Erziehungsfragen:Darf sich der Sohn als IS-Kämpfer verkleiden?

Lesezeit: 2 min

Bühne für Provokation: eine Faschingsparty (Foto: imago/Becker&Bredel)

Grenzwertiger Humor: Ein 15-Jähriger will an Fasching als IS-Kämpfer gehen. Seine Mutter findet das gar nicht lustig. Soll sie ihm das Kostüm trotzdem erlauben? Experten antworten.

Eine Leserin fragt:

Mein Sohn, 15, findet es extrem lustig, sich an Fasching als IS-Kämpfer zu verkleiden. Eigentlich ist er ein ganz anständiger Junge, aber das hat er sich nun in den Kopf gesetzt. Seit Wochen lässt er sogar seine spärlichen Barthaare wachsen. Meine Einsprüche kontert er mit einem genervten: "Ist doch nur ein Witz!" Ich finde das allerdings überhaupt nicht witzig. Was kann ich tun? Christine M., 46, München

Experten antworten:

Kirsten Boie: Jugendliche suchen oft nach Provokation

Kinder- und Jugendbuchautorin Kirsten Boie (Foto: picture alliance / dpa)

Das finde ich unglaublich schwierig! Für viele Probleme der Pubertät gibt es einfach - das sollten wir ruhig zugeben - keine kurzfristigen Lösungen. Jugendliche suchen in einem bestimmten Alter oft nach der größtmöglichen Provokation. Das kennen wir zum Beispiel auch von Hakenkreuzschmierereien. Eine politische Aussage steckt meistens nicht dahinter, nur der Wunsch, in einem Alter, in dem man sich unsicherer fühlt als sonst jemals im Leben, der Welt zu zeigen und sich selbst zu beweisen, dass man bei anderen Menschen heftigste Reaktionen auslösen und damit also eine Form von Kontrolle ausüben kann. Darum wird Ihr Sohn sachlichen Argumenten auch nicht aufgeschlossen sein, auf dieser Ebene lässt sich das Problem nicht lösen. Trotzdem sollen Sie natürlich Ihre Argumente vorbringen. Dass Sie ihm seine Kostümierung nicht finanzieren oder Geld für ein Faschingsfest geben, das er als IS-Kämpfer besucht, finde ich selbstverständlich. Da Sie ihn nicht einsperren können, wird er (und ein wenig vielleicht auch Sie als seine Mutter) die Reaktionen der Umwelt aushalten müssen. Vielleicht lernt er daraus etwas darüber, was tatsächlich ein Witz ist und wo die Grenzen liegen.

Jesper Juul: Erlauben Sie es ihm nicht

Familientherapeut Jesper Juul. (Foto: Franz Bischof)

Tun Sie das, was Sie ohnehin schon getan und Ihrem Sohn gesagt haben, nämlich, dass Sie ihm das nicht erlauben. Er wird Ihre Haltung vielleicht nicht respektieren, aber daran werden Sie beide wachsen - ebenso wie die Qualität Ihrer Beziehung.

Katia Saalfrank: Erklären Sie Ihre Abneigung

Diplom-Pädagogin Katia Saalfrank. (Foto: picture alliance / dpa)

Zunächst einmal: Ihr Sohn befindet sich in einer besonderen Phase, der Pubertät, die eine weitere Zeit der Abnabelung darstellt. Dabei geht es aber auch um Abgrenzung, insofern probieren Jugendliche in diesem Alter auch Dinge aus, die für uns erst mal nicht nachvollziehbar sind. Sie schließen sich zum Beispiel Subkulturen an oder suchen klare Abgrenzung, indem sie sich äußerlich stark verändern. Ich kann nachvollziehen, dass Sie diese Faschingsidee nicht "witzig" finden. Was Sie jedoch tun können, ist, in einem ruhigen Moment mit ihrem Sohn zu sprechen und ihm von Ihren Beweggründen gegen das Kostüm zu erzählen. Freundlich und liebevoll. Sie können sich positionieren, vielleicht erfahren Sie auch mehr über den Hintergrund seiner Idee, sich so zu verkleiden. Ich verstehe, dass Ihnen das vielleicht zu wenig erscheint. Aber auch wenn Kinder es nicht gern zugeben beziehungsweise sich manchmal auch nicht danach richten: Die Meinung und der Austausch mit ihren Eltern ist ihnen trotzdem wichtig. Sie werden es nicht zeigen, indem sie sagen: "Danke Mama, dass du mir das alles erzählt hast, jetzt verstehe ich das besser." Also stellen Sie vielleicht Ihre Erwartungen zur Seite. Denn: Wenn Ihr Sohn hört - und im besten Falle auch zuhört -, was Sie denken und fühlen, ist das schon viel wert.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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