Theater:Besser sterben

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Wie sich der Tod anfühlt? Maike Bouschen fragt in ihrer Inszenierung nach den letzten Dingen. (Foto: Regine Heiland)

In "Nach den Fakten kommt das Nichts" beschäftigt sich die Nachwuchs-Regisseurin Maike Bouschen mit dem Tod

Von Christiane Lutz

Der Tod ist eine vertrackte Sache. Meist kommt er unpassend, und meist sind die Überlebenden von ihm so überfordert, dass ihnen bei seinem Eintreten nichts Kluges einfällt, schon gar keine Worte. Wie gut, dass es in Deutschland für beinahe alle Interessen einen Verein gibt, in dem man die sogenannten Gleichgesinnten findet, mit denen man sich austauschen kann. Auch über den Tod. "Don't dare, prepare!" - also in etwa "Lass es nicht drauf ankommen, bereite dich vor!" - heißt der Verein in dem Theaterstück "Nach den Fakten kommt das Nichts", das jetzt in der Reaktorhalle gezeigt wird. Ausgedacht hat sich das die Regiestudentin Maike Bouschen, 26, es ist ihre Abschlussinszenierung an der Theaterakademie August Everding.

Was nur treibt junge hoffnungsvolle Theaterstudierende an, sich ausgerechnet mit dem Tod zu beschäftigen? Bouschen, äußerst aufgeweckt, sagt: "In den vergangenen zwei, drei Jahren ist von einigen engen Freunden ein Elternteil gestorben. Ich habe versucht, sie zu trösten und dabei bemerkt, dass ich mir mich selbst überhaupt nicht als Sterbende vorstellen kann." Auch das soziale Prozedere, das auf einen Tod folgt, hat sie befremdet: Kondolenz, Beerdigungen, fehlende Worte. "Wir haben in Deutschland absolut keine Kommunikationsbasis zum Thema Tod." Sie sprach die Schauspielstudenten der Akademie auf das Sterben an und traf ebenfalls auf Ratlosigkeit. Die Menschen vermeiden es sehr gern, über den Tod nachzudenken, wenn er nicht unmittelbar in ihrem Leben vorkommt. Dabei, der Meinung ist Maike Bouschen, eigneten sich doch genau die guten Zeiten, um sich unbefangen mit dem Tod zu beschäftigen.

Bouschen suchte nach entsprechender Theaterliteratur und fand nichts Passendes. Sie sagt, sie möge Stadt- und Staatstheater sehr gern und arbeite gern mit Stücken - Brecht hat sie schon inszeniert, Dea Loher auch - "aber jetzt kann ich noch einmal machen, was ich mir wirklich wünsche." Also entschied sie, mit ihren Schauspielern selbst ein Stück zu entwickeln. Im fiktiven Verein "Don't dare, prepare", treffen sich also vier Figuren und üben gemeinsam das Sterben. Sie stellen sich die eigene Beerdigung vor, malen sich mögliche Todesursachen aus, deklinieren das eigene Sterben in allen erdenklichen Varianten. "Sie wollen etwas einüben, das eigentlich das Gegenteil von Kontrolle ist", sagt Bouschen. Anders: Was sich in deutsche Vereinsstrukturen pressen lässt, kann man auch begreifen. Hoffen die Figuren. Denn im Grunde hätten die Menschen die Sehnsucht, die Angst vor dem Tod zu überwinden, wo er doch unausweichlich ist.

Maike Bouschen wollte auf keinen Fall selbsttherapeutisches Theater machen und ihre Schauspieler von eigenen Erfahrungen berichten lassen. Genauso wenig wollte sie Menschen auf die Bühne holen, die einen Menschen verloren haben. Bei aller emotionalen Wucht des Themas - ihre Inszenierung soll ein ästhetischer Theaterabend werden. Bouschen schaute mit ihren Darstellern Filme an, in denen ergreifend gestorben wird. "Philadelphia" zum Beispiel, ein Film mit Tom Hanks und Denzel Washington von 1993. Als die Regisseurin ihre Schauspieler bat, die Szene nachzuspielen, musste sie erkennen: Im Theater zu sterben ist noch viel schwieriger, als im Film. Der Film bietet durch Musik, realistische Settings und gute Schnitte halbwegs realistisch anmutende Tode. Im Theater wirken Tode unnatürlich, auch weil die Körper nach ihrem Ableben immer noch offensichtlich atmend herumliegen und Theaterblut nun mal nach Theaterblut aussieht.

Ob sie sich jetzt, nach all den Proben und dem Nachdenken, besser auf ihren eigenen Tod vorbereitet fühlt? Maike Bouschen sagt: "Ich würde sagen, ich habe jetzt einen bewussteren Zugang zu meinem Leben."

Nach den Fakten kommt das Nichts ; Premiere am Dienstag, 14. November, 19.30 Uhr, Reaktorhalle, Luisenstraße 37

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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