Familientrio:Mein Sohn hat Angst vor dem Krieg

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Zeichnung im Familienbetreuungszentrum der Bundeswehr in München-Freimann (Archivbild von 2011). (Foto: Catherina Hess)

Wenn die Nachrichten voll sind von Krieg und Unruhen, kriegt es auch so mancher Teenager mit der Angst zu tun. Wie sollten sich Eltern verhalten? Drei Experten geben Antworten.

Ein Leser fragt:

Mein Sohn (14) hat wegen der aktuellen Weltlage Angst vor einem Krieg. Ich selbst bin auch unsicher, aber erfahrungsgemäß wird schon nichts passieren. Soll ich meinem Sohn die Angst ausreden - oder gehört sie zum Leben dazu? Tobias F., 51, München

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie: Diskutieren Sie!

"Erfahrungsgemäß können wir anderen Menschen ihre Angst nicht ausreden - nicht einmal unseren Kindern. Aber zu sagen, dass Angst zum Leben dazugehört, erscheint mir fast schon grausam: Wenn Sie glauben, die Angst Ihres Sohnes zumindest ein bisschen verringern zu können, warum sollten Sie dann nicht alles dafür tun? Warum nicht häufiger mit ihm intensiv über das Thema sprechen? Mit vierzehn ist er ja in einem Alter, in dem man sich allmählich für das große Weltgeschehen zu interessieren beginnt, nicht mehr nur für die eigenen Angelegenheiten, und dass das bei Ihrem Sohn gerade passiert, ist doch schön!

Ihr Argument, dass erfahrungsgemäß schon nichts passieren wird, erscheint mir allerdings ein wenig dünn; ein kluger Vierzehnjähriger wird vermutlich "einmal ist immer das erste Mal" sagen und weiter Ängste haben. Aber es gibt für Ihre Ruhe ja mindestens ebenso viele gute politische Argumente wie für seine Angst. Und wenn Sie ihm die erläutern, natürlich ohne zu behaupten, es gäbe eine Garantie für den Frieden: Könnte das seine Angst nicht vielleicht ein kleines bisschen schrumpfen lassen?"

Jesper Juul: Nutzen Sie die eigene Unsicherheit

"Ihre eigene Unsicherheit, aus der heraus Sie Ihre Frage stellen, ist die wertvollste Hilfe in diesem Fall. Nur weil Sie selbst zweifeln, werden Sie in der Lage sein, Ihrem Sohn wirklich zuzuhören und über eine der wichtigsten Fragen des Lebens überhaupt zu philosophieren. Gemeinsam über diese Dinge zu sprechen kann wie eine kleine Oase sein, die einem Halt gibt, Schutz und Sicherheit.

Wenn solche Gedanken und Ängste Ihren Sohn in einem Jahr noch bedrücken, und zwar so sehr, dass sie ihn richtig traurig machen, sollten Sie versuchen, herauszufinden, ob andere Probleme dahinterstecken."

Katia Saalfrank: Angst schärft die Wahrnehmung

"Angst ist ein menschliches Grundgefühl und hat auch eine wichtige schützende Funktion. Sie schärft die Wahrnehmung und lässt uns nach Informationen oder Lösungen suchen. Langjährige Entwicklungsforschung und auch Praxiserfahrungen aus der Therapie haben gezeigt, wie wesentlich es für uns Menschen ist, dass wir unsere Gefühle kennenlernen und einen Zugang zu ihnen entwickeln können.

Dabei geht es nicht nur um die positiven Gefühle wie Freude, Begeisterung und die Fähigkeit, Glück zu empfinden. Wir brauchen auch Erfahrungen mit sogenannten negativen Gefühlen: Trauer, Enttäuschung, Schmerz, Wut, Aggression und auch die Angst gehört dazu. Deshalb ist es wichtig, dass Sie mit Ihrem Sohn sprechen und sich austauschen: Erzählen Sie Ihrem Sohn von Ihren eigenen Gedanken, vielleicht auch von Ihrer eigenen Unsicherheit.

Vielleicht sprechen Sie darüber, dass auch Sie - wie jeder - die bedrohlichen Nachrichten aus vielen Teilen der Erde beunruhigen. Gut ist auch, dann auf Ihre eigenen Lebenserfahrungen zu verweisen, dass die Welt schon immer schwierig und unruhig war - zum Beispiel in der Zeit des Kalten Krieges -, aber dass Sie persönlich in Deutschland keinen Krieg erleben mussten."

© SZ vom 31.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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