Computerspiel Fortnite:Das Virus im Kinderzimmer

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Das Computerspiel Fortnite ist ab zwölf Jahren freigegeben, obwohl darin ziemlich viel herumgeballert wird. Viele Eltern sind besorgt, wissen nicht, wie sie reagieren sollen - und suchen fantasievolle Verstecke für die Controller, damit die Kinder nicht spielen.

Von Ulrike Heidenreich, München

Gefährliche Gestalten und realistische Waffen: Fortnite ist für Jugendliche freigegeben, auch wenn es mitunter eine bedrohliche Stimmung erzeugt. (Foto: PR)

Es sind seltsame Vorgänge aus der Welt der Erwachsenen zu vermelden: Mütter laufen mit ausgebeulten Handtaschen herum, darin scheppern Controller für die Playstation aneinander. Damit sie ja nicht zu Hause benutzt werden können. Väter raunen sich verunsichert zu: "Darf dein Kind auch . . . ?" Es geht um Fortnite - ein Computerspiel, das sich gerade wie ein Virus in den Kinderzimmern ausbreitet. Es ist Gesprächsthema in Schulen, in Vereinen, bei Elternabenden. Das Spiel übt einen so starken Sog aus, dass sich just innerhalb von nur zwei Wochen zehn Millionen neue Nutzer registriert haben. Warum nun die Panik? Das Spiel ist kostenlos und es ist schon ab zwölf Jahren freigegeben - obwohl es darin nur so ballert und reihenweise Kämpfer umgenietet werden.

Neulich waren zwei Millionen Spieler gleichzeitig online zugange

Die Angst von Eltern, dass ihre Kinder sich in virtuellen Welten verlieren, darin mit Gewalt konfrontiert und schließlich computersüchtig werden, ist nicht neu. Auch nicht, dass Erziehungsberechtigte sich die fantasievollsten Verstecke für Wlan-Stecker, Controller, XBox &Co. ausdenken, damit die lieben Kleinen zwangsweise offline gestellt sind. Das hilft jedoch immer weniger - Jugendliche können auf ihre Smartphones ausweichen und Youtubern über die Schulter sehen, die hordenweise auf allen Kanälen "Fortnite Battle Royale" zocken. Oder die Kinder gehen zu ihren Freunden und spielen dort. Bei insgesamt 40 Millionen Downloads weltweit, die die Spielefirma Epic Games stolz vermeldet, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass in der Nachbarschaft die fiktionale Landschaft von Fortnite auf dem Bildschirm flimmert. Neulich gab es sogar einen Rekord. Zwei Millionen Spieler waren gleichzeitig online zugange.

Das Auge des Sturms mitten im Kinderzimmer: Das Prinzip des Spiels ist es, dass hundert Spieler aufeinander schießen, bis nur noch einer übrig bleibt. Anfangs fliegt ein Schlachtenbus mit Helden über die Insel, jeder Spieler entscheidet selbst, wo er abspringen möchte. Waffen, Fallen und Heilungsgetränke sucht er selbst in Häusern und Truhen. Aus Bäumen und Felsen hacken die steuerbaren Figuren mit Axt und Hammer Baumaterialien heraus, um Brücken und Verteidigungsanlagen zu bauen. Immer auf der Hut vor anderen Schützen, der Raum wird immer kleiner, die Spannung spitzt sich zu. Blut fließt nicht: Niedergeschossene Gegner verschwinden in einem blauen Lichtkegel.

Fortnite können Jugendliche alleine spielen oder mit bis zu drei Mitspielern, dabei unterhalten sie sich über Headset. Das amerikanische Wall Street Journal zitiert Lehrer, die sagen, dass sie eine vergleichbare Spielleidenschaft von Schülern höchstens beim Computerspiel Minecraft erlebt haben. Seit es die kostenlose Variante von Fortnite gebe, seien ärmere Jugendliche wenigstens nicht mehr ausgeschlossen. Das klingt nach Galgenhumor. Denn was in den USA schon seit Juli Teenager und ihre Eltern um Zeit vor dem Bildschirm rangeln lässt, schwappt seit Anfang des Jahres nach Deutschland rüber.

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Ähnlich wie bei Filmen gibt es für Computerspiele eine Selbstkontrolle, die eine Altersfreigabe vergibt. Vor allem Eltern dient sie zur Einordnung, was sie ihren Kindern erlauben können und was nicht. Dafür sind die Freigabe-Kriterien entscheidend.

Medienpädagogen raten den Eltern, einfach mal mitzuspielen

Bei der nordrhein-westfälischen Initiative "Spieleratgeber", die Spiele testet, verfolgen Medienpädagogen den Boom von Fortnite Battle Royale genau. Es handle sich um eine Shooter-Version im Comic-Stil mit lustigen Elementen. Die vorhandene Gewalt gegen andere Spieler sei nicht überspitzt dargestellt, heißt es. "Aber trotz des futuristischen Settings gibt es realistisch angelehnte Waffen. Für empfindliche Jugendliche könnte das nervenaufreibende Gameplay überfordernd sein", sagt Testerin Saskia Moes. Problematisch sei auch, dass In-App-Käufe möglich sind. Mit dem Erwerb von so genannten Skins können Spieler das Aussehen der Figur verändern oder sie zum Beispiel einen Breakdance tanzen lassen.

Das klingt dann kurzzeitig freundlicher durchs Wohnzimmer als das Staccato von Maschinengewehren, wenn hinter dem Hügel schnell ein Scharfschütze erledigt werden muss. Wenn es wieder mal zu laut wird, raten Medienpädagogen besorgten Eltern, in die Welt der Kinder einzudringen - und mitzuspielen.

Außerdem helfen klare Zeitvorgaben: Für Elf- bis 13-Jährige gibt die Initiative aus NRW als groben Richtwert 60 Minuten am Tag an. Und rät: "Nutzen Sie Spiele nicht als erzieherisches Druckmittel." Computerspiele sollten weder zur Belohnung noch zur Bestrafung eingesetzt werden. Denn so erhielten sie ungewollt einen noch höheren Stellenwert im Leben von Kindern. Stattdessen sollte man gemeinsam diese Regel festlegen: Zuerst die Hausaufgaben, dann eine Pause, dann Fortnite-Spielen.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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