TV-Kritik: "Wok-WM":Werber, willst du ewig werben?

Lesezeit: 3 min

Eis-Odyssee ins Reklame-Nirwana: In der "Wok-WM" trudeln Promis als knuddelige Knautschklöpschen ins schale Glück der Dauerwerbesendung.

F. Seng

Für einen kurzen Augenblick die kühle, grausame Schönheit der Physik zu begreifen, dieses Vergnügen ist Laien nur selten vergönnt.

Odysee im Eiskanal: Moderator Stefan Raab gewinnt mit seinem Team im Vierer-Wok. (Foto: Foto: dpa)

Wer im Schulunterricht damit beschäftigt war, den wechselhaften Bedürfnissen seiner Konzentrationsschwäche gerecht zu werden, wem als Heranwachsenden "Galileo" einfach irgendwie zu faktenlastig ist, der ist auf TV-Formate wie das TV-Total-Turmspringen oder die Wok-WM angewiesen, um in die wunderbare Welt der Schwerkraft einzutauchen, ihre ewig gültigen Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und darüber zu staunen.

Einmal im Jahr gehen Promis auf Eis-Odyssee. Dieses Jahr im Sauerland. Sie verwandeln sich in kugelige Knautschzonen, schnallen sich metallene Panzer an Fersen und andere empfindliche Körperteile, versuchen mit putzigen Methoden ihre Woks zu pimpen und katapultieren sich, halb Promi, halb Dummy, in einen recht schattigen Kanal.

Dann heißt es aufpassen, vor allem in der Zeitlupenwiederholung der Einer-Wok-Fahrer. Wenn sie losstürzen, die lästige Erdenschwere abschütteln, abheben, einsame, melancholische Pirouetten drehen oder senkrecht durch eine Steilkurve steuern, scheint es fast so, als würden sie die lästige Trägheit, gegen die wir alle täglich, mit mehr oder weniger Erfolg, ankämpfen, überwinden.

Wir beneiden sie. Und dann werden die tollkühnen Helden in ihren fliegenden Schüsseln von den Newton'schen Gesetzen eingeholt: Was abhebt, das muss - fast alles - wieder runter. Erst recht in einer Dauerwerbesendung. Sie crashen. Wir sind dann ein bisschen schadenfroh.

Schon vor 20.15 Uhr stieg am vergangenen Samstagabend die Spannung. Wie würden die Macher der Wok-WM mit dem Gerichtsurteil, das sie dazu verpflichtete, ihre Show als Dauerwerbesendung zu kennzeichnen, umgehen? Verschämt eine diffuse Geisterschrift vor Schneekulisse einblenden? Oder doch lieber offensiv, invers und blinkend? Das wäre mutig, schließlich steht Pro7-Entertainer Stefan Raab mit seiner Dauerwerbesendung fortan in einer reichen Fernsehtraditionskette, an deren glorreiche Tage nicht ohne weiteres anzuknüpfen ist.

Raab muss sich an Klassikern messen, wie etwa dem jahrelang schaurig-schön ratternden "Glücksrad", der unvergessenen Dauerwerbesendung aus den Zeiten des nahezu jungfräulichen Privatfernsehens. Obwohl es immer die gleichen Preise gab (Staubsauger, Skiausrüstung, Einkaufsgutschein eines deutschen Traditionsglasfabrikanten) verlor die Show lange nicht ihre magische Sogwirkung: Nimmt Laura auch den Einkaufsgutschein von XY? Wäre auf jeden Fall der Typ dafür. Vergisst die streberhaft-perfekte Maren Gilzer vielleicht heute, einen aufleuchtenden Konsonanten umzudrehen, und wie rettet sie sich aus dieser peinlichen Situation? Wie viel Spielgeld wird der begriffsstutzige Gernot für einen Vokal raushauen?

Wer eigentlich was bei der Wok-WM gewinnt, beziehungsweise was der Sieger mit nach Hause nimmt, blieb in Deutschlands jüngster Dauerwerbesendung bis zum Schluss unklar. Auf jeden Fall keine Einkaufsgutscheine für Kristallgläser (schade irgendwie). Doch die Kennzeichnung als solche war nicht zu übersehen, links oben im Nachthimmel prangte der Schriftzug.

