Theater:Rapide gealtert

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Mit 32 Jahren ist Pascal Fligg eigentlich viel zu jung für den Prospero in Shakespeares "Der Sturm". Am Volkstheater spielt er die Rolle trotzdem

Von Christiane Lutz

Ein Problem, das das Volkstheater so überhaupt nicht hat, ist die Sorge um Nachwuchs. Im Gegenteil: Das Theater hat das mit Abstand jüngste Ensemble der Stadt, die meisten Schauspieler sind zwischen 1980 und 1990 geboren. Das ist insofern wunderbar, als dass junge Menschen im besten Fall Lebendigkeit ins Haus bringen, neue Ideen und neue Zuschauer. Am Volkstheater spielen also seit etlichen Jahren junge Menschen ältere Rollen. Und wenn mal ein besonders weiser, alter Herr gebraucht wird, behilft man sich eben mit Alexander Duda oder August Zirner.

Prospero aus Shakespeares "Der Sturm" ist auf jeden Fall ein älterer Herr. "Ein alter Typ", sagt Pascal Fligg, der selbst noch gar nicht alt ist, 32 Jahre, um genau zu sein. Trotzdem hat sich Regisseur Christian Stückl diesmal dafür entschieden, den Prospero von Pascal Fligg spielen zu lassen. Pascal Fligg arbeitet seit 2009 am Volkstheater und gehört damit sowieso schon zur Generation der erfahrenen Schauspieler. Es sei aber immer speziell, Figuren zu spielen, die wesentlich älter sind, als er selbst: "In allen Filmen und Trailern, die ich über "Der Sturm" angesehen habe, war Prospero immer ein alter Mann. Oder eine alte Frau, wie Helen Mirren als Prospera." Das macht ja auch Sinn: Prospero ist ein vertriebener Herrscher, der mit seiner kleinen Tochter vom eigenen Bruder auf dem Meer ausgesetzt wurde und sich gerade noch auf eine einsame Insel retten konnte. Dort richtet er sich zwölf Jahre lang in seinem Gram und seinen Rachegelüsten ein. Gefühle sind natürlich keine Frage des Alters, aber verstreichende Zeit verhärtet manche Menschen nun mal, macht sie bitter. Und selbst Schauspieler sind nur bedingt wandelbar. So war Pascal Fligg durchaus überrascht, als er bei der ersten Leseprobe erfuhr, dass er den Prospero spielen soll.

"Man bekommt an diesem Theater einfach Rollen zugetragen, die an anderen Häusern erst später im Leben auf einen zugekommen wären", sagt er. Pascal Fligg spielt sonst häufig Anführer und Großmäuler wie den Erich in Fassbinders "Katzelmacher" oder Tom in "The Great Gatsby". Er beherrscht den schmierig-beherrschten Fiesling genauso gut wie den entfesselten Provokateur. Auf jeden Fall Typen, denen man zuhören muss. Diese Rollen passen deshalb so gut zu ihm, weil Fligg ein gewisses Format mitbringt. Er ist groß, er hat das Gesicht eines Boxers und eine ruhige, tiefe Stimme. Die Motorradkluft, die er trägt und das Bier, das er trinkt, wirken nur auf den ersten Blick wild: Das Bier ist alkoholfrei, sein Fahrzeug ist ein Elektromofa. Auch spricht er sehr besonnen und wagt sich im Gegensatz zu seinen Figuren nur selten aus der Deckung.

In den Proben also klopfte Fligg den Prospero auf Probleme ab, unabhängig des Alters. Denn klar war: alt spielen kommt überhaupt nicht in Frage. Prospero ist also ein vertriebener Herrscher, gekränkt, auf Rache sinnend. "Ich glaube, ich kann gut nachvollziehen, wo die Verletzungen der Figur sind. Die Worte eines älteren Menschen wären vielleicht andere, aber die Gefühle können ähnlich sein." Fligg hat selbst einen kleinen Sohn. "Wenn ich mit dem in einer Nussschale auf dem Meer ausgesetzt würde, kann ich mir durchaus vorstellen, warum einer da zwölf Jahre lang Pläne schmiedet, wie er sich rächen könnte."

Die Chance zur Rache bekommt Prospero, als sein Bruder an Bord der Flotte des Königs auftaucht und er diese mit einem Zauber - das kann er nämlich auch - zum Kentern bringt. Die Besatzung strandet an seiner Insel, das Taktieren beginnt. Umrahmt natürlich von Shakespeares typischen Verwirr- und Verführungsspielchen. Auf die Frage, ob man ihm den leidgeprüften Prospero dann in letzter Konsequenz auch abkaufen wird, sagt Pascal Fligg: "Ich glaube, auf der Bühne ist vieles möglich, wenn man den Mut hat, die Teile in sich zu vergrößern, die sonst nicht so groß sind." Falls das nicht hilft, muss er eben aufs Älterwerden warten. Gleich nach der Premiere feiert er seinen 33. Geburtstag.

Der Sturm , Premiere am Freitag, 28. Oktober, 19.30 Uhr, Volkstheater, Brienner Straße 50

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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