Familientrio:Was tun, wenn der Partner das Kind nicht versteht?

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Wer hat eigentlich recht, wenn es um die Interpretation des Kindes geht? (Foto: Arno Burgi/dpa)

Die Mutter findet, dass der Vater das Verhalten des Kindes falsch interpretiert - und deshalb an den falschen Stellen schimpft. Sollte er sich aus der Erziehung heraushalten? Experten antworten.

Leserin Sandra H. aus Neustadt fragt:

Mein Mann hat in Bezug auf unsere Siebenjährige einen "blinden Fleck": Er schimpft oft, wenn er glaubt, sie sei trotzig, obwohl das nicht stimmt. Ich will das Kind schützen, also streite ich schließlich mit ihm und versuche, ihm zu erklären, dass sein Verhalten kontraproduktiv ist. Das ist anstrengend. Muss er sich aus der Erziehung heraushalten, wenn Einfühlungsvermögen gefragt ist?

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugend- büchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk". (Foto: Christian Charisius/dpa)

Kirsten Boie: Holen Sie sich Hilfe, am besten von außen

Für ein Kind ist es sicher nicht gut, ständig zu erleben, dass die Mama böse auf den Papa ist - und es selbst den Zorn ausgelöst hat. Unter Umständen führt das sogar dazu, dass Ihr Kind Sie irgendwann gezielt gegeneinander ausspielt, vielleicht sogar unbewusst.

Eine Alternative dazu, Ihren Mann vor dem Kind auszuschimpfen, wäre vielleicht, Ihre Tochter einfach zu trösten. Die Frage ist ja, wie unsensibel er tatsächlich ist. Manchmal gibt es zwischen Eltern einfach Unterschiede in der Beurteilung von Erziehungsfragen, das muss nicht immer an mangelndem Einfühlungsvermögen liegen (Dieser Vorwurf muss für Ihren Mann ganz sicher kränkend sein).

Das sollten Sie abklären, am besten mit Hilfe von außen. Vielleicht nehmen Sie ja gemeinsam an einem Kurs zum Thema Kindererziehung teil oder lesen dazu gemeinsam ein Buch und sprechen darüber? Damit würden Sie zeigen, dass Sie nicht nur von Ihrem Mann erwarten, dass er sich bewegt.

Erziehung
:Das Familientrio

Erziehungsexperten geben Tipps.

Ein Großteil der Kinder in meiner Generation ist in Familien wie Ihrer aufgewachsen und wir haben es alle überlebt. Sie gehören einer viel stärkeren Generation von Frauen an und haben die Macht und den Mut, Ihrer Tochter zu sagen, dass Sie auf ihrer Seite sind, wenn ihr Vater sie missversteht oder falsch beurteilt. Das wird gut für sie sein und schlecht für die Beziehung zwischen Vater und Tochter.

Daher sollte Ihr Ehemann darüber nachdenken: Was für eine Art von Beziehung möchte er mit seiner Tochter haben und was für eine elterliche Beziehung möchte er zu Ihnen haben? Sagen Sie ihm nicht, wie er sich entscheiden soll, aber bestehen Sie darauf, dass er Ihnen eine Antwort gibt.

Wann dürfte Ihr Mann schimpfen und wann ist eine Strafe auch für Sie in Ordnung? Ich frage das, weil ich diese Form des Umgangs miteinander grundsätzlich für destruktiv halte. Es belastet die Beziehung zwischen Eltern und Kindern unnötig. Vielleicht wird das für Sie nachvollziehbar, wenn Sie sich die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Mann anschauen.

Er reagiert nicht so, wie Sie es erwarten, und Sie schimpfen mit ihm. Später erklären Sie sich und empfinden die Erläuterungen, vielleicht auch die Maßregelungen, im Kontakt mit Ihrem Mann als anstrengend. Das klingt nach einer typischen Erziehungssituation, die jedoch zwischen Erwachsenen stattfindet. Was dafür spricht, dass eine solche Form im Umgang mit Kindern nicht sinnvoll ist, ist die Tatsache, dass Sie sich beide nicht wohlfühlen, oder? Sie als "Schimpfende" und er als "Beschimpfter".

Sie können überlegen, ob das ein Umgang ist, den Sie haben wollen. Vielleicht überlegen Sie für sich als Eltern, welche Werte Sie als Familie haben und weitergeben wollen, ob Schimpfen und Beschimpftwerden Bestandteil dessen sein soll und wie Sie als Paar agieren wollen. Natürlich kann sich Ihr Mann zurückziehen, allerdings kann es - wenn die Beziehung zwischen Vater und Kind konstruktiv ist - für Ihre Tochter fruchtbar sein, Eltern zu erleben, die unterschiedlich sind.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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