Theater:Das Prenzlauer Kind Peng und die Wirren der Welt

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Der Dramatiker Marius von Mayenburg schreibt eine endzeitliche Theaterparabel und inszeniert sie an der Berliner Schaubühne selbst.

Von Mounia Meiborg

Alles hängt mit allem zusammen. Dieses Axiom der Quantenphysik bildet die Grundlage von Marius von Mayenburgs endzeitlicher Theaterparabel "Peng". Es treten auf: Männer, die ihre Frauen mit Küchengeräten malträtieren. Helikopter-Eltern aus dem Prenzlauer Berg, der ja längst vom Stadtteil zum Klischee geworden ist. Und ein Kind namens Peng, das eigentlich ein Monster ist - und zwar eines mit mehreren Köpfen.

Die Analogien sind schnell klar. Die Küchengeräte, die von denselben Leuten hergestellt werden, die den verstümmelten Frauen Zuflucht gewähren, stehen für die deutschen Waffenexporte bei gleichzeitiger Aufnahme von Flüchtlingen. Die Eltern, die so viel auf ihre christlich-abendländische Erziehung halten und blind für die Schwächen ihres Kindes sind, stehen wahlweise für Deutschland, Europa oder die gesamte westliche Welt. Und ihr monströses Kind hat viele Namen: Rechtspopulismus, Chauvinismus, Narzissmus, das medial produzierte Diktat der Sensation und die Sehnsucht nach dem starken Mann. Viele Themen für ein Stück.

Marius von Mayenburg hat "Peng" an der Berliner Schaubühne selbst uraufgeführt, als hochtourige Komödie, die sich deutlich beim Boulevardtheater bedient. Ganzkörperluftballons und quietschende Penisse haben große Auftritte. Auf der von Nina Wetzel als Globe Theatre entworfenen Bühne steht eine Halfpipe. Eine sterile Welt in Apfelgrün, die leicht futuristisch anmutet. Der Fernsehreporter Tom, herrlich übergriffig gespielt von Lukas Turtur, sorgt dafür, dass das Geschehen gefilmt wird. Die trashigen Videobilder zeigen die Figuren auf dem Spielplatz oder in einer schicken Einbauküche. Sie inszenieren sich permanent selbst, rücken sich für die Kamera ins rechte Licht. In der Mediensatire hat die Inszenierung ihre komischsten Momente.

Insgesamt aber krankt das Stück an seiner thematischen Überfrachtung und an seiner Konstruktion: Die Analogien hat man allzu schnell durchschaut. Da die Figuren absichtlich mehr Prototypen sind als Menschen aus Fleisch und Blut, erfährt man in der zweiten Hälfte des Abends nichts Neues über sie - bis auf die Ärztin, die Peng in einem Showdown erschießt, weil das Übel der Welt, wie sie sagt, in männlichem Testosteron liegt.

Sprachlich wirkt manches bemüht. Robert Beyer, der den Vater als etwas ziellosen modernen Mann spielt, verfällt in Alliterationsketten: "Ich haste heiter hin und her und hole hurtig hunderte von Hand gehackte Haselnuss-Haferhäppchen mit Honig und handgehobelter Himbeer-Heidelbeer-Hirse von heiligen Heilpraktikern und heldenhaften Hebammen für heißhungrige Heulsusen." Von Mayenburg, den man als klugen Zeitgeist-Beobachter kennt, verfällt hier in die Überdeutlichkeit.

Die frauenfeindlichen und xenophoben Äußerungen, die Sebastian Schwarz als Peng vorträgt, klingen etwas ausgestanzt. So, als wolle sich der Autor von diesen Positionen betont distanzieren. Aber die Dauerdistanz führt dazu, dass es an diesem Abend nie richtig ungemütlich wird. Auch nicht richtig komisch. Das Stück steckt in einer schenkelklopfenden Verdruckstheit fest. Dass das immer skurriler werdende Setting nicht peinlich wird, ist den souveränen Schauspielern zu verdanken.

Die Zusammenhänge zwischen den Themen werden bestenfalls angerissen: Dass überfürsorgliche Eltern nicht die Talente, sondern den Narzissmus ihrer Kinder fördern. Und dass die Art und Weise, wie Wahlkampf geführt und wie über diesen berichtet wird, bestimmte Kandidaten begünstigt. Am Ende zieht sich Sebastian Schwarz eine blonde Perücke auf. Denn der narzisstische, kindische, frauenfeindliche, xenophobe, waffenvernarrte und unberechenbare Mann, der hier das Themen-Potpourri zusammenhält, das ist natürlich - na, wer wohl?

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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