Fashion Week Mailand:Die Macht der Kurven

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Der "Boyfriend-Look" ist zwar gerade Trend. Doch die Zukunft gehört dem Weiblichen: Mit Minirock und Mörderpumps huldigen die Designer in Mailand der Frau.

Peter Bäldle

Frauen an die Macht! Zugegeben, das war schon die Botschaft der vergangenen Schauen. Die dick überformten Powerschultern im Stil der Achtziger, von den Designern im Frühjahr propagiert, sind inzwischen bei der Kundin angekommen. Bei der Mailänder Modewoche, die am Montag zu Ende ging, bleibt die Botschaft die gleiche, allein die Mittel sind neu: Im Frühjahr/Sommer 2010 besinnt sich die selbstbewusste Frau nämlich auf die Macht der Kurven.

Warum soll man auch die Schultern aufpolstern, wenn man mit Polstern an den richtigen Körperstellen um vieles mehr erreichen kann? Signor Berlusconis private TV-Moderatorinnen haben unter anderem damit den Sprung auf die Ministerbank geschafft. Also besinnt sich Donatella Versace, den Blick starr auf die Verkaufskassen gerichtet, noch einmal auf das Rezept, mit dem schon Bruder Gianni in den Eighties ein Vermögen verdiente. Prompt schneidet sie die Rocksäume knapp unterhalb vom Schritt ab, schneidet Décolletés schulterfrei und im Rücken zuweilen taillentief und gewährt mit Miniröcken aus durchsichtigem Plastik in Schärpengürtelbreite begehrliche Einblicke.

Donatellas Geheimwaffe sind jedoch Mörderpumps, die Stelzenbeine machen dank faustdicker Holzklötze unter den Sohlen. Der Anblick ihrer Absätze durchbohrt jedem Flavio Briatore das Herz! "Alice im Wunderland mit der Energie starker Farben und Muster", so formuliert es Giannis kleine Schwester, mit treuherzigem Augenaufschlag, im Kreis ihrer langmähnigen, wasserstoffblonden Sirenen. Gegen sie wirkt auch Janet Jackson in Reihe eins wie eine biedere Hausfrau aus Milwaukee.

Nie war es aufregender, eine Frau zu sein. Bei Emilio Pucci pusht der neue Designer Peter Dundas, ein blondgelockter Norweger mit Wikinger-Charme, das altgediente Label in neue Höhen. Seine Kreationen im Farbton der Grotto Azzurra erinnern an Capri, seine Designs an seinen ehemaligen Arbeitgeber Roberto Cavalli. Bei dem hat Designer Dundas so seine Erfahrungen gemacht, und für Pucci bedeutet das in Mailand: viel Bein (pur oder in knallengen Hosen) und viel Decolleté (kurvig umhüllt oder in seidigen Kaftanwogen).

Blümchenkleid und Lederjacke

Auch bei Dolce & Gabbana paradieren verführerische Kleider aus schwarzer Spitze und Fransen im Wechsel mit düster schimmernden Mafia-Anzügen, die Taillen filigran, die Schultern breit. Noch ist das Maskuline - die breiten Schultern in Jacketts und Anzüge im "Boyfriend's Cut" - omnipräsent. Bei Gucci zeigt Frida Giannini leggingenge Hosen zu Blousons, für die Yacht in weißer Baumwolle, für die Harley aber aus schwarzem Leder. Dass dabei Guccis Mädchen die Maschinen selbst fahren, versteht sich fast von selbst. Mit verspiegelten Pilotenbrillen und viel Heavy Metal aus Chrom auf den Vorderfronten haben sie genug Power, um ihr eigenes Boxenluder zu sein.

Das Maskuline geht häufig mit dem Femininen im Doppelpack. Allerdings reicht es nicht, dem romantischen Blümchenkleid noch eine Anzugjacke umzuhängen, wie Roberto Cavalli es tut. Das ist zwar naheliegend, aber banal. Nicht nur bei ihm sind in den Kollektionen eskapistische Tendenzen festzustellen, Anflüge von Weltflucht aus Angst vor der krisengeschüttelten Realität. Apropos Krise: Von der war Mailand auch die Rede. Aber erst nach der allerletzten Party.

"Wenn das Leben hart ist wie zur Zeit, wünsche ich mir eine Weiblichkeit, die leicht und fließend ist mit Hilfe von Kleidern zwischen Magie und Wirklichkeit", sagt Alberta Ferretti und zeigt wadenlange, romantische Gartenpartykleider im Stil der dreißiger Jahre. Sie schmücken Flattervolants und aufgestickte Blumen in delikaten, morbiden Jugendstil-Pastells. Ihnen zieht sie als Kontrast hüftkurze Jacken aus glacierten Leinen über, die Taille fein gegürtet, die Schulter in XL.

Eskapismus, die Flucht aus dem Hier und Heute, ist auch für Miuccia Prada ein Thema, sie überrascht mit steif glänzenden Synthetic-Stoffen im Stil der Fünfziger. Nostalgische Rosenbouquets in Schwarz und Weiß blühen auf metallischgrauen Mänteln, fotorealistische Strandszenen auf Bermudas werden mit Hilfe von Farbe verfremdet. Trotz aller Starrheit wirkt Pradas Mode so federleicht. Und für den Abend wirft Miuccia simplen Shirts Netze aus funkelnden Kronleuchterkristallen über. "Für diejenigen", sagt sie, "welche die Schönheit der Vergangenheit nicht verstehen."

© SZ vom 30.09.2009/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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