Streit um Suhrkamp Verlag:Endlich klare Aussichten

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Das Insolvenzverfahren für Suhrkamp könnte zur letzten Runde im Konflikt um den Traditionsverlag werden (Foto: dpa)

Das Insolvenzverfahren für Suhrkamp ist eröffnet - damit geht der siebenjährige Konflikt zwischen den Gesellschaftern wohl in die abschließende Runde. Mit einem eleganten Kunstgriff könnte der nun vorgelegte Insolvenzplan den Zwist lösen.

Von Andreas Zielcke

Es sieht so aus, als wenn nun entgegen allem Pessimismus doch noch Nägel mit Köpfen gemacht würden. Wie am Mittwoch bekannt wurde, hat das Amtsgericht Berlin am Dienstagabend das Insolvenzverfahren für Suhrkamp eröffnet. Damit geht der siebenjährige Konflikt zwischen den beiden erbittert miteinander ringenden Gesellschaftern, der Familienstiftung um Ulla Berkéwicz und der Medienholding AG um Hans Barlach, wohl in die abschließende Runde.

Da nun das vorläufige Schutzschirmverfahren, das Ende Mai eingeleitet wurde, in das Insolvenzverfahren übergegangen ist, kann konstruktiv über die Zukunft des großen Traditionshauses entschieden werden. Voraussetzung für die Eröffnung war, dass das Gericht den Tatbestand der Insolvenz bejaht. Die zuständige Richterin stützt sich dabei auf das Gutachten, das sie bei dem zum Sachwalter bestellten Rechtsanwalt Rolf Rattunde in Auftrag gegeben hatte und das zu dem Ergebnis kommt, dass Suhrkamp beide gesetzlichen Insolvenzgründe erfüllt, nämlich überschuldet, aber auch zahlungsunfähig ist.

Das bedeutet allerdings nicht, das muss man hier klarstellen, dass der als zahlungsunfähig deklarierte Verlag seine Tätigkeit einstellen müsste. Der laufende Geschäftsbetrieb sei gesichert, betont Rattunde.

Barlachs Furcht

Darüber hinaus hat die Richterin auch die Fortsetzung der Eigenverwaltung angeordnet, mit Zustimmung des Gläubigerausschusses. Da auch der Sachwalter dagegen keine Einwände erhoben hat, kann die bisherige Geschäftsführung im Amt bleiben und muss die Verlagsleitung nicht an einen Insolvenzverwalter abgeben. Die Gläubiger, deren Interesse das Insolvenzrecht in den Mittelpunkt stellt, wollen es so.

Was Barlach sicher besonders schmerzt, ist, dass auch die Zahlungsunfähigkeit gerichtlich bestätigt ist. Damit ist seine beim Landgericht Frankfurt erwirkte einstweilige Verfügung, die der Familienstiftung aufgab, ihre Gewinnforderung zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit zu stunden, leer gelaufen. Die wichtigste Option, die das Insolvenzverfahren der Stiftung einräumt, kann er nun nicht mehr vereiteln: die Verabschiedung eines Insolvenzplans. Ihn muss Barlach am meisten fürchten.

In der Tat zeigt der von Suhrkamp ebenfalls am Dienstag eingereichte Insolvenzplan, warum Barlachs Furcht begründet ist. Auf den ersten Blick lässt der Plan dies allerdings nur schwer erkennen, weil er im Kern nichts anderes vorsieht als eine Formalie - die Umwandlung der Rechtsform von Suhrkamp. Aus der Kommanditgesellschaft soll eine Aktiengesellschaft werden.

Doch die Umwandlung hat es in sich. Die Mitsprachemöglichkeit, die das Gesetz einem Minderheitsgesellschafter einer Aktiengesellschaft zugesteht, ist im Vergleich zur Kommanditgesellschaft geradezu marginal. Das gesetzliche Modell der Aktiengesellschaft orientiert sich an einer Unternehmensform, deren Miteigentümer ihren Anteil primär als Kapitalanlage verstehen. Selbst wenn die Anteile nicht an der Börse gehandelt werden, bleibt es bei der mehr oder weniger unpersönlichen, auf eine möglichst flexible Kapitalanlage ausgelegten Unternehmenskonstruktion.

Demgegenüber ähnelt eine Kommanditgesellschaft dem auf Dauer angelegten Zusammenschluss von Unternehmern, die sich gemeinsam und persönlich für den Unternehmenszweck engagieren. Diese personale Basis ist zwar bei einer GmbH und Co. KG (wie bei Suhrkamp) stark aufgelockert, aber nicht beseitigt. Der Kommanditist, der nur Minderheitsanteile besitzt, soll davor geschützt sein, von dem Mehrheitsgesellschafter völlig übergangen zu werden.

