Familientrio:Darf ich dem kiffenden Freund meines Sohnes helfen?

Der 18-Jährige ist zu Hause rausgeflogen, weil er Cannabis konsumiert. Die Mutter des Freundes ist schockiert und möchte ihn unterstützen. Ist das okay? Unsere Familienexperten antworten.

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(Foto: Amritanshu Sikdar / Unsplash)

Nach einem heftigen Streit mit seinen Eltern wurde der beste Freund meines Sohnes, 18, von ihnen ausgesperrt. Die Eltern reagieren damit auf seinen gelegentlichen Marihuana-Konsum. Sie haben da überhaupt keine Toleranz. Für mich als Mutter ist dieser Schritt sehr schockierend. Darf ich den Freund meines Sohnes so gut es geht unterstützen? Judith E., Schweinfurt Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

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(Foto: Stefanie Fiebrig)

Klar, irgendwer muss ihm ja helfen. Warum nicht Sie? Angenommen, Ihr Sohn tut etwas, was Sie nicht gut finden und über das Sie auch überhaupt nicht mit sich reden lassen, zum Beispiel seinen Mund nach dem Essen am Hemd des Vaters abwischen, eigentlich nichts Schlimmes, aber der Junge hört und hört damit nicht auf. Er macht es nur gelegentlich, aber Sie haben gesagt "noch einmal und..." Die magischen Worte, dann muss ja irgendein "und" kommen, zum Beispiel "und wir werfen dich raus". Und dann tut er es wieder. Er wischt sich den Mund am Hemd des Vaters ab. Nun müssen Sie zu Ihrem Wort stehen. Die Nachbarn werden schockiert sein. Wegen einer solchen Kleinigkeit. Der Junge wird die Schule nicht schaffen, auf der Straße enden, ein Drogenopfer werden oder ein Schuhputzer. Ich nehme an, Sie wären auf jeden Fall froh, wenn jemand ihm hilft. Kinder können auch schon mit 18 Jahren ausziehen oder ausgezogen werden, auch wenn es früh ist, aber manchmal passen Eltern und Kinder nicht so gut zueinander. Verrückt, dabei sehen sie sich so ähnlich. Also, helfen Sie, klaro! Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

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(Foto: Anne Kring)

Oh, ja! Geben Sie ihm, was die Eltern scheinbar unfähig sind zu geben: einen freundlichen Erwachsenen, mit dem er reden kann. Sie sind damit nicht illoyal gegenüber den Eltern, sondern stehen zu Ihren eigenen Werten. Nulltoleranz ist eine "Politik", die alle menschlichen Aspekte ignoriert - und zwar auf beiden Seiten. Das kann bequem sein, aber es ist immer auch eine schmerzliche Position für Eltern. Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

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(Foto: Anatol Kotte)

Auch ich bin komplett gegen den Konsum von Marihuana, weil ich glaube, dass sich sehr viele Kinder und Jugendliche damit in der Entwicklung schädigen - und dabei tatkräftig unterstützt werden von den zahlreichen Cannabis-Befürwortern, die sagen: "Das ist natürlich, das kann nicht schaden." Das halte ich für Bullshit. Natürlich ist auch ein Fliegenpilz. Und genau darin sehe ich eine Gefahr: Das Kiffen hat in manchen Kreisen ein so positives Image als "weiche" Droge, als ein Kraut, mit dem man sich gegen das Establishment und das Spießertum stellt, dass die langfristigen Folgen völlig ausgeblendet werden. Ich werde bei meinen Kindern streng gegen das Kiffen argumentieren. Allerdings würde ich mein Kind, wenn es regelmäßig kifft, trotzdem nicht rauswerfen. Denn dann verliere ich es aus den Augen und kann nicht mal mehr an seiner Jacke schnüffeln. Ich habe dann keine Möglichkeit mehr, dem Problem inhaltlich zu begegnen. Fast erscheinen mir die Eltern des jungen Mannes selbst wie Jugendliche, die überreagieren, ihr Haus als eine Art Hoheitsgebiet betrachten, in dem ein Bruch ihrer Regeln mit Rauswurf sanktioniert wird; mit welchem Recht eigentlich? Ist es nicht zunächst mal auch das Zuhause des jungen Mannes, egal, was er trinkt, raucht oder schnupft? Kann man das Recht, dort zu wohnen, verwirken? Oder ist das Zusammenleben nicht die Chance, Dinge miteinander zu besprechen, bevor der Sohn dann die nächsten 50 bis 70 Jahre sowieso alleine lebt? Ich finde das Verhalten seiner Eltern brüsk und seltsam und würde ihn in jedem Fall unterstützen (und vielleicht sollte man auch die Eltern mal zur Rede stellen). Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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