Fastenzeit:"Ständig essen ist nicht normal"

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Fasten ist in: Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Auszeit von der Nahrungsaufnahme - es geht um mehr als abnehmen.

"Krass ist, dass normalgewichtige Männer ab 35 Jahren schon in der Minderheit sind", sagt Silke Restemeyer. Die Ernährungswissenschaftlerin, die für die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) arbeitet, spricht nicht von ein bisschen Winterspeck. Die meisten erwachsenen Deutschen schleppen jahraus, jahrein Übergewicht mit sich herum - jede fünfte Frau und jeder fünfte Mann ist sogar fettleibig.

Tee trinken und sich besinnen: Fasten ist mehr als eine Diät. (Foto: Foto: AP)

Kein Wunder, sagt die medizinische Leiterin der Fastenkliniken Buchinger, Francoise Wilhelmi-de Toledo: "Überall leckere Kalorien, wenig Bewegung, viel Stress - das ist das ideale Programm zum Zunehmen." Jedes Jahr zwei bis drei Kilo mehr auf den Rippen ist der durchschnittliche Zuwachs. Dabei habe die Natur auch den Menschen auf einen Wechsel von zu viel und zu wenig Nahrung ausgerichtet, sagt Wilhelmi: "Ständig essen ist nicht normal."

Statt notgedrungen zu hungern, entschließen sich immer mehr Wohlstandsbürger zum freiwilligen Fasten. Ein Dutzend Fastenkliniken bieten hierbei ihre Dienste an. Allein beim Marktführer Buchinger in Überlingen am Bodensee und im spanischen Marbella gönnen sich jährlich 3500 Patienten oder Gäste eine Pause.

Billig ist das nicht. Zwei Wochen dauert die Kur mit ein bisschen Gemüsebrühe und Obstsaft, viel Tee, viel Bewegung, viel Ruhe. Der Literaturkritiker Hellmuth Karasek und die Astrologin Elizabeth Teissier fasten dort mit anderen Promis aus dem Showbusiness, Managern und Politikern, die lieber anonym bleiben wollen. Auch viele Lehrer erholen sich gern in der noblen Fastenklinik.

Ernährungswissenschaftlerin Restemeyer sieht das Fasten oder Diäten als Mittel zum Abnehmen generell skeptisch. "Ich verliere zwar Pfunde, aber wenn ich meine Gewohnheiten nicht dauerhaft umstelle, nehme ich anschließend sofort wieder zu", sagt sie.

Aber das Fasten könne ein erster Schritt sein zu einem gesünderen Lebensstil mit mehr Obst und Gemüse und mehr Bewegung: "Dann kann es ein guter Einstieg sein - ein paar Kilo hab ich ja schon verloren." Viele Fastende hätten diese Erfahrung gemacht.

Ärztin Wilhelmi rät, zum Fasten einige Tage frei zu nehmen und sich möglichst einer Gruppe anzuschließen. "Wenn ich im Alltag bleibe mit Kaffee und Stress, dann ist die Gefahr größer, dass es zum Jojo-Effekt kommt." Zurück im alten Gleis und nach ein paar Heißhunger-Attacken sind die Fettreserven schnell wieder aufgefüllt. Wer sich beim Fasten dagegen eine Auszeit nimmt, hat größere Chancen, einen neuen Rhythmus mit bewussterem Essen und mehr Bewegung einzuüben.

Ein Anfang ist die "Seehofer-Diät". Der bayerische Ministerpräsident hat schon zehn Kilo abgenommen, indem er täglich spazierengeht und sich die spätabendliche Brotzeit verkneift. "Was er tut, ist perfekt", lobt Wilhelmi. Beim wirklichen Fasten kommt allerdings noch ein drittes hinzu: "Die spirituelle Dimension, die Besinnung - sich Zeit nehmen für Anderes im Leben."

Der Gewichtsverlust sei beim sogenannten Heilfasten oft nur eine positive Begleiterscheinung, sagt Restemeyer und zitiert frei einen der vielen Ratgeber: "Nicht nur der Hosenbund, auch der Geist weitet sich."

Überholt seien dagegen Vorstellungen, dass das Fasten den Körper entschlacken würde. "In einem gesunden Körper lagern sich keine Stoffwechsel-Produkte an. Die werden ständig ausgeschieden", erklärt die Ernährungswissenschaftlerin.

Auf der anderen Seite sind auch Warnungen überholt, der Fastende gefährde durch Muskelabbau, Mineralien- und Vitaminmangel seine Gesundheit. "Die Erfahrung von 50 Jahren zeigt das Gegenteil", sagt Wilhelmi. Wer beim Fasten "nicht im Sessel sitzen bleibt", sondern sich bewege, dessen körperliche Leistungsfähigkeit nehme zu.

Gemüse- und Obstsäfte versorgten den Körper mit einigen lebensnotwendigen Stoffen, ernährt werden die Körperzellen hauptsächlich durch das eingelagerte Fett. Auf keinen Fall ohne ärztlichen Rat fasten sollte, wer Medikamente einnimmt oder krank ist. Auch Schwangere und stillende Mütter sollten nicht fasten, mahnt Restemeyer.

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