Nichtsdestoweniger hätte dieser gesetzliche Minderheitenschutz in einer KG bei Suhrkamp keineswegs zu der destruktiven Welle bösartiger und schier unlösbarer Streitigkeiten führen können, die den Verlag in den vergangenen Jahren heimgesucht haben, hätten sich die Parteien nicht 2009 (im Rahmen der Wirren und Nötigungen um die Verlagerung des Standorts nach Berlin) auf eine massive Änderung des Gesellschaftsvertrages geeinigt.

Diese Vereinbarung gesteht Barlach Einflussrechte auf die Geschäftsführung Suhrkamps zu, die weit über das gesetzliche Bild einer Kommanditgesellschaft hinausreichen und bar jeder unternehmerischen Vernunft für den Verlag sind - jedenfalls wenn sich derart unverträgliche Anteilseigner wie Berkéwicz und Barlach gegenüberstehen. Hier wurde der personale Charakter einer KG gründlich missverstanden; Barlach besitzt seither für alle bedeutenden Verlagsentscheidungen Vetorechte.

Die Pointe der geplanten Umwandlung ist nun, dass sie den fatalen Vertrag obsolet macht. Mit der Einrichtung Suhrkamps als AG erledigt sie sich von selbst. Für die Stiftung, vor allem aber für den Verlag ist es der lang ersehnte Befreiungsschlag.

Man kann die Umwandlung nachgerade als die eleganteste Lösung des Suhrkamp-Krieges bezeichnen. Nicht zufällig war sie seit Längerem abzusehen. Beide Gesellschafter bleiben die einzigen Anteilseigner des Verlags, kein ominöser weißer Ritter muss hervorgezaubert, keiner der beiden Streithähne zwangsweise hinausbefördert werden. Wie bisher bleibt die Stiftung mit 61 Prozent, Barlach mit 39 beteiligt. Keine Einseitigkeit, kein Eingriff, der unmittelbar in Barlachs Rechte eingriffe, ist vorgesehen. Die günstigen Folgen für die Konfliktlösung ergeben sich ausschließlich aus dem Aktienrecht. Obendrein bietet der Plan jedem der beiden Gesellschafter an, gegen eine Abfindung seine Aktien an die Gesellschaft oder, mit Zustimmung des Verlages, an Dritte zu veräußern.

Barlachs Suhrkamp-Perspektive ist aktienrechtlich ernüchternd: Seine Mitsprache kann er nur noch in der jährlichen Hauptversammlung der AG praktizieren. Die klaren Mehrheitsverhältnisse geben ihm aber selbst hier keine Hebel in die Hand. Abgesehen davon kann die Hauptversammlung weder in das Tagesgeschäft noch in die verlegerischen Entscheidungen der Verlagsführung hineinregieren.

Noch allerdings ist es nicht so weit, die entscheidende rechtliche Hürde ist erst noch zu nehmen. Die weitere Abfolge wird in etwa so aussehen: Zunächst prüft das Amtsgericht, ob der Insolvenzplan den formalen gesetzlichen Anforderungen genügt. Dafür sind zwei Wochen veranschlagt. Eine inhaltliche Bewertung des Plans ist nicht Aufgabe des Gerichts, sie obliegt allein den Gläubigern des Verlages.

Diese werden sich, sobald sie den Plan vor sich haben, den Kopf darüber zerbrechen, ob der Plan ihren Interessen entspricht oder nicht. Zum Schwur wird es jedoch erst im Herbst kommen, womöglich schon im Oktober. Denn erst in dem vom Gericht anzuberaumenden offiziellen Anhörungs- und vor allem in dem offiziellen Abstimmungstermin werden die Würfel fallen. Abgestimmt wird jeweils innerhalb der vom Gesetz eingeteilten Gläubigergruppen. Das sind in erster Linie Arbeitnehmer, Autoren, Kreditgläubiger - und schließlich die Gesellschafter, die ja mit ihren Gewinnauszahlungsansprüchen ebenfalls Gläubiger von Suhrkamp sind und eine eigene Gruppe bilden.

Man ahnt, dass der Plan in den ersteren Gruppen auf Gegenliebe stoßen könnte. Aber auch in der speziellen Gesellschaftergläubiger-Gruppe sieht es für Barlach nicht günstig aus - hier wird nach Anteilsprozenten abgestimmt, 61 gegen 39.

© SZ vom 08.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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