Red Hot Chili Peppers:Ganz großes kalifornisches Durchgeknalltsein

Lesezeit: 3 min

"The Getaway" ist ihr erstes Album ohne Produzent Rick Rubin - seit 25 Jahren. Klingen die Red Hot Chili Peppers noch wie die Red Hot Chili Peppers?

Albumkritik von Jan Kedves

Hat man als mittlerweile 53-jähriger, sämtliche Gifte und Genüsse zur Genüge ausgekostet habender, immer noch sehr drahtiger und blendend aussehender Ex-Junkie-Popstar noch so richtig Spaß? Scheinbar ja. Wer es nicht glaubt, sollte die Folge von James Cordens "Carpool Karaoke" anklicken, in der vor wenigen Tagen die kalifornische Rockband Red Hot Chili Peppers zu Gast war. Die Youtube-Serie ist ja ohnehin meist sehr lustig. Popstars wie Adele oder Mariah Carey lassen sich hier von dem britischen Showmaster in einem SUV durch Los Angeles kutschieren und singen dabei auf kleinem Raum ihre größten Hits, nur mit dem Schminkspiegel als Publikum quasi. Was sollte man im Auto in Los Angeles auch sonst tun?

Die Folge mit den Red Hot Chili Peppers war nun jedenfalls besonders lustig. Denn Anthony Kiedis (53, auf dem Beifahrersitz) und sein bester Kumpel, der Bassist Michael "Flea" Balzary (53, auf der Rückbank) sangen nicht nur ihren unverwechselbar störrischen Rock-Sex-Funk ("Give it away, give it away now!"), sondern zogen auch ihre T-Shirts aus und erzählten tolle Rock-'n'Roll-Geschichten.

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Etwa die, wie sich bei einem Festivalkonzert der Band in Europa vor der Bühne einmal zwei gehbehinderte Fans mit ihren Beinprothesen prügelten ("der eine mit Schuh, der andere ohne"). Oder wie Kiedis als Kind einige Male von Cher (ja, der Cher) gebabysittet wurde. Kiedis' drogensüchtiger Vater war tatsächlich mit Sonny Bono, Chers 1998 verstorbenem Ex-Mann, befreundet - und der war dann eben Kiedis' Patenonkel. Weswegen Anthony durchs Schlüsselloch beobachten konnte, wie Cher im Badezimmer ihre Negligés wechselte. Sein sexuelles Erweckungserlebnis. Mit zwölf!

Kein klassischer Flow, eher ein Umeinander- und Miteinander-Herumpicken

Der Anlass für den Besuch bei "Carpool Karaoke" war nun allerdings die Veröffentlichung eines neuen Albums: "The Getaway". Das elfte Werk der Red Hot Chili Peppers, nach 80 Millionen verkauften Alben. 13 neue Rock-Sex-Funk-Songs beziehungsweise Sex-Funk-Rock-Balladen. Mit der Besonderheit, dass "The Getaway" das erste Album seit 25 Jahren ist - sprich: seit dem Durchbruch mit "Blood Sugar Sex Magik" -, das nicht vom genialischen Rick Rubin produziert wurde. Was eben sofort zu der Frage führt: Klingen die Red Hot Chili Peppers auch ohne Rubin wie die Red Hot Chili Peppers?

Oh ja, tun sie. Der neue Produzent, Brian Burton alias Danger Mouse, hat akribisch darauf geachtet, den Stakkato-Funk, dieses Störrisch-Synkopische, das sich immer einstellt, wenn Flea und Anthony Kiedis die hochtourigen Metabolismen ihrer zackigen Körper kurzschließen, unangetastet zu lassen. Es ergibt sich kein klassischer Flow, eher ein Umeinander- und Miteinander-Herumpicken - aber genau das macht ja die Magie ihrer Musik aus.

Danger Mouse addiert dazu nur hier und da ein paar Synthesizer-Spuren, ohne dass das Ergebnis allzu abgerundet oder angedickt klänge. Bisweilen, etwa bei "Go Robot", erinnern die Red Hot Chili Peppers damit an eine gute Discoband - was für manche Fans ein Frevel sein mag. Dabei ist es nur logisch. Die Hälfte der Zeit rappt Anthony Kiedis ja ohnehin in seiner ganz eigenen Version von Rap, und die ersten Rapper entwickelten ihre Kunst in den Siebzigern eben zu Disco-Platten. Im 33. Jahr ihres Bestehens blicken die Red Hot Chili Peppers also in eine Zeit vor ihrer eigenen Gründung zurück und klingen dabei so frisch wie lange nicht mehr.

Auch sonst scheint die Band in guter Form zu sein. Gerade zum Abschluss des Albums. Da handelt "Dreams Of A Samurai" noch einmal vom ganz großen kalifornischen Durchgeknalltsein: Nackt und verwirrt in der Küche einer bildhübschen Frau stehen, die natürlich viel zu jung ist, um sie zu heiraten. Auf einem Friedhof LSD einwerfen. Rockstar-Sachen eben - lustig, dysfunktional, gruslig, großartig. Der Song kippt zwischendurch einige Male in einen Fünf-Viertel-Takt. So als ließe sich der Wahnsinn der Red Hot Chili Peppers eben nicht mehr in die herkömmlichen vier Viertel packen. Ein Extraschlag pro Takt für das wilde Leben! Der Taumel, der den Hörer dabei packt, ist gar nicht mal unangenehm.

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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