"Swings Both Ways" von Robbie Williams:Mister Williams beliebt zu scherzen

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Robbie Williams veröffentlicht sein neues Album "Swings Both Ways". (Foto: dpa)

Robbie meldet sich erwachsen zurück mit dem Album "Swings Both Ways". Es hätte eine Verzweiflungstat werden und auch so wirken können. Doch es ist für alle Beteiligten eine riesengroße Erleichterung. Vor allem für sein Publikum.

Von Max Fellmann

Ach, Robbie! Hast du jetzt wirklich . . . ? Nein, Moment, allmählich müssen wir "Sie" sagen, oder? Sie werden im Februar vierzig. Sie machen Ihren Job seit 23 Jahren. An das Wort "Boygroup" können Sie sich kaum mehr erinnern. Zwischen Ihrer Zeit bei Take That und heute liegen ja auch ein paar leere Schnapsflaschen. Aber jetzt sind Sie älter, reifer geworden, Vater dazu, und oft haben Sie angekündigt, Sie wollten nun solide werden.

Dazu gehört offenbar auch, dass Sie einfach wiederholen, was schon mal gut funktioniert hat: Sie veröffentlichen ein Swing-Album. Die Frage lautet: Ist es nicht ein bisschen fad, einen alten Witz noch einmal zu erzählen? Denn man vergisst es ja leicht: "Swing When You're Winning" aus dem Jahr 2001 ist bis heute Robbie Williams' meistverkauftes Album. Böse Stimmen behaupteten, nach den Millionen von jungen Fans habe er mit dem Sinatra-Schmäh einfach noch die Mütter kassiert.

Jetzt also wieder dieselbe Idee, da wäre es ein Leichtes, ihm Einfallslosigkeit vorzuwerfen. Aber um es gleich zu sagen: Nein, das neue Album "Swings Both Ways" ist ein großer Spaß. Entertainment im besten Sinne. Und das war nach allem, was Williams in den letzten Jahren so veranstaltet hat, nicht unbedingt zu erwarten.

Endlich arbeitet er wieder mit Guy Chambers zusammen, dem Mann, der für ihn die größten Hits geschrieben und ihm die besten Platten produziert hat. Diesmal haben die beiden nicht nur Big-Band-Klassiker aufgenommen, sondern auch sechs neue Songs verfasst, als Duettpartner sind unter anderem Lily Allen, Rufus Wainwright und Olly Murs dabei, der live schon als Einpeitscher für ihn auftreten durfte und sich hier mit Williams durch "I Wanna Be Like You" albert, den King-Louie-Song aus dem "Dschungelbuch".

Und tatsächlich, da sitzt jeder Ton. Die Arrangements sind nicht zu überladen, Williams' Stimme ist in Form, und die neuen Songs können mithalten mit denen seiner besten Zeiten: "Go Gentle" ist so eine Art Bacharach-Fingerübung, Schunkelrhythmus, Streicher, dazu Bläser, die weit genug zurückgenommen sind, dass Autoradiohörer nicht im Jazzschock gegen die Leitplanke fahren. Den Klassikern wie "Minnie The Moocher" oder "Puttin' On The Ritz", beide übrigens aus dem Jahr 1929 und schon sagenhaft abgenudelt, kann er nicht viel Neues hinzufügen, klar, aber er bekommt sie so anständig hin, dass niemand schamhaft wegschauen muss.

Zitat vom Zitat vom Zitat

Ein doppelbödiger Witz hingegen ist "Swing Supreme", die Swing-Version von "Supreme", seinem Hit von 2000. "Supreme" enthielt ja Teile aus Gloria Gaynours "I Will Survive", das war damals schon ziemlich frech - und ausgerechnet dieses Lied jetzt noch einmal zu verbraten, also das Zitat vom Zitat vom Zitat, das ist besonders smart. Wie auch der Titel des Albums: "Swings Both Ways" bezieht sich eigentlich auf Türen, die sich in zwei Richtungen öffnen - umgangssprachlich ist es auch ein Ausdruck für Bisexualität. Und Robbie Williams, über dessen sexuelle Ausrichtung ja immer schon Gerüchte kursierten, singt den Titelsong jetzt ausgerechnet mit dem schwulen Rufus Wainwright. So etwas nennen die Engländer mindestens "tongue in cheek", also: augenzwinkernd.

Das ganze Album ist, abgesehen von kurzen belanglosen Momenten, eine große Erleichterung. Es hätte auch eine Verzweiflungstat werden können, schließlich lief es in den letzten Jahren nicht immer rund für Williams. Seine Platten verkauften sich schlechter. Er versuchte, es allen gleichzeitig recht zu machen, und indem er auf jedes Album so viel Musikstile wie möglich packte, schien er den Blick fürs Wesentliche zu verlieren. Auch seiner Selbstironie kam immer schlechter an: Am Ende lieben die Menschen nun mal eher jene Stars, die ihnen nicht das Gefühl geben, sie würden sich heimlich kaputtlachen, sobald sie von der Bühne runter sind. Auf gewisse Weise ist der lustige Robbie also aus der Zeit gefallen. Verblüffend, wie schnell das ging.

Denkt doch, was ihr wollt

Dabei war das Lustigste an ihm immer der Spaß an der überdrehten Geste, dieses ständige Sich-Entziehen durch Gaudi. Das war schon seine Rolle bei Take That (was ja auch prompt nicht lange gut ging). Und später hat er mal, nur ein Beispiel zur Erinnerung, ein Konzert mit dem U2-Song "Beautiful Day" eröffnet, einem Lied, das damals gerade in den Charts war - das macht sonst kein Mensch, einen aktuellen Hit der Konkurrenz als erstes Lied des Abends zu Gehör zu bringen. Aber Williams, damals eher noch Robbie, traute sich. Ha, schien er zu sagen: Denkt doch, was ihr wollt, ich amüsier mich jetzt einfach. Weil ich kann.

Jetzt amüsiert er sich wieder. Endlich. Er wirft sich mit Schwung in die Big-Band-Arrangements, brummt, jault, lacht und schmettert. Gibt den Entertainer alter Schule, den falschen Romantiker, die Rampensau, den Gentleman. Und dabei gelingt ihm, was auch seine Vorbilder Frank Sinatra und Dean Martin lange vor seiner Geburt schafften: Er lässt sein Publikum glauben, er selbst hätte den Spaß seines Lebens. Ob das wirklich so ist oder nur die perfekte Inszenierung? Herrlich egal. Es funktioniert. Wie ein alter Witz, bei dem man trotz allem immer wieder lachen muss.

© SZ vom 14.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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