Heutzutage müssen nicht nur Hunde, sondern immer häufiger auch die lauten Kleinen draußen bleiben. Es gibt Restaurants, Hotels und Geschäfte, die dem scheinbar wachsenden gesellschaftlichen Bedürfnis nach einer Welt ganz ohne Kindergeplärre Rechnung tragen. Kindergärten und Kindertagesstätten werden mit Klagen wegen Lärmbelästigung überzogen. Nicht selten waren derartige Vorstöße in der Vergangenheit erfolgreich.
Nun macht sich die Bundesregierung für mehr Kinderfreundlichkeit stark: Kinderlärm in der Nachbarschaft soll künftig - anders als Autolärm - generell kein Grund sein, vor Gericht ziehen zu können. Das sieht ein Entwurf des Bundesumweltministeriums zur Änderung des Immissionsschutzgesetzes vor. Ein Ministeriumssprecher bestätigte am Freitag einen entsprechenden Bericht der Passauer Neuen Presse.
Ist Kinderlärm "sozialadäquat"?
Der Bundesrat hatte im März vergangenen Jahres eine gleichgerichtete Initiative gestartet. Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und Einrichtungen wie Ballspielplätzen hervorgerufen werden, sind dem Entwurf zufolge keine schädliche Umwelteinwirkung: "Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden."
Anlass für die Neuregelung ist, dass Anwohner einige Male erfolgreich gegen Kindertagesstätten vor Gericht geklagt hatten. Die Kläger beriefen sich dabei auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz und machten einen Umweltschaden geltend.
Der Entwurf soll nach den Worten des Ministeriumssprechers im Februar ins Bundeskabinett kommen. Ergänzend sei eine Novelle des Bauplanungsrechts mit der Klarstellung geplant, dass Kitas künftig auch in reinen Wohngebieten grundsätzlich zulässig sein sollen.
Städtetagspräsidentin Petra Roth begrüßte die Pläne. "Kinder und ihre Lebendigkeit gehören zu unserem Leben", sagte sie der Passauer Neuen Presse. Der Bundesrat hatte sich im März 2010 hinter die Bestrebungen der Bundesregierung gestellt und den Gesetzgeber aufgefordert, klarzustellen, "dass Kinderlärm sozialadäquat ist". Dies könne dazu beitragen, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Sogenannte Abwehransprüche sollen nach Meinung der Länderkammer auf Einzelfälle begrenzt bleiben.