Schüler-Gedicht:Generation Hype trifft Generation Shitstorm

Lesezeit: 2 min

Ein Text, zwei Lesarten - und eine Woge der Begeisterung wegen 24 Zeilen: Ein 14-jähriger Schüler verzaubert das Netz mit einem ungewöhnlichen Gedicht. Darin stellt er die Frage, wofür seine Generation eigentlich steht. Die liefert die Antwort gleich selbst.

Von Tobias Dorfer

Mit Ansprachen an die eigene Generation ist das so eine Sache. Das kann ziemlich plakativ rüberkommen und entsprechend in die Hose gehen. Es kann aber auch ein berührendes Stilmittel sein, hinter dem sich zumindest ein begrenzter Teil der In-etwa-Gleichaltrigen (und viele mehr) versammeln und sagen: Ja, so ist es, das sind wir! Wir haben damals Alf geschaut, Flutschfinger-Eis gegessen oder gegen den Nato-Doppelbeschluss gekämpft. Wir sind eine Generation, und wenn uns das Leben schon zu Einzelkämpfern macht, haben wir doch ein verbindendes Element, das uns eint.

Genau dieses Prinzip hat den Erfolg von Julia Engelmann ausgemacht, der jungen Poetry Slammerin aus Bremen, die im Mai 2013 in Bielefeld mit ihrem Text zu "One Day/Reckoning Song" ihrer Generation Lethargie und mangelnde Initiative vorwarf und es in knapp sechs Minuten schaffte, nahezu eine ganze Nation zu verzaubern (zeitlich verzögert - der Hype um den Clip begann erst Anfang 2014). Mehr als fünf Millionen Mal wurde das Video inzwischen bei Youtube angeklickt. "Lasst uns Geschichten schreiben, die wir später gerne erzählen", sagt Engelmann darin.

In den sozialen Netzwerken gieren die Menschen nach solchen Geschichten - besonders dann, wenn sie so gut gemacht sind wie die von Julia Engelmann. Oder die von Jordan Nichols. Der ist mit seinen 14 Jahren ein ganzes Stück jünger als die Bremer Poetry-Slammerin und insofern möglicherweise schon wieder Teil einer ganz anderen Generation. Aber was sich unter seinem Namen im Internet verbreitet, liest sich so klug, dass die Massen auf Twitter und Facebook schon wieder hyperventilieren. Generationenunabhängig.

Glaubt man den zahlreichen Medienberichten, dann hat Jordan Nichols, ein Achtklässler aus Wilmington im US-Bundesstaat North Carolina, im Unterricht ein höchst ungewöhnliches Gedicht geschrieben. Es heißt "Unsere Generation", umfasst 24 Zeilen und weist ein eindrucksvolles Stilmittel auf: Wer den Text von Anfang bis zum Ende liest, braucht anschließend wahrscheinlich nicht nur einen Stimmungsaufheller. Beispiel gefällig? "Unsere Generation wird einmal für nichts stehen", schreibt der Teenager. Und weiter:

Thinking that

We actually succeeded

Is a waste. And we know

Living only for money and power

Is the way to go.

Beginnt man mit dem Lesen des Textes jedoch bei der letzten Zeile und liest bis zum Anfang, entsteht etwas fast schon Magisches: Dann dreht sich die Aussage des Gedichts um 180 Grad - und wird zur Mut machenden Ode an junge Menschen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen und sich ihrer Verantwortung für die Welt bewusst sind.

Living only for money and power

Is a waste. And we know

We actually succeeded

Thinking that

Our generation was a failure.

That is wrong, the truth is

We were the peak of mankind.

Wahrscheinlich hätte die Welt von diesem Gedicht nie erfahren, wenn nicht Jordan Nichols großer Bruder Derek so fasziniert von diesen Zeilen gewesen wäre und den Text via Twitter versendet hätte ( hier das ganze Gedicht zum Nachlesen).

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Innerhalb von nicht einmal 48 Stunden wurde Derek Nichols Tweet mehr als 130.000 Mal retweetet. Auf Twitter sind die User begeistert:

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Doch wie so oft in solchen Fällen gibt es auch viele negative Stimmen. Menschen, die bezweifeln, dass ein Achtklässler so etwas geschrieben haben kann. Nörgler, die jedem, der den Text weiter verbreitet, eine reinhauen wollen. Und immer wieder: ein böser Vorwurf. Der Text sei ein Plagiat heißt es in vielen Tweets - zumindest habe sich Jordan Nichols von dem Gedicht "Lost Generation" von Jonathan Reed inspirieren lassen, das sich ebenfalls rückwärts lesen lässt. Und in der Tat lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit nicht bestreiten.

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Derek Nichols, der den Text online gestellt hat, nimmt seinen Bruder auf Twitter in Schutz:

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Vielleicht ist dies das eigentliche Problem dieser sogenannten Generation: dass sie andere einfach zu gerne zu Boden wirft.

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