TV-Kritik: "Schmidt & Pocher":Drei Sausäcke auf einem Haufen

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Nach der Sommerpause mühten sich Harald Schmidt und Oliver Pocher wieder durch zähen Klamauk. Doch dann brachte Thomas Gottschalk Schwung in die Show.

Christian Kortmann

Es waren nur wenige Fernsehmomente, und als man begriffen hatte, was da geschah, war es schon wieder vorbei. Thomas Gottschalk am übergroßen Late-Night-Schreibtisch, zu Gast bei "Schmidt & Pocher". Drei Männer des Wortes, die schlagfertig aus allen Rohren schossen, jede Vorlage aufnahmen, die die anderen beiden auch nur anzudeuten wagten.

Schmidt, Gottschalk, Pocher - ein besonderes Trio (Foto: Screenshots: ARD (Archiv))

Um die Situation zur verbalen Massenkeilerei auszuweiten, riefen sie bei Günther Jauch an, dessen Telefonnummer zusammen mit 17 Millionen anderen bei der Telekom abhanden gekommen ist: "Ah, die drei Sausäcke auf einem Haufen", rief Jauch mit gespielter Abscheu aus. Es waren diese Momente, die einem den fast verlorenen Glauben zurückgaben, dass bei der richtigen Konstellation Late-Night-Unterhaltung auch im deutschen Fernsehen gelingen kann.

Vor allem Gottschalk amüsierte sich prächtig, als genieße es der Malibu-Halbrentner, im Fernsehen mal nicht mit aufwändig frisierten, aber rhetorisch bescheiden bemittelten Gestalten auf dem Sofa zu hocken. Prompt wollte er die Late-Night-Show "Wetten, dass...?"-gemäß überziehen: "Ach kommt, hängt doch einfach noch was hinten dran!" Doch da versteht man bei der ARD keinen Spaß, bevor es ernsthaft komisch werden könnte, sendet man wieder grauen Fernsehalltag. Ordnung muss sein, krass frische Trends bei "Polylux", und der Letzte macht das Licht aus.

Wer den Thron im Fernsehkönigreich besetzt hält, erkennt man nicht nur an Überziehungsrechten, sondern auch daran, wer am längsten pausieren darf. Harald Schmidt und Oliver Pocher machten zwar nicht die längste Sommerpause des Jahres 2008, wohl aber kehrten sie aus dem Entertainer-Jahresurlaub am Donnerstag als letzte, nämlich mitten im Herbst, zurück. Dafür war der in der Spätphase seiner Regentschaft befindliche, aber immer noch unangefochtene Sommerpausen-Sonnenkönig, jener großgewachsene goldgelockte Gottschalk, der die Sommerpause in eine gänzlich neue Dimension, ja, einen permanenten Halbjahreszustand überführt hat, immerhin zu Gast.

Doch zunächst waren Harald Schmidt und Oliver Pocher auf sich allein gestellt, und da zeigen sie seit nun einem Jahr die größten Schwächen. Um es als Kicker-Literaturpreis-Bewerbung zu formulieren: Das von der ARD teuer eingekaufte Starduo aus torgefährlichem Mittelfeldregisseur und Abstauber brachte nicht die erhofften Ergebnisse, von Traumfernsehen ganz zu schweigen. Wenn starke Gegner zu Gast sind, etwa Lady Bitch Ray, lieferten Schmidt und Pocher bisweilen spektakuläre Schlagabtausche. Es kommt zwar keiner an ihrem aggressiven Forechecking vorbei, doch die Stars harmonieren nicht als Ensemble, es fällt ihnen schwer, die leeren Räume zu nutzen und proaktiv das Spiel zu machen.

"Netter als der!"

So ging es auch am Donnerstagabend gut vierzig Minuten dahin, eine Mischung aus Bewährtem (Pocher als Oliver Kahn auf dem Oktoberfest), Belanglosem (ironisches Durchkauen der Bankenkrise) und allerlei Einspielfilmen, die man sofort wieder vergessen hatte. Schmidts politischer Stand-up-Part war knapp auf "Scheibenwischer"-Niveau, eher darunter. Heraus ragte allein Pochers Aperçu über die Verlobte von Boris Becker: "Für Sandy Meyer-Wölden trifft die Redensart zu: Zu jung zum Sterben, zu alt für Lothar Matthäus."

In Fahrt kam die Sache erst gegen Ende, als sich der Sommerpausen-König zu den beiden gesellte. Pocher machte einen Witz über den glücklosen "Wetten, dass...?"-Moderator Wolfgang Lippert, doch Thomas Gottschalk nahm seinen Moderations-Nachfolger/Vorgänger in Schutz: "Der ist ein netter Kerl." Er deutete auf Pocher: "Netter als der!"

Nachdem die Hackordnung geklärt war, lästerten die drei Sausäcke über Gott und die Medienwelt. Gottschalk lobte Pochers Spruch über Frau Meyer-Wölden: "Das Gute an Pochers Witzen ist: Ich kann sie für meine zehn Millionen Zuschauer noch einmal machen." Pocher: "Moment, Moment... Ich komme auch gerne selbst vorbei." Gottschalk: "Aber nur, wenn Mariah Carey (die Pocher mal als 'Presswurst' beleidigt hat; Anm. d. Red.) da ist."

Sie durften mit diesem Qualitäts-Quatsch leider nicht weitermachen, weil das 60-Minuten-Aussitzsoll erfüllt war. Dabei betonte Harald Schmidt jüngst, er wolle seine Doktrin "Erfolg durch Nichtsenden" aufgeben und wieder öfter im Fernsehen erscheinen. In Verbindung mit dem gestrigen Abend zeigt er eine Perspektive auf: Zwei öffentlich-rechtliche Anstalten sind ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Sie sollten zu einem Sender verschmelzen, in dem Gottschalk, Schmidt und Pocher eine tägliche Late-Night-Show bestreiten und im Wechsel "Wetten, dass...?" moderieren.

Dann müssten sie vielleicht seltener den "Preis des beleidigten Zuschauers" abholen. Das tat Pocher persönlich in einem Mietshaus in Köln-Lövenich, wo ihm eine bizarre Fisch-Skulptur überreicht wurde. Denn allzu oft ist "Schmidt & Pocher" so lebendig wie ein Aquarium, in dem alle Fische auf dem Rücken schwimmen.

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