Promi-Suchtklinik in der Schweiz:Schöner entziehen

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Promis mit Suchtproblemen wollen neben einem erfolgsversprechenden Therapieprogramm vor allem Diskretion - und nicht auf den gewohnten Lebensstandard verzichten. In der Schweizer "Küsnacht Practice" kostet eine Woche bis zu 80.000 Euro. Darin enthalten: ein eigener Chauffeur, eine Sekretärin und ein Koch. Zu Besuch in der luxuriösesten Suchtklinik der Welt.

Wolfgang Koydl, Zürich

Wenn es etwas gibt, auf das Schweizer sich verstehen, dann sind es - abgesehen von Uhren, Käse und Schokolade - Luxus und Verschwiegenheit: Nur in der Eidgenossenschaft kann man derart gediegen in einem Nobelhotel absteigen, in Edelboutiquen shoppen oder Pracht-Immobilien kaufen, ohne dabei vom Pöbel belästigt zu werden. Sicher, das ist George Clooney, der dort drüben gerade ein Paar Pradas anprobiert. Aber deswegen schlägt der Puls hier noch lange nicht schneller.

Im stolzen Wochenpreis von bis zu 80.000 Euro enthalten: eine luxuriöse Unterkunft für die Zeit der Therapie. (Foto: oh)

Mittlerweile hat diese Schweizer Kombination aus Diskretion und Spitzenservice ein weiteres Marktsegment erschlossen: Rehab und Drogenentzug für Superreiche.

Der Glamour ist oft ziemlich abgeblättert

Cold Turkey an der Goldküste könnte man das Konzept nennen, denn "The Küsnacht Practice" hat ihre lichtdurchfluteten modernen Büros im mondänen Zollikon, hoch oben über dem rechten, dem richtigen und reichen Ufer des Zürichsees. Im Arbeitszimmer des Geschäftsführers Jan Gerber stehen eine Buddha-Statue, eine afrikanische Skulptur und eine Marien-Figur - ein unfreiwilliges Indiz für die globale Kundschaft des Unternehmens.

Denn die Patienten kommen aus der ganzen Welt nach Zürich, und nicht selten reisen sie mit dem Privatjet an, mit Leibwächtern, Zofen und dem eigenen Butler. Hier im Zürcher Speckgürtel sucht die Glitzerwelt der Reichen, Schönen und Prominenten Heilung von ihrer Sucht - obschon der Glamour oft ziemlich abgeblättert ist, wenn sie den Weg hierher gefunden haben.

Institutionen, die sich dem Wohlstands- und Prominentenmarkt widmen, gibt es auch anderswo", sagt Gerber und verweist zum Beispiel auf die "Promise"-Klinik im kalifornischen Malibu, wo schon Stars wie Lindsay Lohan oder Britney Spears ihre Drogen- und Alkohol- Dämonen zu bezwingen versuchten. Aber die "Küsnacht Practice" ist noch ein ganzes Stück exklusiver - und vor allem sehr, sehr viel verschwiegener.

"Jeder kennt die Adresse von 'Promise', es reicht also, einen Fotografen vor der Tür zu postieren und auf die Ankunft von Promis zu warten", erklärt Gerber den Unterschied. Sein Unternehmen, das von dem Kanadier Lowell Monkhouse gegründet wurde, bringt die Patienten hingegen in anonymen Luxus-Appartements oder Villen unter. Sie liegen in Küsnacht oder in anderen Orten an der superreichen Goldküste südlich von Zürich, sie schließen ein Chalet in St. Moritz und ein renoviertes Schloss in Süddeutschland ein. Und wer will, kann sich in einer Suite des Luxus-Hotels Dolder Grand verkriechen.

Die Adressen werden vor der Öffentlichkeit ebenso geheim gehalten wie die Kundendatei. Das Dolder öffnet für solche Kunden einen versteckten Seiteneingang. Denn niemand will seine Suchtprobleme öffentlich ausbreiten, das gilt für Prominente ebenso wie für gewöhnliche Sterbliche.

Der Bodyguard ist gleichzeitig der Drogendealer

Höchstens zwei Patienten gleichzeitig werden im Promi-Rehab therapiert, wobei Wert auf absolute Vertraulichkeit auch unter den Kunden gelegt wird. Sie treffen einander nie, und im Idealfall sollte es, so Gerber, sowieso nie mehr als jeweils ein Kranker sein. Damit kommt "The Küsnacht Practice" auf rund ein Dutzend stationäre Patienten im Jahr, die jeweils mindestens einen Monat lang intensiv behandelt werden - für einen Inklusivpreis von 50.000 bis 100.000 Franken in der Woche. Darin eingeschlossen sind nicht nur die Therapie und die Miete, sondern auch ein eigener Chauffeur, eine Sekretärin und ein Koch.

Dass Patienten eigenes Personal mitbringen, sieht man bei der "Practice" nämlich gar nicht gern, obwohl dies "bei Oligarchen oder Royalty" immer wieder vorkomme, wie Gerber mit einem wenig subtilen Hinweis auf die Bandbreite der Kundschaft sagt. "Denn eine erfolgreiche Therapie setzt einen Wandel des gewohnten Lebensrhythmus voraus", fügt er hinzu. Ganz zu schweigen von konkreten Risiken: Nicht selten sei der Bodyguard gleichzeitig der Drogendealer des Promis.

Natürlich kommen die Hilfesuchenden nicht nur wegen der Diskretion, sondern wegen der Erfolgsaussichten auf eine Heilung, die versprochen wird. Nach Gerbers Worten ist "The Küsnacht Practice" weltweit die einzige Einrichtung ihrer Art, die neben die psychotherapeutische auch eine praktische Behandlung stellt. "Wir möchten die chemische Balance im Körper des Drogenkranken wiederherstellen", erklärt er. Dazu würden aufwendige Labortests von Blut, Speichel und Urin vorgenommen. Auf Grundlage der Ergebnisse verabreicht ein Spezialist den Patienten dann Nahrungsmittelergänzungen, die ihm bei der Heilung helfen sollen.

Entscheidend aber ist, so Gerber, dass in der "Küsnacht Practice" nicht nur die Symptome der Sucht kuriert, sondern auch die Ursachen der Krankheit psychotherapeutisch erforscht und aufgearbeitet werden.

"Es ist fast alles Mundpropaganda"

Über mangelnde Nachfrage kann man sich in Zollikon nicht beklagen. "Die meisten neuen Patienten kommen auf Empfehlung ehemaliger Patienten zu uns", sagt Gerber. "Wir können ja schlecht inserieren, es ist also fast alles Mundpropaganda." Einige der zufriedenen Kunden zitiert das Unternehmen auf seiner Webseite: vom alkoholkranken Farmer in Südafrika über den kokainsüchtigen Geschäftsmann aus Delhi bis hin zu der Athener Hausfrau mit einer Zwangsstörung. Und Gerber erwähnt gern den Fall jener Frau, die schon in 14 "teuren Kliniken" war, bevor man ihr in Küsnacht endlich helfen konnte.

Für Firmengründer Lowell Monkhouse, der die ersten Patienten daheim in seinem Wohnzimmer empfing und der seit 13 Jahren in der Schweiz lebt, gab es als Standort eigentlich keine geographische Alternative zu der kleinen Alpenrepublik. Nicht nur die Reputation für Luxus und für Verschwiegenheit ziehe die Prominenz an, glaubt Gerber, sondern auch die Sicherheit und Anonymität.

"Wir haben Leute, die kommen mit zehn Bodyguards in Zürich am Flughafen an", erzählt er. "Dann lassen sie sie stehen und gehen allein zu Fuß in der Bahnhofstrasse einkaufen, weil sie sich einfach sicher fühlen."

© SZ vom 07.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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