Gleichberechtigung:Auch Feministen gucken Pornos

Lesezeit: 2 min

Ein positives Frauenbild? So einfach ist es nicht. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Wer Pornos guckt, denkt positiver über Frauen, behauptet eine aktuelle Studie. Das überrascht - aber nur einen Moment lang.

Von Barbara Vorsamer

Wenig wirkt so frauenverachtend wie ein 08/15-Porno, in dem Frauen nur als Körper mit langen Haaren, großen Brüsten und diversen Öffnungen vorkommen. Trotzdem kommt eine aktuelle Studie von der Western University in Kanada zu dem Ergebnis: Menschen, die Pornos schauen, haben ein positiveres Frauenbild als Menschen, die das nicht tun.

Damit geben die Autoren der Studie lustfeindlichen Radikalfeministinnen, die die Pornografie im Namen der Gleichberechtigung verbieten wollen, auf den ersten Blick so richtig eine mit. Taylor Kohut, Jodie L. Bear und Brendan Watts freuen sich, deren spaßbefreiter Argumentation ihre empirischen Daten entgegensetzen zu können.

Frauen seien in Sexfilmen fast immer als "anonyme, stöhnende Spielsachen" dargestellt, "Puppen für Erwachsene, entmenschlichte Dinge, die gebraucht, missbraucht und weggeworfen werden können", schrieb die amerikanische Feministin Susan Brownmiller 1975. Die Aktivistin Andrea Dworkin setzte sich daher in den 70er und 80er Jahren für ein generelles Verbot von Pornografie in den USA ein, genauso wie die deutsche Feministin Alice Schwarzer mit ihrer PorNo-Kampagne. Dass Pornokonsum einen negativen Einfluss auf das Frauenbild hat, setzten diese Autorinnen voraus. Bewiesen ist es bis heute nicht.

Feminismus-Debatte
:Schrecklich perfekte Frauen

Karrierefrauen und Power-Mütter optimieren sich permanent selbst - obwohl sie dem Kollaps nah sind. Die wütende junge Feministin Laurie Penny spricht es aus: höchste Zeit, diese Anpassung in Frage zu stellen. Eine Polemik.

Von Nataly Bleuel

Auch die Autoren der aktuellen Studie kommen zu dem Schluss: Es gebe keinen Beweis für die Annahme, dass Pornografiekonsum etwas mit Sichtweisen zu tun habe, die der Gleichberechtigung widersprechen. Dafür aber Hinweise auf das Gegenteil.

Mehr Sex statt weniger Sexismus

Lautet das neue Postulat des Feminismus nun "Guckt mehr Pornos"? Das wäre doch mal eine Forderung, mit der die Bewegung punkten könnte, der - nicht nur in den sozialen Netzwerken - oft attestiert wird, sie habe zwar irgendwie recht, wirke aber leider humorlos, männerfeindlich und nehme alles viel zu genau. Der Einsatz für mehr Sex(filme) käme da vielleicht besser an als Beschwerden wegen sexistischen Witzen oder die Forderung nach Entgeltgleichheit.

Doch leider heißt ein statistischer Zusammenhang zwischen zwei Dingen nicht immer, dass es eine Wirkung gibt. Sonst müssten alle immer noch an den Storch glauben, der die Kinder bringt - stattdessen ist bekannt, dass es in ländlichen Gebieten nun mal mehr Störche und eine höhere Geburtenrate gibt. Drittvariablenkontrolle heißt so etwas in den Sozialwissenschaften.

Pornogucker sind anders

Der Zusammenhang zwischen Pornos und feministischer Einstellung ist auf diese Weise schnell erklärt. Die Nutzung von Pornografie ist nicht in allen gesellschaftlichen Gruppen gleich. So schauen der Studie zufolge junge, wenig religiöse und liberaler eingestellte Menschen eher Sexfilme als Menschen, die religiös, konservativ und älter sind. (Oder erste Gruppe gibt es eher zu. Wer Pornos schaut, wurde in der Studie mittels Befragung erhoben und es ist nicht anzunehmen, dass bei so einem Thema alle ehrlich antworten.)

Dass jüngere Menschen eher für Gleichberechtigung sind als ältere, liberale eher als konservative und wenig religiöse eher als religiöse überrascht kaum. Die feministischere Einstellung der Pornoschauer hat also mitnichten etwas mit ihrem Medienkonsum zu tun.

Feministische Pornos

Daher lassen sich Youporn-Sessions auch künftig nicht mit "Ich arbeite an meiner Einstellung zur Gleichberechtigung" begründen. Außer natürlich es laufen feministische Pornos - ja, so etwas gibt es auch.

Denn die Feministinnen, an denen sich die Autoren der Studie abarbeiten, sind nur eine Stimme innerhalb der Debatte. Es gibt immer mehr sexpositive Feministinnen, die der Meinung sind, pornografisches Material sei nicht automatisch frauenverachtend und freier Zugang dazu sei wichtig für Frauen und Männer. "PorYes" heißt die Bewegung in Anlehnung an die PorNo-Kampagne aus den achtziger Jahren und stellt als Anforderung an Sexfilme, weibliche Lust positiv darzustellen und menschenverachtende Darstellungen zu vermeiden.

Wie es die Einstellung verändert, solche Pornos zu schauen - das könnten Kohut, Bear und Watts doch das nächste Mal erforschen. Diesmal mit Drittvariablenkontrolle.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ Jetztjetzt.de-Kolumne: Jungsfrage
:Mädchen, was verbietet euch der Feminismus?

Vom Suggar Daddy aushalten lassen und tussig sein? Damit wären Jahrzehnte der Emanzipation für die Tonne! Oder vielleicht doch nicht?

Von Jakob Biazza und Martina Holzapfl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: