Antirauchgesetz in Österreich:Ausgequalmt

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Österreich war bisher das letzte raucherfreundliche Land in Europa. Mit dem strengeren Anti-Rauch-Gesetz befürchten Kaffeehausbesitzer einen Kulturverlust.

Michael Frank

Österreich stinkt seinen Gästen. Besucher etwa aus Deutschland rühmen meist die Freundlichkeit des Personals und die Qualität von Speis und Trank. Den Geruch loben nicht alle. Raus aus dem Wirtshaus, "muss man sich selbst drei Tage auf dem Balkon zum Lüften aufhängen", wie es einer formuliert. Andere schätzen genau dieses Ambiente. Deutsche Spezialreisebüros bieten längst Raucherreisen an - ins qualmende Alpenparadies. Damit soll genau heute Schluss sein: Es endet eine Übergangsfrist, die es trotz eines schon eineinhalb Jahre gültigen Anti-Rauch-Gesetzes erlaubt hat, im Gasthaus zu qualmen, in West- und Mitteleuropas wohl letztem Refugium ungehemmter Tabakfreuden.

Österreichische Kaffeehäuser und Zigaretten- das gehörte bis vor kurzem noch unzertrennlich zusammen. Doch jetzt hat sich auch das letzte europäische Raucherland für ein strengeres Anti-Rauch-Gesetz entschieden. (Foto: ag.ap)

Enden wird das auch künftig nicht ganz. Denn Österreich ist wahrhaftig Paradies der Raucher, selbst mit dem neuen Gesetz. Nirgendwo sonst hat die gastronomische Branche so erbittert gegen diese Bestimmungen gefochten. Manfred Staub, der Prinzipal des hochberühmten Cafés Sperl an der Gumpendorferstraße, seufzt: "Seit dreihundert Jahren raucht das Wiener Kaffeehaus, das ist Kultur, Lebensart." Der hagere, agile Herr Staub, der betont, "leidenschaftlicher Nichtraucher" zu sein, sitzt diesem stimmungsvollen Eck-Café regelrecht vor: Genau gegenüber dem Eckeingang führt er an einer würdigen Theke die Geschäfte des prachtvollen Hauses. Von hier aus hat der "Cafetier von Beruf" jeden Kommenden und Gehenden im Auge. 80 Prozent der Gäste seien "heftige Raucher".

Er fürchtet die Zukunft, "denn die Versuchungen rundum sind groß". Die Versuchungen sind die Lokale unter 50 Quadratmetern Fläche, die nun selbst bestimmen dürfen, ob sie Räucherkammer oder Klarluftraum sein wollen. Und so ziemlich alles rundum bleibt beim Rauchen, natürlich auch das urtümliche Wirtshaus "Zur Eisernen Zeit" auf dem Naschmarkt, in dem ein Stammgast bekundet: "Wenn Du hier mal klare Luft hast, schmeckt das böhmische Bier nicht mehr." Es muss nur deutlich an der Tür stehen.

In den meisten Lokalen könnten künftig sowohl die Anti- und die Raucher-Zunft verkehren. Nur muss alles säuberlich getrennt sein. Im Sperl zum Beispiel haben Wirt und auch Bundesdenkmalamt befunden, der schöne Raum würde ruiniert, wollte man eine Räucherkammer abteilen. Also wechselt Staub zähneknirschend zu den Nichtrauchern - und moniert, dass die übrigbleibenden Raucher-Ghettos so ziemlich das ungesündeste sein dürften, was die Welt an Giftküchen zu bieten hat. Gaststätten bis 80 Quadratmeter können noch frei wählen, wenn Denkmalschützer eine Unterteilung des Raumes für unmöglich erklären. Darauf hofft auch das weltberühmte Café Hawelka nahe dem Graben. Dieses Gehäuse gäbe es ohne Raucher so gar nicht, denn seine legendäre Patina ist der Teerfilm ungehemmten Qualmens binnen 65 Jahren. Nur - das Hawelka steht nicht unter Denkmalschutz.

Viele Wirte, die eigentlich das Haus hätten aufteilen müssen, befürchten jetzt, die EU werde eines Tages das Rauchen im Gasthaus ganz verbieten. Im dunkel getäfelten "Steman", wo es einen alten Saal gab mit der in Glas geätzten Aufschrift "Extrazimmer", verschließen sie den Übergang mit Plexiglas, um im Eventualfall alles schnell wieder abräumen zu können. Auch im Café Jelinek, einem der niedlichsten Kaffeehäuser Wiens, wird eine Plexi-Wand den Hochsitz der Qualmer von der plüschigen Ebene der Enthaltsamkeit trennen. Nur können dann die blutjungen Rollkragenträger, die da über Sartre diskutieren, die filterlose Intelligenzzigarette nicht mehr so wirkungsvoll zelebrieren.

Österreichs neues Antirauchergesetz ist Gesundheitsexperten ohnehin viel zu lasch. Denn Österreich ist weltweit das Land mit den meisten Rauchern und mit den meisten paffenden Jugendlichen. Und das macht wirklich Sorgen.

© SZ vom 01.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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