Kolumne "Familie und andere Turbulenzen":Hast du Merkels neues Handy schon geknackt?

Familien-Kolumne

Sie denken, Ihre Kinder malen harmlose Bildchen? Wahrscheinlich sind unter dem Papier Smartphones versteckt!

(Foto: Stephanie Wunderlich)

Erstaunlich, wie virtuos Kinder mit dem Smartphone umgehen. Und ganz selbstverständlich von Erwachsenen fordern: Gib mir dein Passwort! Doch wehe, wenn man sie mit dem Smartphone allein lässt.

Von Katja Schnitzler

Als der Onkel zu Besuch kam - es war noch einer der wärmeren Tage - hatte er Wasserpistolen dabei. Genau das richtige für seine achtjährige Nichte und den zehnjährigen Neffen. Vor allem, da seine Schwester den Kindern immer politisch korrekte Spritz-Tiere kaufte, deren Strahl nur halb so weit reichte. Doch die einzige, die seinem subversiven Mitbringsel wirklich Aufmerksamkeit schenkte, war seine Schwester.

Die Kinder hingegen fragten, kaum dass er sich auf einem Gartenstuhl niedergelassen hatte: "Was hast du für ein Smartphone?" "Zeig mal her, welche Apps sind da drauf?" "Wo sind denn deine Apps?" "Weißt du etwa nicht, wie das geht?"

Natürlich, meinte der Onkel entrüstet, er habe doch zehn Apps, mehr brauche kein Mensch.

Die Kinder sahen ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, wechselten einen kurzen Blick, dann fragte die Nichte: "Können wir uns Spiele runterladen?" "Ja, gib uns dein Passwort!", forderte der Neffe. Die Mutter war gerade im Haus, um die Wasserpistolen verschwinden zu lassen.

"Okaaay", sagte der Onkel, der nur selten Zeit für die Kinder hatte. "Ihr wisst ja offenbar, wie das geht. Aber nichts Verbotenes runterladen, gell." Die Kinder sahen ihn misstrauisch an. Der Onkel grinste, war nur ein Scherz.

Während die erwachsenen Geschwister Kaffee tranken, beschäftigten sich die jungen Geschwister mit dem Handy. Ob sie dem Nachbarsjungen Jonas das tolle Smartphone zeigen dürften, fragten sie. Na klar, meinte der Onkel, etwas geschmeichelt und ein wenig gönnerhaft.

Die drei Kinder verzogen sich hinter die Hecke. Im Haus klingelte das Telefon. Das könnte dauern, dachte der Onkel. Er beschloss, ein wenig durch den Garten zu spazieren und im Schutz der Hecke zu lauschen. Kindergespräche sind ja immer so unterhaltsam.

Was sagte der Nachbarsjunge da gerade? "Welcher Trottel hat euch sein Smartphone gegeben?" "Unser Onkel", sagte die Nichte kichernd.

Moment mal, dachte der Onkel und trat auf einen trockenen Ast.

Die Kinder schreckten hoch, aber nur kurz. Dann redeten sie weiter: "Wir haben es auch schon synchronisiert", erklärte der Neffe. "Und vorher ...?", fragte der Nachbarsjunge. "Ja, verschlüsselt, nur die Ruhe", meinte die Nichte.

Der Onkel drückte sein Ohr an die Hecke, als wäre sie eine Tür.

"Wartet, da ist eine Nachricht von Görkan. Siri, lies vor und übersetze!", befahl der Neffe. Siri: "Kim Merkel'in cep telefonun kodunu kırabildi? Hat einer von euch schon Merkels neues Handy geknackt?"

Dem Onkel stockte der Atem.

"Bei Obama sind wir auch schon drin"

Sie finde das gemein, ereiferte sich die Nichte, dass die NSA einfach behaupte, sie habe Angela Merkel abgehört. "Das meint der Chris aus Washington auch", sagte Nachbarsjunge Jonas. "Wartet, ich leite euch gleich etwas von ihm weiter. Chris hat eine Nachricht von Obama abgefangen, das müsst ihr sehen." "Hat er das von Twitter? Wie langweilig", sagte der Neffe. "Nein, von Obamas Diensthandy, Chris ist endlich drin! Wartet, gleich habt ihr es auch auf eurem Smartphone", sagte Jonas.

Das Smartphone des Onkels bestätigte den Empfang mit einem "Pling!". Der Onkel brach durch die Hecke. "Ja spinnt ihr denn total! Merkel! Obama! Her mit meinem Handy!" Er sah aufs Display.

Boss-darling, I'll miss dinner, have to talk to outraged Merkel.

Der Onkel schluckte schwer. Seine Nichte zupfte an seinem Hemd und zog ihn zu sich herunter: "Wenn du Mama nichts sagst", wisperte sie in sein Ohr, "löschen wir alle Spuren auf deinem Smartphone." "Aber überleg nicht zu lange", zischte der Neffe ins andere Ohr, "Du hast nur zehn Minuten. Dann haben sie dein Handy geortet. Und dich."

"Wer?", krächzte der Onkel. "Na, der BND ja wohl nicht", meinte der Nachbarsjunge grinsend. "Wir lassen das Smartphone besser ganz für dich verschwinden. Wir sind nicht strafmündig", sagte die Nichte mit Betonung auf "wir".

Der Onkel blickte aufs Display, dann von einem zum anderen. Er drückte dem Neffen das Smartphone in die Hand. "Keine Spur!", keuchte er. Dann verschwand er durch die Hecke und eilte zurück zur Terrasse.

Dort erwartete ihn seine Schwester mit zwei frisch eingeschenkten Kaffeetassen und dem Vorwurf, dass die Kinder für Militärspielzeug wirklich noch zu klein seien. Seine Antwort fand sie ein wenig verwirrend: "Ich glaube, du hast keine Ahnung, wozu deine herzallerliebsten Kleinen fähig sind."

Vor der Hecke sahen sich die drei Kinder grinsend an. Der Neffe löschte die zehn Apps vom Smartphone seines Onkels und steckte es zufrieden ein. "Ich habe euch doch gesagt, dass das klappt."

Wie gehen Ihre Kinder mit Smartphones und Tablets um? Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen und Tipps in den Kommentaren unter der Kolumne.

Auf SZ.de erscheint immer montags die Familienkolumne über das Zusammenleben von Eltern, Kindern und Großeltern, aber auch Tanten und Onkeln, Cousins, Nichten, Neffen - eben allen, die das Familienleben bereichern, erleichtern oder auch ein bisschen komplizierter machen.

Sie können gerne einen Themenvorschlag an die Autorin Katja Schnitzler mailen: Was treibt Sie in Ihrer Familie in den Wahnsinn oder was macht das Leben erst richtig schön?

Und alles zum Thema Erziehung von Babys bis hin zu Jugendlichen finden Sie im Erziehungsratgeber.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: