TV-Kritik: Wetten dass..?:"Ick freu mir, hier zu sein"

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Ein gestähltes Muttersöhnchen stößt Urschreie aus, Mario Barth würdigt seine Münchner Wurzeln - und auch Entertainer Gottschalk setzt in "Wetten dass.. ?" statt auf Glamour auf Lokalkolorit. Eine kleine Nachtkritik.

Sarina Pfauth

Iris Berben riss ihre Augen an diesem Abend zwei Mal weit auf. Das erste Mal, als sie diesen unglaublichen Waschbrettbauch sah, der unter einem unförmigen fliederfarbenen Wollpullover zum Vorschein kam. Der Bauch gehörte zu Danijel Peric, Fußballer aus Hamburg und Wettkandidat bei "Wetten dass..?", das diesmal aus der Olympiahalle in München gesendet wurde.

Autsch: Gottschalk mit Danijel Peric und dessen Mutter. (Foto: Foto: Robert Haas)

Er wollte sich gerne 15 Autos über das wohlgeformte Sixpack fahren lassen, und nebenbei, so verkündete Peric, wolle er "O sole mio" singen. Und dann grüßte er noch seine Mutter, "die wichtigste Person in meinem Leben". Die Mutter saß in der ersten Reihe und war am Anfang des Abends dadurch aufgefallen, dass sie Thomas Gottschalk ihre Liebe erklärt hatte.

Zwischen Ur- und Schmerzensschrei

Nun saß also Iris Berben auf dem weißen Sofa, ihre Augen hatten gerade erst wieder Normalgröße erreicht, als sich Peric auf den Boden legte und zu trällern begann. Das Gewicht der auf ihn rollenden Autos presste zwischen den Liedfetzen Geräusche aus dem jungen Mann hervor, die etwa zwischen Ur- und wildem Schmerzensschrei einzuordnen waren - was den Großteil des Publikums, inklusive Iris Berben, dazu veranlasste, zuerst die Augen aufzureißen und sich dann die Hände vors Gesicht zu schlagen.

Kevin James, dem "King of Queens", blieb ebenso die Spucke weg und der Mund offen stehen wie Star-Tenor Rolando Villazon und Plaudertasche Mario Barth. "Il sole, il sole mio, sta in fronte a te", sang Peric, und einige im Publikum befürchteten derweil schon das Schlimmste.

Nach dem 15. Auto nahmen die Zuschauer wieder die Hände aus dem Gesicht und trampelten in der Münchner Olympiahalle auf den Boden, die Gäste auf dem Sofa erhoben sich zu stehenden Ovationen. "Das ging mir nah", sagte Gottschalk und holte die Mutter auf die Bühne, die ihrem Jungen schluchzend um den Hals fiel. Er habe ihr nicht erklärt, wie die Wette genau ablaufen würde, sagte sie, sie habe von nichts gewusst: "Und du hast das erlaubt, Tommy?"

Ja, hat er. Man kann sich fragen, ob das eine gute Idee war, eine Wette zuzulassen, bei der einige Zuschauer um das Leben des Kandidaten fürchten - dass Peric am Ende des Abends von 77 Prozent der Zuschauer zum Wettkönig gewählt wurde, zeigt aber, dass sein Versuch die Zuschauer zumindest faszinierte.

Die Zahl zeugt jedoch auch davon, wie schwach die Konkurrenz war: Zerbrechende Flaschen in Luftballons, Schaumgummitierchen, die von einem Bauchnabel in ein Netz hüpfen sollten und ein schneller Autoreifenwechsler - mehr als einen höflichen bis gutgemeinten Applaus erhielt keiner der anderen Kandidaten.

Wetten dass.. ?
:Gottschalks Dschungelcamp

Stierhoden für Iris Berben: In der Münchner Olympiahalle bastelte Entertainer Thomas Gottschalk eine Bayern-Ausgabe von "Wetten dass..?".

Auch auf dem Star-Sofa ging es eher geruhsam zu. US-Comedian Kevin James redete über Burger und Bier und Frank Ribéry über Fußball - erwartbare Dinge also. Iris Berben war aus Südafrika angereist und wollte am nächsten Tag schon weiter nach Mosambique fliegen. Auch sie sagte wenig Erhellendes, schien mit ihren Gedanken noch irgendwo in Afrika zu hängen, wirkte fahrig und unkonzentriert.

Zudem trug ihr Wetteinsatz, geschnetzelte Stierhoden zu essen, auch nicht gerade zur Ehrenrettung des Abends bei - das Ekel-Essen schien ein neuer, müder Versuch zu sein, die Inhalte der Privaten aufs Öffentlich-Rechtliche zu übertragen. Es war, mal wieder, keine gute Idee.

Und dann war da noch die alternde Boygroup Take That, die nun schon zum fünften Mal bei "Wetten dass..?" auftrat. Die inzwischen ausgewachsenen Jungs schafften es kaum noch, irgendjemand zum Kreischen zu bringen. Insgesamt zehn junge Frauen und ein junger Herr standen immerhin von ihren Sitzen auf und hielten Transparente mit "I love Take That" in die Luft. Weil Bayern-Star Luca Toni samt Freundin abgesagt hatte und auch Kim Catrell, Darstellerin der Samantha in der TV-Serie "Sex and the City", nicht kam, fehlte Glamour auf der Bank - und es blieb allein an Gottschalk hängen, die Show zu retten.

Kein Problem für "einen der größten Entertainer Deutschlands und auch Europas" (Edmund Stoiber, saß in der ersten Reihe). Noch dazu bei einem Heimspiel: Gottschalk, der in München studiert und seine ersten Karriereschritte gemacht hat, war zurück in "der Stadt, die mir immer am nächsten sein wird".

"Eigentlich sollte ich den Boden küssen"

Und dann auch noch in der Olympiahalle - "eigentlich sollte ich den Boden küssen", meinte Gottschalk, denn hier hatte er das erste Date mit seiner Frau Thea, bei einem Deep Purple Konzert im Jahr 1972. Gottschalks Rettungskonzept für diesen Abend beinhaltete ein Quentchen Nostalgie (Take That), ein Hauch Frische (Mando Diao - während des Auftritts wippten sogar die Kameraleute im Takt mit dem Fuß), jede Menge Kalauer - und eine gehörige Portion Lokalkolorit.

So viel Lokales war in der Sendung vertreten, dass Münchens zweite Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) am Ende ganz beglückt war: "Alles war drin, was zu Bayern dazu gehört!"

Die Kinderwette übernahmen knapp 30 schlaue, wohlerzogene bayerische Schüler ("Auf-Wie-der-se-hen-Herr-Gottschalk" - Gottschalk, examinierter Lehrer: "So was gibt's noch!"). Außerdem lief eine echte Kuh namens Thea durchs Bild (Gottschalk sollte als Wetteinsatz Milch frisch vom Euter trinken, ein Bauer brachte deshalb eine Kuh vorbei - die schönste im Stall. Thea Gottschalk, die im Publikum saß, lachte herzlich).

Ebenfalls bayerisches Flair verbreiteten Männer in Lederhosen, ein Luca Toni-Double, der echte FC-Bayern-Star aus Frankreich und natürlich Alfons Schubeck, omnipräsenter Münchner Promi-Koch. Sogar der Berliner Comedian Mario Barth versuchte, ins Schema zu passen und erzählte von seiner Mutter, die aus München komme, weshalb die Hälfte seiner Heimat München sei: "Ick freu mir, hier zu sein."

In München kam die Heimatverbundenheit gut an: Das Publikum in der Olympiahalle war von Anfang an dabei und kicherte freiwillig über Gottschalks mal mehr, mal weniger gelungene Witze.

Ein besonders treuer Gottschalk-Fan aus Wolfratshausen bekam in der Olympiahalle eine Extra-Begrüßung vom Showmaster. Thomas Gottschalk packte den bayerischen Ex-Ministerpräsidenten mit beiden Händen: "Herr Stoiber! Erinnern Sie sich, als wir beide noch über 50 Prozent Marktanteil hatten?"

"Wetten dass..?" hat nicht mehr die gleiche Zugkraft wie vor 20 Jahren, das ist kein Geheimnis. In der Olympiahalle aber hatte das Publikum trotzdem einen unterhaltsamen, wenn auch über weite Strecken unaufgeregten Abend.

Und zumindest einige der prominenten Gäste schienen Gefallen an der Bayern-Ausgabe von "Wetten dass..?" gefunden zu haben - jedenfalls war Star-Tenor Rolando Villazon nach der Show noch mit einigen Mitgliedern der Blaskapelle dabei zu beobachten, wie sie gemeinsam aus voller Kehle "Mir san die lustigen Holzhackerbuam" sangen.

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