Theater:Das bin doch nicht ich

Lesezeit: 3 min

Was tun, wenn man morgens aufwacht und da sitzt diese schöne Frau (Nadine Quittner) neben einem (Christoph Rothenbuchner)? (Foto: Robert Polster/Volkstheater)

Der Wiener Star- und Skandalautor Thomas Glavinic hat sich an seinem ersten Theaterstück versucht - und es gleich noch selbst inszeniert. Es ist Komödie, Thriller und Moralgeschichte in einem. Aber ist es auch gut?

Von Wolfgang Kralicek

Mugshots sind bei den Stars noch unbeliebter als Paparazzi-Fotos. Sie werden nämlich nicht von Klatschreportern geschossen, sondern von Polizeibeamten nach der Festnahme. "Da siehst du die Leute, wie sie wirklich sind", sagt Christoph, der Held von Thomas Glavinics erstem Theaterstück. Da das Stück "Mugshots" heißt, muss man den Satz wohl programmatisch verstehen. Es geht dem Autor offenbar darum, die Menschen zu zeigen, "wie sie wirklich sind".

Der 44-jährige Glavinic ist der Poète maudit unter den Wiener Schriftstellern. Er postet seinen Penis, um gegen die Scheinmoral von Facebook zu protestieren. Er besucht eine Doppelmörderin im Gefängnis, weil er "wissen möchte, wie so jemand tickt". Er beleidigt eine Autorenkollegin öffentlich als "sprechenden Rollmops". Und er macht - etwa in der hochkomischen Nabelschau "Das bin doch ich" oder in seinem jüngsten Roman "Der Jonas-Komplex" - kein Hehl aus seinem exzessiven Lebensstil. Wenn so einer ein Stück schreibt, das mit einem verkaterten Mann beginnt, der sich an die vergangene Nacht nicht erinnern kann, scheint klar zu sein, dass wir es auch hier wieder mit einem Selbstporträt zu tun haben.

Die Regie passte ihm nicht - da hat er einfach selbst inszeniert

Aber das täuscht. Zwar hat Glavinic, der tatsächlich mit einem stadtbekannten Advokaten befreundet ist, einen "zwielichtigen Anwalt" namens "Glabawitsch" in das Stück geschrieben, aber das ist nur ein kleiner Wiener Insider-Gag. Protagonist Christoph (Christoph Rothenbuchner) ist jedenfalls kein Schriftsteller, sondern einer dieser oberflächlichen Bobos, die Glavinic so gern provoziert. Er arbeitet in einer Werbeagentur, und zu den größten Herausforderungen seines Lebens gehört es, beim Einkaufen rechtzeitig am Naschmarkt zu sein, bevor die Trüffelsalami aus ist.

Die Ausgangssituation von "Mugshots" lässt auf eine Boulevardkomödie schließen; neben Christoph liegt nämlich auch eine attraktive nackte Frau in seinem Bett, die er noch nie gesehen hat. Aber auch das täuscht: dass "Mugshots" keine Komödie ist, merkt man schon daran, dass es so wenige Pointen gibt. Wie sich herausstellt, ist die Frau in Christophs Bett eine ukrainische Zwangsprostituierte namens Anastasia (Nadine Quittner), und er hat ihr versprochen, sie von ihrem Zuhälter "freizukaufen". Jedenfalls behauptet "Nasti" das, und wenn es wahr ist, dann hat Christoph jetzt ein Problem. Soll er sie tatsächlich freikaufen, und wenn ja, wie soll er das überhaupt anstellen? Oder soll er versuchen, den lästigen One-Night-Stand wieder aus seinem Bett und seinem Leben zu kriegen? Wie auch immer: Er kann jetzt zeigen, wie er wirklich ist.

Das 75 Minuten kurze Stück, für dessen Plot Glavinic auf eine 20 Jahre alte Erzählung zurückgriff, ist ein kleines Großmaul. Es fängt komödiantisch an, geht dann scheinbar als Thriller weiter, und gegen Ende wird's auch noch moralisch. Zitat: "Man kann nicht einfach nichts tun, um gut zu sein. Man muss etwas Gutes tun. Sonst ist man kein guter Mensch, sondern nur ein nicht schlechter Mensch." Es funktioniert nur hinten und vorne nicht, weil die beiden Figuren so schematisch und unglaubwürdig gezeichnet sind, dass man sich nicht recht für sie interessieren mag. Ihre Panik vor dem tobenden Zuhälter, der ständig anruft oder gar vor der Tür steht, vermittelt sich ebenso wenig wie die filigranen Gefühle, die sie füreinander entwickeln.

Uraufgeführt wurde "Mugshots" im Volx/Margareten, der Studiobühne des Wiener Volkstheaters. Ob das Stück auch angenommen worden wäre, wenn ein weniger prominenter Autor es geschrieben hätte, ist fraglich. Ursprünglich hätte "Mugshots" schon vorige Spielzeit und in einer Inszenierung von Lukas Holzhausen uraufgeführt werden sollen; dessen Regiekonzept aber passte Glavinic nicht - worauf er kurz entschlossen selbst die Regie übernahm. Ein Blick von außen hätte dem Abend vielleicht gutgetan. Die abrupte Auflösung des Dramas ist ziemlich ungeschickt erzählt, aber wenn wir sie richtig verstanden haben, hat Anastasia die Geschichte mit dem Zuhälter nur erfunden, um den Typen, in den sie sich da verliebt hat, auf die Probe zu stellen. Er hat sie nicht bestanden. Zumindest das hat der Protagonist dieses Stücks mit seinem Autor gemein.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: