"Venezianische Freundschaft" im Kino:Brennendes Schiff

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Shun Li und der alte Bepi verstehen sich gut. (Foto: Rendezvous Filmverleih)

Die Einsamkeit des touristenverlassenen Venedigs verbindet in Andrea Segres Film "Venezianische Freundschaft" zwei Fremde. Die Chinesin Shun Li und der ehemalige Jugoslawe Bepi kommen sich in der Lagune unter geheimnisvollen Umständen nah.

Von Fritz Göttler

Manchmal drückt das Wasser für ein paar Stunden in die Lagune, dann müssen die Menschen von Chioggia in Gummistiefeln durch die überschwemmten Gassen platschen oder mit dem Rad das Wasser durchpflügen. Auch im Café, das die junge Chinesin Shun Li führt, ist der Boden überflutet. Plötzlich kommt Bepi zur Tür herein, er hat eine rote Kerze in der Hand in einem Papierboot, die setzt er behutsam aufs Wasser, und dort verbreitet sie einen zitternden sanften Schimmer, ein wenig verloren, wie ein Goldfisch in einem zu großen Glas.

Shun Li wurde zwangsverpflichtet, von der mafiösen Gesellschaft, für die sie arbeitet und der sie einen Haufen Schulden abzahlen muss, bevor sie wieder mit ihrem Sohn zusammenkommen kann, daheim in China. Langsam nur gewöhnt sie sich an die Männer im Ort, Fischer die meisten, und auch die Männer bleiben ihr gegenüber reserviert.

Ein imaginäres Venedig

Nur der alte Bepi, den sie Bepi den Poeten nennen, hat keine Schwierigkeiten mit ihr, die beiden kommen ins Gespräch, er zeigt ihr die Stadt und führt sie auf sein Boot und auch in seine Wohnung, damit sie nach Hause telefonieren kann. Sie erzählt von dem Brauch daheim mit den Lichtern, die auf dem Meer ausgesetzt werden, um den Dichter Qu Yuan aus dem alten Kaiserreich zu retten.

Chioggia, das Fischerstädtchen in der Lagune von Venedig. Ein kleines Venedig ohne Touristen, sagt Regisseur Andrea Segre, ein imaginärer Ort, aber absolut realistisch. Er ist in Chioggia aufgewachsen, lehrt Soziologie, dreht Dokumentarfilme. Italien, das zum Immigrantenland geworden ist, dabei hat es seine eigenen sozialen Probleme überhaupt nicht im Griff. Keine Fraternisierung, das ist die Parole im Städtchen, bei den von der Krise bedrohten Einwohnern, aber auch bei den Männern, die die chinesische Mafia schickt, um Li zu kontrollieren.

Auch Bepi ist ein Fremder, Rade Serbedzija spielt ihn, aus dem ehemaligen Jugoslawien. Zhao Tao, die Li spielt, kennt man aus den Filmen von Jia Zhangke. Andrea Segre lässt ihnen viel Raum, damit sie gemeinsam Sätze formen und Bewegungen finden, damit wir die Einsamkeit spüren, die sie verbindet. Zwei Geschichten, zwei Lebenslinien, die nebeneinanderher führen, ohne sich zu verknüpfen. Die sich beide erfüllen im Bild eines brennenden Schiffs.

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Io sono Li , Italien 2013 - Regie: Andrea Segre. Buch: Marco Pettenello, Andrea Segre. Kamera: Luca Bigazzi. Schnitt: Sara Zavarise. Mit: Zhao Tao, Rade Serbedzija , Marco Paolini, Roberto Citran, Giuseppe Battiston, Wang Yuan, Giordano Bacci, Spartaco Mainardi. Rendezvous, 98 Minuten.

© SZ vom 09.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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