Depression nach der Geburt:Nach dem Baby kommt die Angst

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Paradox: Mütter, die sich schon lange ein Kind wünschen oder Fehlgeburten erlitten haben, leiden besonders häufig an einer postnatalen Depression oder Angststörung.

Für viele Frauen ist die Geburt ihres Kindes der glücklichste Moment in ihrem Leben - nichts lassen sie auf dieses Ereignis kommen. 15 Prozent der Frauen ist nach der Geburt aber nicht zum Lachen, sondern zum Weinen zumute - häufig ohne ersichtlichen Grund.

Mutter und Kind nach der Geburt: 15 Prozent aller Frauen leiden an depressiven Verstimmungen. (Foto: Foto: dpa)

Die Betroffenen stoßen oft auf wenig Verständnis, oft bekommen die Mütter Sätze zu hören wie: "Schlaf dich mal aus." Besser ist aber, schon bald zum Arzt zu gehen. Denn je früher die Depressivität behandelt wird, desto leichter ist sie in den Griff zu bekommen.

"In unserem Kulturkreis dürfen Frauen nach der Geburt ihres Kindes nicht niedergeschlagen sein", sagt Prof. Stephanie Krüger von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité in Berlin. "Die Frauen werden von allen gefragt: 'Bist du denn nicht glücklich?' und versuchen, das irgendwie vorzuleben." Sie würden sich gern über ihr Kind freuen, können es aber einfach nicht, erklärt die Leiterin der Sprechstunde für Frauen mit seelischen Erkrankungen.

Ärzte unterscheiden zwischen dem Babyblues und der postnatalen Depression oder Angststörung. "Von den Heultagen sind 50 bis 80 Prozent aller Frauen betroffen", sagt Corinna Reck vom Zentrum für Psychosoziale Medizin der Uniklinik Heidelberg.

Nach zwei Wochen klingen diese Stimmungsschwankungen in der Regel von allein ab. Dauert der Babyblues länger, lohnt ein genauer Blick. Denn er kann in eine postnatale Depression oder Angststörung übergehen, erklärt Reck.

Häufig litten Frauen mit postnatalen Angststörungen an Panikattacken oder machten sich große Sorgen, sagt Reck. Nach einer Heidelberger Studie sind rund 15 Prozent der Mütter von einer behandlungsbedürftigen Angststörung und/oder Depression betroffen.

Ein Erklärungsansatz sei, dass es unter anderem aufgrund der hormonellen Umstellungen nach der Geburt zu Stimmungsschwankungen kommt, ergänzt Tamme Goecke von der Uniklinik Erlangen.

Je schwerer die postnatale Depressivität ist, desto mehr leiden die Frauen an Konzentrationsschwäche und Schlafstörungen, Müdigkeit und Lustlosigkeit, sie sind launig, teilnahmslos oder gereizt. Oft würden diese Symptome mit den erhöhten Anforderungen an die Mutter erklärt, sagt Goecke. "Sie werden hingenommen und nicht als schwerwiegende Symptome einer beginnenden Depression erkannt."

Fühlt sich die Frau im Kreißsaal aber ausgeliefert, erhöhe sich das Risiko für Postnatale Depressionen und Angststörungen. Besonders gefährdet sind außerdem Mütter, die sehr jung sind, schon früher unter Depressionen oder Angststörungen litten, in einer schwierigen Beziehung leben oder nur wenig Unterstützung durch den Partner bekommen, sagt Goecke. Irgendwann lassen die Probleme meist von allein nach - doch so lange sollte keine Frau warten.

"Eine unbehandelte Depression erhöht das Risiko für weitere Depressionen", warnt Prof. Krüger von der Charité in Berlin. Und auch Angststörungen könnten chronisch werden, fügt Reck hinzu. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum sich betroffene Mütter Hilfe holen sollten: "Wenn sich eine depressive Mutter aufgrund ihrer Erkrankung weniger mit dem Kind auseinandersetzt, kann dies die emotionale und kognitive Entwicklung des Kindes langfristig beeinträchtigen", erklärt Goecke.

Verschiedene Behandlungsmethoden

Zur Behandlung gibt es verschiedene Verfahren: Bei leichten Depressionen hätten sich kognitive Verhaltenstherapien und die interpersonelle Psychotherapie bewährt, erklärt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln.

Es klingt paradox: Doch besonders Mütter, die sich schon lange ein Kind wünschen, Fehlgeburten erlitten oder eine komplizierte Schwangerschaft hatten, leiden häufiger an diesen postnatalen Störungen, erklärt Goecke. "Unsere Forschung zeigte auch, dass es bei einer normalen Geburt, bei der die Gebärende das Gefühl der Kontrolle hat, seltener zu postnatalen depressiven Symptomen kommt."

Bei ersterer geht es darum, negative Gedanken und Verhaltensweisen zu ändern. Bei letzterer versucht der Therapeut mit der Frau zu erarbeiten, wie sie besser mit den Veränderungen in ihrem Leben zurecht kommen kann. Bei Angststörungen übten Betroffene, sich ihren Ängsten zu stellen, erklärt Reck.

Zur Behandlung einer mittleren oder schweren Depression brauche es Medikamente, sagt Krüger, die zum Einsatz von Psychopharmaka bei postnatalen Depressionen geforscht hat. "Es gibt eine Reihe Antidepressiva, die nur zu einem geringen Teil in die Muttermilch übergehen und mit denen das Stillen ermöglicht werden kann."

Das sieht das IQWiG anders und ist vorsichtiger. Es gebe keine ausreichenden Daten, weshalb es extrem schwierig sei, einen Schaden für das Kind auszuschließen, sagt Hilda Bastian vom IQWiG. Müttern bleibe nichts anderes übrig, als mit ihrem Arzt über Nutzen und Risiken zu sprechen.

Auch Krüger rät betroffenen Müttern, dringend einen Psychiater aufzusuchen: "Die Frauen haben nicht einfach einen schlechten Tag, sondern eine behandlungsbedürftige Krankheit."

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