Fragwürdiger Bewegungstipp:Ministerin für Mädchensport

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Junge Tänzerinnen mit der englischen Ballerina Darcey Brussel. (Foto: AFP)

Die britische Sportministerin empfiehlt Frauen, Ballett, Cheerleading oder Rollschuhlaufen auszuprobieren - weil das schön weiblich aussieht. Sie setzt damit ein falsches Signal, das manche Frauen sogar abschrecken könnte.

Von Sonja Salzburger

Ob das wirklich hilft, mehr Frauen zum Training zu motivieren? Wer Sport unweiblich findet, sollte doch mal Ballett, Cheerleading, Gymnastik oder Rollschuhlaufen ausprobieren, empfiehlt Großbritanniens Sportministerin Helen Grant in einem Interview mit dem Telegraph. "Sie müssen sich nicht unweiblich fühlen", sagt Grant. "Es gibt einige wundervolle Sportarten, die Sie auf hohem Niveau treiben können und bei denen Sie wunderschön und sehr weiblich aussehen."

Entschuldigung? Waren wir nicht schon weiter? Grants Frauenbild scheint reichlich angestaubt. Kein Zweifel, dass Sportlerinnen aus den genannten Disziplinen den gleichen Respekt verdienen wie alle anderen auch. Blutige Fersen, überlastete Sehnen und Bänder, Mittelfußbrüche - niemand will behaupten, dass Ballet weniger anstrengend ist als Fußball. Die Einteilung in weibliche und männliche Sportarten ist trotzdem nicht mehr zeitgemäß. Wer sagt außerdem, dass sich jede Frau im Tutu wie eine zarte Elfe fühlt und nicht wie ein ungelenker Elefant? Und wer will eigentlich vorschreiben, was feminin ist?

"Auch muskelbepackte Bodybuilderinnen fühlen sich oft extrem feminin und erotisch", sagt Sportsoziologin Antje Dresen, die an der Uni Mainz forscht. Es sei bloß ein anderes Verständnis von Weiblichkeit, das nicht unbedingt dem der filigranen Ballerina entspreche, aber ebenso seine Daseinsberechtigung habe. Tänzerinnen, Fußballerinnen oder Athletinnen mögen bewegungsbedingt vielleicht einen etwas anderen Körperbau haben, trotzdem gäben sie bei Befragungen fast alle an, dass sie sich als Frau definieren, so Dresen.

Psychologen unterscheiden in der Motivationsforschung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Eine intrinsische Motivation wäre zum Beispiel, wenn jemand Sport treibt, weil es Spaß macht; eine extrinsische, weil er oder sie glaubt, ein bestimmtes Schönheitsideal erfüllen zu müssen. Auf lange Sicht werden eher diejenigen am Ball bleiben, die Sport aus Leidenschaft treiben, sagt Sportpsychologin Kathrin Staufenbiel von der Uni Münster. Die Aufgabe einer Sportministerin könnte es sein, die intrinsischen Motive unterschiedlicher Frauen zu erkennen und gezielt anzusprechen, beispielsweise indem sie in ihren Kampagnen den Spaß- und Gemeinschaftsaspekt betont. Soziologische Studien haben gezeigt, dass dies einige der häufigsten Gründe sind, warum Frauen Sport treiben.

Gesellschaftliche Normen als Hindernis

So löblich das Ansinnen Helen Grants auch sein mag, mehr Frauen zur Bewegung zu motivieren - eine Sportministerin sollte keine Klischees reproduzieren. Wer vielleicht noch unsicher ist, welcher Sport der richtige ist, könnten durch unbedachte Bemerkungen sogar abgeschreckt werden. Eine Frau, die sich gerne mal am Boxsack versuchen würde, wird vielleicht zögern, wenn alle ihre Freunde behaupten, das sei nur was für Männer.

Vielen fällt es schwer, sich völlig frei von gesellschaftlichen Normen zu machen, weiß auch Sportpsychologin Staufenbiel. Sie hat beispielsweise sowohl in Deutschland, als auch in den USA Fußball gespielt und sich dabei in den Vereinigten Staaten wohler gefühlt. Sie glaubt, dass das auch daran lag, dass Fußball in Amerika kein klassischer Männersport sei. "Generell ist der Sport dort viel positiver besetzt und es wird nicht zwischen Männer und Frauenfußball verglichen - wie es hier häufig vorkommt und wobei Frauen immer schlecht abschneiden", sagt die Sportpsychologin.

In Deutschlands aktuellem Olympiateam sind gerade mehr weibliche Sportlerinnen als je zuvor. 77 Frauen und 76 Männer schickte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nach Sotschi. Großbritannien - ein nicht gerade schneeverwöhntes Land - sandte immerhin 33 Athleten und 23 Athletinnen.

Alle Sportler haben hart für ihre Nominierung gearbeitet und versuchen, während der Wettkämpfe Höchstleistungen zu bringen. Auf dem Weg ins Ziel dürfte Maria Höfl-Riesch gestern in ihrem Ganzkörperanzug, den gelben Schienbeinschonern und dem großen Helm wohl kaum darüber nachgedacht haben, ob sie gerade weiblich genug aussieht. Und das ist auch gut so!

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