Oper:Götterdämmerung

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(Foto: Wilfried Hösl)

Kirill Petrenko verlässt München erst in zwei Jahren. Aber viele fangen schon jetzt an, um ihn zu trauern. Weil er diesen Wagner einfach so großartig dirigiert.

Von Reinhard J. Brembeck 

Nur noch eineinhalb Spielzeiten wird der Dirigent Kirill Petrenko ausschließlich den Münchnern und der Bayerischen Nationaloper als Musikchef gehören, ab 2019 müssen sie ihn sich bereits mit den Berliner Philharmonikern teilen, bevor er dann 2020 endgültig die Bayern verlässt. Also umflort schon jetzt jeden seiner Auftritte die Trauer der Vollendung. Wie nun auch die "Götterdämmerung", das Finalstück aus Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen". Hier stimmt wie selten in der Oper alles zusammen. Die sechs Jahre alte Inszenierung von Andreas Kriegenburg ist spöttisch genau, die grandiosen Sänger gehen damit und mit ihren Rollen vollkommen d'accord, und Petrenko liefert mit seinem Staatsorchester einen spannend erzählenden Soundtrack, in dem sich Genauigkeit, Klangfarbenfülle, Leidenschaft und Detailreichtum mit einer für diesen Dirigenten neuen Gelassenheit zusammenfinden. Das alles geht aber weit übers handwerklich Brillante hinaus. Petrenko liefert eine stimmig eigene Neudeutung des Stücks. Es geht ihm in keinem Moment um die allzu klischeehafte Kapitalismuskritik oder den in kindliche Fantasy-Welten gehörenden Welterklärungsversuch. Petrenko bietet die "Götterdämmerung" als eine ganz große Liebestragödie, die "Tristan und Isolde" nicht nur kompositorisch, sondern auch von der Gewalt der Gefühle und des Scheiterns in den Schatten stellt. Die als indisponiert angesagte und dann doch streng und ernst weit über sich hinauswachsende Nina Stemme als Brünnhilde (erinnert sie nicht an die Medea der Callas?) und der unbedarft in seiner Kindlichkeit befangene Stefan Vinke als Siegfried beglaubigen Petrenkos Vision des Stücks aufs Allerschönste. Das sind zwei Liebende, die erst im gegenseitigen Verrat und im Tod erfahren, was sie einander eigentlich waren und was sie sich hätten sein können, wenn sie nicht so schrecklich verblendet gewesen wären. Also drischt Petrenko die Akkordschläge der Trauermusik auf Siegfried mit griechisch tragischer Wucht in den Raum - um gleich danach zarte Klangvisionen dessen zu konstruieren, was diese Liebe im Kern ausmacht. Das ist zum Niederknien und Heulen schön. An solche Abende wird man sich selig noch in Jahrzehnten erinnern.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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