Nationalhymnen der WM-Teilnehmer:"Oh Feind, bist du aus Fels"

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Die brasilianischen Spieler Marcelo (links), David Luiz (Mitte) und Julio Cesar beim Singen der Nationalhymne vor dem Eröffnungsspiel Brasilien gegen Kroatien. (Foto: Getty Images)

Fußball ist keine Kulturveranstaltung, sondern ein Ersatzkrieg mit Ausscheidungskämpfen und Blutgrätschen. Dass manche Nationalhymnen ausgesprochen martialisch klingen, passt dabei hervorragend zum theoretisch friedlichen Fußballfest.

Von Helmut Mauró

So eine Weltmeisterschaft ist für viele Menschen ein Fest für die Sinne, eine Feier der Farben, Sprachen und Gebräuche. Dazu gehören die exotischen Klänge, die das Stadion füllen, wenn vor Spielbeginn die Nationalhymnen ertönen. Ihre Rhythmen animieren nicht nur die Sportler, sondern viele Tausend Zuschauer, ihr Land singend zu verteidigen - und pflegen damit eine milde Fortsetzung der militärisch geprägten Musiktradition, in der die meisten Hymnen stehen. Aus Schlachtenliedern wurde oft jene repräsentative Musik, mit der die jungen Nationalstaaten ein Stück ihrer Identität konstruierten.

Deshalb sind viele Nationalhymnen keinesfalls typisch für die landeseigene Musikkultur. Bei denen der 32 Teams, die an der WM in Brasilien teilnehmen, ist das nicht anders. Wer etwa erwartet, dass die Nationalhymne von Ghana, Gruppengegner Deutschlands, die heiße Polyrhythmik der afrikanischen Savanne widerspiegelt, der wird enttäuscht werden. Komponist Gbeho hat bei den europäischen Kolonialherren gelernt, wie man einen sauberen vierstimmigen Satz schreibt und ihn mit Trompeten und Tuba verschönert. So klingt die Ghana-Hymne heute wie ein Verdi-Triumphmarsch.

Kirchenchoräle und Militärmusik

Andere afrikanische Hymnen erinnern an die britischen Besatzer, wurden aus Kirchenchorälen und Militärmusik zusammengestückelt. Unter rein künstlerischen Gesichtspunkten können wenige Länder auf ihre Hymnen stolz sein. Die Österreicher könnten es, deren Hymne hat Mozart komponiert, aber sie sind nicht bei der WM. Auch die Deutschen könnten sich über ihre aus einem Streichquartett von Joseph Haydn herausgeschnittene Hymnenmelodie freuen, wenn sie auf dilettantische Arrangements verzichteten und einfach den originalen Satz spielen würden.

Schwierig wird es bei den Texten. Die martialischste Lyrik kommt aus den zivilisiertesten Ländern, aus Frankreich zum Beispiel. "Hört ihr im Land das Brüllen der grausamen Krieger? Sie kommen bis in eure Arme, eure Söhne, eure Gefährtinnen zu erwürgen." Das unreine Blut, heißt es weiter, tränke unserer Äcker Furchen. Die strahlend muntere Musik stemmt sich mutig gegen die düstere Drohung, sie scheint die jungen Krieger und alle, die sich dafür halten, geradewegs ins Bierzelt begleiten zu wollen, so beschwingt und grölaffin rumpelt sie daher.

Fußball-WM 2014 in Brasilien
:Die Nationalhymnen der 32 WM-Teilnehmer

"The Star-Spangled Banner" oder die "Marseillaise" sind auch in Deutschland bekannt - doch wie sieht es zum Beispiel mit der Nationalhymne der Schweiz aus? Ein Überblick über die Hymnen der WM-Länder. .

Wie kultiviert klingt dagegen der orientalisch federnde Gesang der Iraner mit ihrem phrygisch angehauchten Melos, nah verwandt mit Klezmer und Sinti-Musik: "Dein Boden ist die Quelle der Künste. Oh Feind, bist du aus Fels, bin ich aus Eisen." In einer deutschen Nachdichtung klingt das schon kriegerischer: " . . . bist du aus Felsgestein, bin ich ein eisern Schwert!"

Fußball ist schließlich keine Kulturveranstaltung, soll das wohl heißen. Sondern ein karnevalesker Ersatzkrieg mit Ausscheidungskämpfen und Blutgrätschen. Die Schweizer liefern in ihrem Hymnentext die passende Antwort: "Wenn der Alpenfirn sich rötet, betet, freie Schweizer, betet!" Der Chorsatz klingt wie aus der Feder des sanften Franz Schubert. Kaum staatstragend, und geradezu deeskalierend.

© SZ vom 13.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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