Familientrio:Sollte ich gelassener werden?

Unsere Leserin hat ihren Sohn einer Freundin anvertraut. Später erfährt sie, dass das Kind auf dem Spielplatz allein gelassen wurde. Sollte sie das ansprechen? Oder sich entspannen? Unsere Familienexperten antworten.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Vor Kurzem hat eine befreundete Mutter meinen Sohn (3) vom Kindergarten abgeholt und mit zum Spielplatz genommen. Nun hat mir eine Nachbarin erzählt, dass sie ihn dort alleine gelassen hat, weil ihr Sohn aufs Klo musste, und sie kurz nach Hause gegangen sind. Wahrscheinlich war sie höchstens fünf Minuten weg. Ich finde es trotzdem nicht in Ordnung. Sollte ich gelassener sein? Ina K., Stuttgart Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

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(Foto: Stefanie Fiebrig)

Stellen wir uns Ihren Sohn mal als Schatz vor, ein goldenes Herz, funkelnde Äuglein, ein richtiger Schatz. Es gibt Schätze, die werden von Drachen bewacht, denn ständig kommen Ritter und wollen sie rauben. Ihr Sohn ist ein eigentlich noch viel größerer Schatz als so eine Truhe mit Schmuck. Noch dazu ein neugieriger, mobiler, ungeschickter Schatz. Da heißt es wachsam sein. Ich meine übrigens keine bösen Drachen, sondern einfach starke und ehrvolle Drachen, solche wie Fuchur ungefähr. Wenn nun ein Drache (Drache 1) zu einem anderen Drachen (Drache 2) sagt: "Pass mal auf meinen Schatz auf", dann hat er ganz klar gesagt: "Pass mal auf meinen Schatz auf", und nicht: "Mach irgendwas und hoffe, dass meinem Schatz nichts passiert." Wenn dann der Drache 2, der auf den Schatz von Drache 1 aufpassen soll, mit seinem eigenen Schatz aufs Klo geht, dann kann man den danach ruhig ein bisschen anfauchen, finde ich. Da bin ich nicht für Gelassenheit. Und "es ist doch nichts passiert" ist auch kein Argument. Glück gehabt. Warum hat denn der Drache nicht beide Schätze mit aufs Klo genommen? Das verstehe ich an der Fabel nicht. Aber gut: Wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute. Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

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(Foto: Anne Kring)

Für ein dreijähriges Kind können fünf Minuten eine sehr lange oder auch eine sehr kurze Zeit sein. Meine Empfehlung ist, dass Sie Ihre Freundin auf die Geschichte ansprechen und herausfinden, was sie darüber denkt. Auf diese Art wird sie sich nicht angegriffen fühlen und doch Ihre Bedenken erfahren. Die meisten Konflikte lassen sich lösen, wenn wir ihnen Zeit geben. Selten sind dabei die Worte entscheidend, sondern der Rhythmus zwischen Verbalisierung und Reflexion. Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

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(Foto: Anatol Kotte)

Ich rate sonst immer eher zu mehr Gelassenheit und bin komplett gegen das Helikopterelterntum - aber hier komme ich nicht mehr mit. Ihr Kind ist drei, wenn ich das richtig verstanden habe? Selbst wenn die befreundete Mutter noch schneller wieder zurück gewesen wäre, fände ich das komplett unverantwortlich. Ihr Sohn ist drei Jahre alt! Ein dreijähriges Kind kann sich weder eigenständig in einer Stadt wie Stuttgart orientieren, noch sich entsprechend artikulieren, wenn irgendetwas passieren sollte. In den fünf Minuten, in denen Ihre Freundin weg war, hätte er Angst bekommen und wegrennen können. Sie leben in einer großen Stadt, das heißt, alle 200 Meter ist eine viel befahrene Straße - ich verstehe nicht, wie man in einer solchen Situation seelenruhig seine Toilette verrichten kann. Wäre ich Sie, würde ich von der Freundin eine umfassende Erklärung verlangen; unabhängig davon hätte ich ein schlechtes Gefühl, mein Kind jemals wieder in ihre Hände zu geben. Ich fühle mich, wenn wir ein Kind zu Besuch haben, für jedes Sandkorn verantwortlich, das sich in die Ohrmuschel des besuchenden Kindes verirrt. Diese Aktion ist für mich daher überhaupt nicht nachvollziehbar. Um also Ihre Frage zu beantworten: Nein, Sie sollten in dieser Sache auf gar keinen Fall gelassener sein. Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

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