Kinderbetreuung:Erzieherinnen sind auch nur Menschen

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Eine Kita in Schwerin (Symbolbild). (Foto: picture alliance / dpa)

In einer Münchner Kita wurde ein Kind an einem Baum angeleint, nun ist die Empörung groß. Doch so unverzeihlich das ist: Wenn es ums eigene Kind geht, vergessen manche Eltern, dass Fehler menschlich sind.

Kommentar von Barbara Vorsamer

Bevor wir uns falsch verstehen: Der aktuelle Fall ist so drastisch, dass man sich nur schwer Umstände vorstellen kann, die das Verhalten der Erzieherinnen rechtfertigen. Bei einem Kita-Ausflug in der Nähe von München wurde ein zweijähriges Kind über einen längeren Zeitraum mit einer pinken Hundeleine am Baum festgebunden. Das ist Freiheitsberaubung, das ist entwürdigend - und bei der Bewertung dieses Vorgangs ist es ziemlich egal, wie sich der Junge vorher benommen hat.

Würde mit den eigenen Kindern so umgegangen, wäre die Empörung groß. Zu Recht. Aber das ist auch der Grund, warum niemals die betroffenen Eltern dafür zuständig sein sollten, über Konsequenzen zu entscheiden. Im Gerichtssaal sind es schließlich auch nicht die Angehörigen der Opfer, die über das richtige Strafmaß bestimmen - und das ist gut so.

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Von Sara Peschke

Pädagogisches Personal hat die gleichen Arbeitnehmerrechte wie jeder andere Angestellte. Zu denen gehört, dass man für Fehler nicht an einen öffentlichen Pranger gestellt wird. Zu denen gehört auch, dass man nicht beim ersten Fehler seinen Job verliert, sondern dass es zunächst Gespräche und Abmahnungen geben muss. Ja, es gibt Fehlverhalten, die eine sofortige Kündigung möglich machen. Die Bewertung, ob der aktuelle Fall die Kriterien dafür erfüllt, obliegt aber im Zweifel den Arbeitsgerichten. Nicht der Öffentlichkeit und nicht den Eltern.

Fehler zuzugeben ist keine Schwäche, sondern eine Stärke

Eltern erwarten von Erziehern, dass sie niemals laut und ausfallend werden und den Kindern jederzeit die volle Aufmerksamkeit schenken. Sie dürfen die Kinder weder bestrafen noch bestechen und schon gar nicht rüde anfassen. An sich selbst stellen Eltern diese Ansprüche nicht immer, da wird schon mal eine Handvoll Gummibärchen für schnelleres Schuhe anziehen in Aussicht gestellt oder ein Kleinkind gegen seinen Willen aus der Tür getragen. Von den Erziehern ihrer Kinder erwarten sie dagegen Unmenschliches.

Natürlich ist es in Ordnung, von pädagogischen Profis eine professionellere Leistung zu verlangen. Aber es ist nicht in Ordnung, zu erwarten, dass sie niemals einen Fehler machen. In Zeiten massiver Personalknappheit müssen diese mit teilweise schlecht ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen eine Horde Kinder bändigen. Kinder - das wissen auch Eltern - sind manchmal unmöglich: Sie entfernen sich heimlich von der Gruppe, rennen auf die Straße, werfen mit Spielzeug, hauen andere Kinder. Erzieher müssen mit all dem fertig werden.

Die Eltern anrufen und bitten, das Kind zu holen, weil es nicht zu beruhigen ist? Dürfen Kindertagesstätten eigentlich nicht. Die Eltern haben einen Rechtsanspruch auf die Betreuung ihrer Kinder. Zudem gehört es zum Anspruch von Kleinkindpädagogen an sich selbst, jedes Kind immer wahrzunehmen und zu fördern. Zuzugeben, dass man mit einem Kind nicht klar kommt, kratzt da am Selbstbild.

Aber natürlich gibt es Situationen, mit denen auch die erfahrensten Pädagogen überfordert sind. Sie sind dann in der Pflicht, sich Hilfe zu suchen: Sie müssen mit den Eltern sprechen, mit den Kollegen. Sie können an Supervisionen teilnehmen und eventuell den Kontakt zu Kinderärzten oder dem Jugendamt aufnehmen. So etwas wie in der Münchner Kita passiert selten völlig unerwartet. Meistens sagen die Beteiligten im Nachhinein: Hier hätte ich früher jemandem Bescheid geben müssen. Und dort hätte ich direkt sagen müssen: Das kann ich nicht. Seine persönlichen Grenzen zu kennen und Fehler zuzugeben ist keine Schwäche, sondern eine Stärke - gerade in einem Beruf, in dem es ums Zwischenmenschliche geht.

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