellen gegen den Marketing-Todesstern gibt es ohnehin kaum

Die Maschine läuft so geschmiert wie der Bau des Todessterns - im Gegensatz zum galaktischen Imperium machen sie bei Disney jedoch keine Fehler, die Rebellen durch einen geschickten Angriff zur Zerstörung des Gebildes nutzen könnten. Rebellen gibt es ohnehin kaum, ganz im Gegenteil: Es ist der erste Star-Wars-Film im Social-Media-Zeitalter, es gibt genug Getreue, die freiwillig helfen: Der Künstler Alexander Milos verwandelte die Lenin-Statue in Odessa in Darth Vader, die Mitglieder der 501st Legion verkleiden sich wie Star-Wars-Bösewichter und treten derzeit für gute Zwecke überall auf der Welt auf.

Halloween war ein Schaulaufen der Figuren aus dem neuen Film: Der Schauspieler Neil Patrick Harris etwa ging als Obi-Wan Kenobi, sein Ehemann David Burtka als Han Solo und die Zwillingskinder Gideon und Harper als Luke und Leia Skywalker. Vier Outfits für die Kleinfamilie kosten insgesamt etwa 180 Dollar, es waren genügend solcher Familien zu sehen.

"Wir sind sehr, sehr vorsichtig, was wir wann veröffentlichen", sagte Geschäftsführer Robert Iger bereits im Mai: "Wir haben unsere Marketingstrategie sehr sorgfältig entwickelt." Sich bei Disney nach der Vermarktungsstrategie zu erkundigen ist ungefähr so ergiebig wie ein Anruf bei Apple mit der Bitte um Informationen zum neuen iPhone - es bleiben nur Igers Aussagen am Telefon anlässlich der Quartalszahlen: "Wir müssen sehr vorsichtig sein, dass die Nachfrage auf dem Markt nicht zu früh zu groß ist."

"Wir dürfen das nicht über-kommerzialisieren"

Davor hat der Disney-Chef also Angst: Nicht, dass das Interesse an diesem Film zu gering sein könnte, sondern dass es bereits zu früh zu hoch ist. Schon 2013 hatte er gesagt: "Wir dürfen das nur ja nicht über-kommerzialisieren oder über-hypen. Es ist meine Aufgabe, genau das zu verhindern."

Natürlich könnte nicht einmal Darth Vader durch den Umbau von Pluto zum Todesstern und einem anschließenden Angriff auf die Erde verhindern, dass "Star Wars: The Force Awakens" einer der erfolgreichsten Filme der Geschichte werden wird, die Bemessung findet selbst für Blockbuster-Verhältnisse in weit, weit entfernten Galaxien statt: Ob der Film etwa bereits am ersten Wochenende weltweit die 500-Millionen-Dollar-Marke wird knacken können und wann eine Milliarde Dollar eingenommen sein wird. Die Frage ist nicht "ob", sondern "wann".

Experten prognostizieren, dass der Film weltweit 2,3 Milliarden Dollar einspielen wird, falls er auch in China gezeigt werden darf. Die Verantwortlichen hoffen dort auf einen Start am 2. Januar. Alle 34 Plätze für ausländische Filme sind in diesem Jahr schon vergeben. Die Aktion mit den Stormtroopern auf der Chinesischen Mauer war wichtige Werbung, schließlich soll das Werk in China etwa 550 Millionen Dollar erwirtschaften. Der allwissende Yoda würde dazu sagen: Gutes Geschäft es ist, so ein Sternenkrieg. Nicht nur wegen des Films, sondern vor allem wegen allem, was drumherum passiert.

Unglaubliche Anzahl skurriler oder wahnwitziger Produkte

In der Star-Wars-Satire "Spaceballs" aus dem Jahr 1987 verkündet Yogurt, die Persiflage-Figur auf den weisen Yoda: "Merchandising! Merchandising! Dort wird die wahre Kohle bei einem Film gemacht!" Insgesamt hat die Star-Wars-Franchise in den vergangenen 39 Jahren etwa 28 Milliarden Dollar umgesetzt, davon 4,35 Milliarden an der Kinokasse, 4,5 Milliarden durch Verkäufe auf Datenträgern und 3,4 Milliarden durch Computerspiele. 12,1 Milliarden Dollar jedoch stammen aus dem Spielzeug-Sektor.

Am Force Friday kamen Anfang September weltweit neue Spielzeuge in die Geschäfte, bis Weihnachten könnte Disney laut Forbes bis zu fünf Milliarden Dollar damit einnehmen - das ist mehr als das Doppelte, was an Erlösen an den Kinokassen erwartet wird.

1000 Poster

wollten ein paar Nerds zum Start der ersten Star-Wars-Folge verteilen - das Stück für einen Dollar. Aber 1976 war der Sternenkrieg keine große Sache. Mehr als die Hälfte der Poster landete auf dem Müll. In die Vermarktung der siebten Folge fließen heute Millionen und sie soll Milliarden einbringen. Das Marketing läuft auf Hochtouren. Poster wirken da wie ein Werbemittel aus einer sehr weit entfernten Galaxie.

Genau das führt zurück zu Disneyland und dem Laden mit den Merchandising-Artikeln. Es gibt, auch durch zahlreiche Kooperationen mit anderen Unternehmen, eine unglaubliche Anzahl verschiedener Produkte, die durchaus in den skurrilen oder auch wahnwitzigen Bereich abrutschen: einen Han-Solo-Kühlschrank, Todesstern-Eiswürfel-Formen, eine Lichtschwert-Grillgabel, ein Millennium-Falcon-Kinderbett. Nur der äußerst knapp bemessene Bikini von Prinzessin Leia aus "Return of the Jedi" soll laut Entertainment Weekly aufgrund mangelnder Familienfreundlichkeit nicht mehr verkauft werden.

Disneys Zukunft wird von Star Wars geprägt sein

Wer im Disneyland nach dem Besuch im Souvenirladen hinaufgeht zur Big Thunder Mountain Railroad, der sieht, dass all dies nur der Anfang ist und dass auf den derzeit sichtbaren Sternenzerstörer noch ein gewaltiger Todesstern folgen wird. Wie im Freizeitpark in Florida soll hier ein 57 000 Quadratmeter großes Star Wars Land entstehen, die Arbeiten dazu werden im kommenden Jahr beginnen. Dann wird auch der neue 5,5-Milliarden-Dollar-Park in Shanghai eröffnet, auf der Kreuzfahrtlinie wird es Star-Wars-Speziale geben.

Es sind Investitionen in die Zukunft, die bei Disney von "Star Wars" geprägt sein wird. Bis 2019 sind Filme (im Wechsel jeweils eine neue Episode der Original-Saga und eine außerhalb stattfindende Geschichte) geplant, dazu TV-Serien, Bücher, Computerspiele - und natürlich noch viel mehr Spielzeug. Die Macht in Disney, sie erwacht gerade erst.

Am Ende der ersten Szene im ersten Star-Wars-Film übrigens wird das Raumschiff derer, die sich gegen die Unterjochung durch das Imperium wehren, vom monströsen Sternenzerstörer einfach verschluckt. Das könnte in den kommenden Wochen auch auf der Erde passieren - die Marketing-Macht von Disney ist gerade erst erwacht, bis zum Filmstart gibt es noch viele Hinweise zu streuen.

39 Jahre, nachdem junge Leute in San Diego ein paar Poster verkaufen wollten, steht Regisseur J.J. Abrams vor dem Beverly Wilshire Hotel in Los Angeles. "Was ist mit Luke Skywalker?", brüllen Fans, weil der Protagonist der ersten drei Filme bisher in keinem der Trailer zu sehen war. "Ich kann es gar nicht erwarten, bis Ihr alle den Grund dafür herausfindet", sagt Abrams lächelnd: "Das ist kein Zufall." Na klar: Nichts, was die Vermarktung Star Wars betrifft, geschieht zufällig.

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