Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Scheitern wo scheitern tabu ist

Toni Collette betört in "Ganz weit hinten". Ulrich Tukur mimt einen alkoholkranken Headhunter im kühlen "Houston". Nicht zu Wort kommen dagegen die Isländer in der Doku "Eisheimat". Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

45 Minuten bis Ramallah

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(Foto: Zorro Film)

45 Minuten bis Ramallah Eine Grenzkomödie, initiiert durch ein Begräbnis: der Verstorbene lebte in Israel, stammte aber aus Palästina und soll auch dort unter die Erde. Also tun sich seine zwei verfeindeten Söhne zusammen um die Leiche in die alte Heimat zu schmuggeln. Mäßigen Klamauk erzielt Regisseur Ali Samadi Ahadi, indem er seine Helden auf beiden Seiten der Grenze in die klassischen worst-case-Szenarios des jeweiligen Landes schickt. Doris Kuhn

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Auf dem Weg zur Schule

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(Foto: dpa)

Auf dem Weg zur Schule Während die Schulen der ersten Welt an ihren PISA-Erfolgen gemessen werden, geht es in der dritten ganz elementar darum, das Schulgebäude überhaupt zu erreichen: In seinem Komplementärfilm zur Bildungspolemik von Wagenhofers "Alphabet" begleitet Pascal Plisson Kinder aus Kenia, Marokko, Indien und Patagonien auf ihren bis zu vierstündigen, beschwerlichen Wegen durch unwirtliche Landschaften. Wenn zwei indische Jungs ihren behinderten Bruder auf einem aus Plastikstuhl und Schrottteilen zusammengebastelten Rollstuhl zur Schule zerren, berührt der Bildungshunger der Kinder, die nicht mal genug zu essen haben. Anke Sternenborg

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Carrie

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(Foto: dpa)

Carrie Als fieses Menstruations-Märchen hatte Stephen King seinen Debütroman angelegt, als noch fieseren Pubertäts-Horror hat Brian De Palma ihn 1976 das erste Mal verfilmt. Kimberly Peirce präsentiert in ihrem Remake jetzt die Hochglanz-Variante der Fabel um ein junges Mädchen, dessen sexuelles Erwachen in übermenschliche Power umschlägt - und vergisst vor lauter Lust am Schweineblut die Moral von der Geschicht'. David Steinitz

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Concussion

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(Foto: Edition Salzgeber)

Concussion Gay ist das neue Hetero - oder: auch schwuler Sex mit dem immergleichen Partner kann langweilen. Im Spielfilmdebüt von Stacie Passon erwischt es Mittvierzigerin Abby (Robin Weigert), die mit einer Frau verheiratet ist, ihr den Haushalt macht. Ein belangloser Unfall erschüttert sie, sie geht gegen Geld mit anderen Frauen ins Bett: ´Belle de jour´ trifft ´The Kids are all right´, mit einer tollen Hauptdarstellerin. Martina Knoben

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Eisheimat

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(Foto: Farbfilm Verleih)

Eisheimat Nach dem Krieg wanderten hunderte deutscher Landarbeiterinnen nach Island aus, nun werden sie von Heike Fink im hohen Alter porträtiert. Männer und Isländer kommen nicht zu Wort, das Sujet sind die oft nur noch halbverständlich dahingelallten, mehr oder weniger schlimmen Erfahrungen der deutschen Frau in der Fremde. Oder doch nur der Stapel von gefälligen Postkartenaufnahmen der Insel? Phillip Stadelmaier

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Ganz weit hinten

6 / 11
(Foto: dpa)

Ganz weit hinten Nat Faxon und Jim Rash haben vorher noch keinen Film gemacht, aber sie haben, mit Alexander Payne, das wunderbare Drehbuch zu The Descendants geschrieben. Und nun erzählen sie in ihrem Regiedebüt mit dem selben Gespür für die Prioritäten des Lebens von einem melancholisch hoffnungsvollen Sommer. Der 14jährige Duncan verbringt ihn mit seiner Mutter (Toni Collette) im Haus von deren furchtbaren neuem Lover. Das hilft nur die Flucht nach draußen - und dort warten lauter wunderbare Entdeckungen auf dem Weg zum Erwachsenwerden, und ein herrlich unkonventioneller Vater-Ersatz. Susan Vahabzadeh

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Houston

7 / 11
(Foto: Farbfilm Verleih)

Houston In ruhigen, sterilen Bildern erzählt Regisseur Bastian Günther vom Scheitern in einer Welt, in der man nicht scheitern darf: Als alkoholkranker Headhunter strauchelt Ulrich Tukur zwischen Versagensängsten und Whiskey-Rausch in der anonymen Global Business-Architektur der texanischen Ölmetropole. Die leise, eindringliche Charakterstudie eines selbstzerstörerischen Überlebenskampfers. Annett Scheffel

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Inside Llewyn Davis

8 / 11
(Foto: REUTERS)

Inside Llewyn Davis Greenwich Village, 1961: Musikgeschichtlich ist das fünf Minuten bevor Bob Dylan die Szene betritt und die Folkmusik explodiert. Der erfolglose Sänger Llewyn Davis hat davon allerdings nichts. Seine grausame winterliche Odyssee ist einer der komischsten Filme der Coen-Brüder geworden - und zugleich, so seltsam es klingt, eine todtraurige Meditation über die Künstlerseele und ihre Zerbrechlichkeit. Tobias Kniebe Die ausführliche SZ-Kinorezension lesen Sie hier. Die SZ-Videorezension "Zoom - die Kinopremiere" sehen Sie hier.

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Der Lieferheld

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(Foto: dpa)

Der Lieferheld Ein bisschen merkwürdig fühlt es sich anfangs an, wie wenn man in eine feuchte Badehose schlüpft ... Ken Scott über den "Delivery Man", mit dem er seinen kanadischen Supererfolg "Starbuck" von 2011 in Amerika gleich noch mal drehen darf, mit Vince Vaughn als 500-plus-Samenspender, den 142 seiner Kinder nun aus der Anonymität zerren wollen. Traurig-komisches Loblied auf die mutterlose Gesellschaft! Fritz Göttler

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Oldboy

10 / 11
(Foto: dpa)

Oldboy Aus monetären Gründen war Spike Lee sicher nicht an diesem Remake des heftigen südkoreanischen Rachethrillers interessiert, der während des Asia-Pop-Hypes der frühen Nullerjahre zum Kultfilm wurde - dafür ist er ein viel zu eigenwilliger Künstler. Nur verweigert er in seiner Nacherzählung stoisch auch jeden anderen Hinweis, warum diese Neuinterpretation notwendig gewesen sein könnte. David Steinitz

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche

Venezianische Freundschaft

11 / 11
(Foto: Rendezvous Filmverleih)

Venezianische Freundschaft Alle Flüsse fließen ins Meer, schreibt Bepi, der Fischer-Poet, aber sie können es nicht füllen. Ein Exilant, aus dem einstigen Jugoslawien, er ist der jungen Chinesin Shun Li sehr zugetan. Sie ist zwangsverpflichtet in die Osteria in Chioggia. Venedig von der anderen Seite her zeigt Andrea Segre, der beim Dokumentarfilm lernte, Figuren so in ihre Landschaften zu platzieren, dass man sich schmerzlich ihrer Einsamkeit bewusst wird und ihrer Würde. Fritz Göttler

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