Pop:Im Grünen mit Herrn Wilhelm

Lesezeit: 2 min

Die Songwriterin Hanna Sikasa liebt ihr Wurlitzer-Piano so sehr, dass sie ihm einen Namen gibt und mit ihm im Freien musiziert. Im Import-Export stellt sie ihr neues Soloprojekt vor

Von Martin Pfnür

Das altehrwürdige elektronische Wurlitzer-Piano - nicht zu verwechseln mit der ebenso altehrwürdigen Juke-Box gleichen Namens und Herstellers - gehört zu jener Sorte von Instrumenten, um die sich Musiker und Sammler heute regelrecht zu reißen pflegen. Zu tun hat das vor allem auch damit, dass das gute Stück, mit dem insbesondere in den Sechziger- und Siebzigerjahren zahlreiche wundervolle Songs (unbedingt mal wieder hören: Marvin Gayes "I Heard It Through The Grapevine") eingespielt wurden, bereits seit 1984 nicht mehr hergestellt wird. Entsprechend wundert es auch nicht, dass die hochbegabte Songwriterin Hanna Sikasa eine geradezu zärtliche Beziehung zu ihrem Wurlitzer pflegt. "Ich nenne ihn liebevoll Herr Wilhelm", sagt die in Nürnberg wohnhafte Musikerin, die darum weiß, "dass man einem alten Herrn seine Eigenheiten nicht mehr abgewöhnt, und er eben auch hin und wieder mal verarztet werden muss."

Wie innig und stimmig sich diese Beziehung trotz mancher Malaise des alten Herrn ausnimmt, lässt sich besonders anschaulich in den beiden Videos zu den Songs "Two" und "Bird" nachverfolgen. In der fränkischen Pampa, irgendwo zwischen Feldern, Wäldern und einer schmalen Landstraße sitzen respektive stehen Hanna Sikasa und Herr Wilhelm dort auf einer Wiese und lassen eine Musik erklingen, in deren Minimalismus eine Tiefe und Zärtlichkeit liegen, die staunen machen. Honigsüß und warm lässt Sikasa den warmen, vibrafonartigen Sound aus dem alten Instrument tröpfeln, um dazu eine Stimme erklingen zu lassen, die sich in wunderbar vollem, weichem Timbre über die Töne legt.

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Drei Jahre ist es her, dass die gebürtige Augsburgerin mit deutsch-schweizerisch-kenianischen Wurzeln ihr Jazzgesangsstudium an der Musikhochschule Nürnberg abgeschlossen hat. Die Freundschaften, die sie dort knüpfte, fließen heute in mehreren Projekten zusammen, die nicht nur in ihrer Vielzahl beeindrucken: Da ist etwa das (gerade pausierende) Singer-Songwriter-Duo "Luftlinie 391", das sie zusammen mit der Gitarristin Melissa Muther betreibt; da ist die dezent im Jazz verwurzelte Musik von Club Flor De Maio, wo sie den Kontrabass bedient und ihre Stimme aufs Schönste mit jener der Sängerin und Pianistin Nadja Lea Letzgus verflicht; da ist ein Kinderkonzertprojekt wie "Klang Tarassa Bumm", mit dem sie "interaktive Jazz-Theaterstücke" für Grundschulkinder aufführt; und da ist nicht zuletzt eben auch ihr eigenes Soloprojekt, das sie in Vollbesetzung mit sieben befreundeten Musikern (zu hören sind Schlagzeug, Kontrabass, Cello, Trompete/Flügelhorn sowie ein dreiköpfiger Background-Chor) auf die Bühne bringt. Im Zusammenklang, nachzuhören auf Hanna Sikasas Soundcloud-Seite und 2017 wohl erstmals auch in Form eines Albums, ergibt das einen hinreißend nuancierten und souligen, vielstimmigen und fein wattierten Sound, der natürlich ungleich voller ausfällt als jener, den sie einst im Grünen einspielte. Herrn Wilhelm wird's indes nicht weiter stören - er bleibt auch hier weiterhin im Mittelpunkt.

Hanna Sikasa, Donnerstag, 20. Oktober, 20.30 Uhr, Import-Export, Dachauer Str. 114

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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