Erneuter HIV-Fall in der US-Pornobranche:"Die Konsumenten wollen Sex ohne Kondome"

Lesezeit: 2 min

Die milliardenschwere US-Erotikindustrie scheint unbelehrbar. Befürworter einer Kondompflicht für Pornodarsteller hoffen, dass die HIV-Infektion von "Patient A" ein Umdenken bewirkt. Doch Akteure und Produzenten warten ungeduldig darauf, dass das vorübergehend verhängte Drehverbot aufgehoben wird und wieder gefilmt werden kann. Ohne Gummi.

Cornelius Pollmer

Die Website mofos.com wird täglich aktualisiert, schon jetzt bewirbt sie für den 16. September das Video "Sandi in Brazil?". Ein Reisebericht ist allerdings nicht zu erwarten, das Fragezeichen dient eher als Hinweis darauf, dass Sandi dort vor der Kamera stand, lag und saß, wo die meisten Filme des Portals produziert werden: im kalifornischen San Fernando Valley, dem Zentrum der amerikanischen Pornoindustrie.

Die deutsche Sexindustrie zeigte sich in der Vergangenheit unbeeindruckt von HIV-Fällen in der amerikanischen Pornobranche. (Im Bild: Ein Glasquader auf der jährlich stattfindenden Erotikmesse "Venus" zeigt ein Paar beim Liebesspiel.) (Foto: ddp)

Der Markt ist mehrere Milliarden Dollar schwer, etwa 200 Filme werden im Silicon Valley pro Woche gedreht - normalerweise. Seit Montag aber stehen die Filmbänder still: Der Darsteller einer Produktion von mofos.com ist positiv auf HIV getestet worden, der Branchenverband Free Speech Coalition (FSC) hat daraufhin ein Moratorium angeordnet.

"Patient A" und die Angst vor weiteren Infizierten

"Wir hoffen, dass wir in der nächsten Woche wieder drehen können", sagt Joanne Cachapero von FSC, "denn es betrifft ja wirklich alle: Studios, Darsteller, Produktionsleute, Agenten, Make-Up-Künstler."

Wen es zuvorderst betrifft, das wissen allerdings die wenigsten. Die Identität des infizierten Darstellers wird geheim gehalten, in den Pressemitteilungen der Firma ist nur von "Patient A" die Rede. Wie viele Akteure sich infiziert haben oder haben könnten, ist ebenfalls unklar. Die Industrie schweigt.

Derweil melden sich Menschen wie Michael Weinstein umso lauter zu Wort. Der Aktivist steht der Aids Healthcare Foundation vor, und man hat ihm am Telefon noch keine Frage gestellt, da sagt er schon: "Die räuchern wir aus." Weinstein kämpft seit Jahren für die verpflichtende Verwendung von Kondomen in der Pornobranche.

"Wir kümmern uns um Aids-Prävention in Afrika, wir flehen junge Menschen bei uns an, Kondome zu benutzen", sagt er, "aber ausgerechnet die Darsteller von Pornofilmen sollen schlechter geschützt werden als Tiere? Im Abspann von Filmen ist oft zu lesen, dass kein Tier bei den Dreharbeiten zu Schaden kam - so etwas können Sie von Pornodarstellern nicht behaupten."

"Die Industrie ist gierig"

Die bittere Gunst der Stunde ist, dass Weinstein und seine Stiftung von der Ansteckung von "Patient A" wahrscheinlich profitieren werden. Der Aktivist hat eine Petition auf den Weg gebracht, die die Vergabe von Drehgenehmigungen durch die Stadt Los Angeles per Gesetz an die Verwendung von Kondomen knüpfen soll. 41.000 Unterschriften benötigt der Entwurf bis Ende des Jahres, um zur Abstimmung zugelassen zu werden.

In den vergangenen sieben Jahren haben sich nach Angaben der Gesundheitsbehörde im Los Angeles County mindestens 22 Darsteller mit HIV infiziert - nachdem 2004 gleich mehrere Fälle bekanntgeworden waren, hatte die Industrie ihre Produktion schon damals für einen Monat lang ausgesetzt.

Ein Verbot, glaubt Weinstein, ist die einzige Chance: "Die Industrie ist gierig. Wenn die nur einen Nickel extra verdienen mit ungeschütztem Sex, dann machen die das." Joanne Cachapero von der FSC sieht die Sache freilich anders, sie findet, "dass Darsteller die Wahl haben sollten. Es ist nicht Aufgabe der Regierung, das Sexualleben von Einzelnen zu regulieren". Die Standards bestimme nun mal der Markt: "Und die Konsumenten wollen Sex ohne Kondome sehen."

© SZ vom 03.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: