Theater:Sehnsucht nach Knast

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Willi Kufalt will anständig werden, aber wie soll das gehen: Am Hamburger Thalia-Theater inszeniert Luk Perceval Hans Falladas "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst" mit drastischer Komik.

Von Till Briegleb

Es ist unmöglich, anständig zu sein, wenn man ehrlich ist. Das lernt Willi Kufalt in der Depression, erst der wirtschaftlichen, dann der persönlichen. Denn das Alter ego Hans Falladas, mit dem dieser 1934 im Roman "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst" seine Erfahrung als Zuchthaus-Insasse und anschließender Ex-Sträfling in der krisenhaften Weimarer Republik verarbeitet hat, erhält drinnen wie draußen die gleiche demütigende Lehre: Aufrichtigkeit ist der Resozialisierung im Obrigkeitsstaat nicht förderlich. Nur wer kriecht, schleimt und dienert, behält die Chance auf eine bescheidene Existenz. Wer sich aber nicht ganz verleugnen will, wie Willi Kufalt, der kann nicht "anständig" werden, so gut seine Vorsätze auch geraten sind. Der muss vielmehr so lange scheitern, bis er wieder Sehnsucht nach dem Gefängnis bekommt.

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