Auf der nächsten Seite lesen Sie mehr über einen würdigen Don Quijote und den ewigen Gewinner im Einser-Wok.

"Schlag den Raab"
:Baggern, Pusten, Radeln

Wieder einmal hat TV-Moderator Stefan Raab allen gezeigt, was man mit dem nötigen Willen erreichen kann - beim Baggern, Pusten und Radeln.

Das hatte den Effekt, dass man fortan penibel jedes Werbebanner zu registrieren versuchte, schließlich möchte man genau wissen, welche Marken sich hier so aufdringlich in Szene setzen wollen. Bei einem aufmerksamen Spaziergang durch das Bahnhofsviertel einer deutschen Großstadt dürften sich ähnliche Eindrücke einstellen.

Ähnlich bemüht die Dauerwerbung der gepolsterten Gestalten, zum Teil seit Jahren als Komparsen im Stefan-Raab-Zirkus (Kunststücke: Stockcar-Rennen, Turmspringen, Pokern usw.), zum Teil neu als Frischfutter dabei sind. Sie sind das unverzichtbare Personal des Schelmenfortsetzungsromans, dessen Protagonist ein grinsender Metzgersohn ist.

Da sind junge Sportler auf sinkendem Erfolgskurs, noch jüngere Girlband-Auskopplungen ohne Erfolg. Da ist der sympathische Sasha, der sich zwischen zwei Runs in einen Anzug presst, mit schiefer Krawatte und erschöpften Lippen "Please, please, let me sleep!" ins Mikrofon säuselt.

Als würdiger Don Quijote erscheint uns mittlerweile Joey Kelly. Während sein Bruder Paddy in ein Kloster eingekehrt ist und fleißig kontempliert, hastet Joey durch Täler und Wüsten, stählt seinen Körper, taucht alle paar Monate, verbissen und krank vor Ehrgeiz in einer Raab-Show auf, um sich zumeist knapp geschlagen zu geben.

Und nicht dann und wann, sondern jedes einzelne Mal: ein ewiger, tapsiger Praktikanten-Elefant.

Auch der ewige Sieger im Einer-Wok, der Georg Hackl, (dieses Mal Erster vor Joey Kelly und Felix Loch) wandelt sich langsam zum running gag, zum Wolfgang Wagner des Wok-Sports, der rüstige Doyen, den die Moderatoren mittlerweile knallhart mit den Fragen konfrontieren, die viele schon lange hinter vorgehaltener Hand tuscheln, wann er endlich zurücktreten möge, um die Bahn den Jüngeren zu überlassen?

Sie alle teilen ein Schicksal: Bis zur Unkenntlichkeit in ihre Schutzanzüge gepresst, veredeln sie nicht die Produkte der Sponsoren mit ihrem Glitzer-Promistatus, können auch kaum für sich selbst werben, sondern funktionieren als großflächige Werbeträger, die es, wenn die Schwerkraft allzu zu unbarmherzig an ihnen zerrt, publikumswirksam in mehrere Einzelteile zerlegt.

Vielleicht begreifen sie eines Tages ihr Schicksal. Dann könnten sie gemeinsam einen Song raus bringen, Refrain wäre vielleicht: "Der Wok fliegt, unsere Rüstung kracht, wir werben emsig Tag und Nacht / Wir werben, wir werben."

Unbeschwert von solchen Nöten durfte der spätere Sieger im Vierer-Wok ins Rennen gehen, die Truppe um Stefan Raab. Der Moderator startete mit schweren Gefährten (André Lange, Axel Stein, Björn Dunkerbeck) und leichtem Promotiongepäck: In seiner eignen Sendung musste der Kopf des TV-Total-Teams, im Vergleich zu seinen Kontrahenten, nur für sich selbst werben und gewann leichter Hand mit lockerem Vorsprung.

Für den Rest offenbarte sich im Eiskanal auf ein Neues das ewige Schicksal der trägen Masse, die Geworfenheit der menschlichen Existenz, oder, wie der österreichische Dramatiker Werner Schwab dies in einem einzigartigen poetischen Höhenrausch festhielt: "Wir sind in die Welt gevögelt und können nicht fliegen."

© sueddeutsche.de/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: