München:Volle Kraft

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Die Amerikanerin Divinity Roxx im Bayerischen Hof Nightclub

Von Oliver Hochkeppel, München

Aller Globalisierung zum Trotz, die auch in der Musik Stile und Genres zusammenführt und sich durchdringen lässt, gibt es eine binnenkulturelle Komponente, die sich nur kombinieren, nicht ersetzen lässt. Im Hip-Hop sagt man dazu gerne "street credibility". Was das konkret bedeutet, konnte man nun bei Divinity Roxx im Nightclub des Bayerischen Hofs in Augenschein nehmen. Die junge Amerikanerin hat es dank der Musik von ganz unten nach fast ganz oben geschafft: Aus dem Schwarzen-Ghetto von Atlanta über die Bands von Patti Labelle, Kelly Rowland, Bela Fleck und vor allem Victor Wooten bis zu Beyoncé Knowles, bei der sie fünf Jahre lang nicht nur Bassistin, sondern auch musikalische Direktorin war.

Jetzt fehlt Roxx nur noch der letzte Schritt - auch unter eigenem Namen Erfolg zu haben. Sie hat, das war im Nightclub schnell klar, über ihre Sidewoman-Referenzen hinaus so einiges zu bieten. Nicht nur das vom kantablen Single-Note-Solo bis zum funkigen Slapping äußerst versierte E-Bass-Spiel und das flinke Hip-Hop-Mundwerk, sondern dessen Kombination: Über versetzte Bass-Lines zu rappen, ist gewissermaßen ihre Erfindung, die sie im Bayerischen Hof etwa mit "Get Here" oder beim Jaco-Pastorius-Cover "Teen Town" mitreißend vorführt. Wie gerne sie ihre musikalischen Wurzeln pflegt, zeigten auch die rasante Version des Leadbelly-Songs "Black Betty" und das in einen eigenen Song importierte "Rappers Delight" der alten Sugar Hill Gang. Zudem hat Roxx einen Sinn für lyrische Passagen und kann entsprechend singen. Eine Hymne wie "We Are" könnte man sich auch als Beyoncé-Vehikel vorstellen und ist in den USA ein Hit.

All das wäre noch keine Sensation, was das Ganze aber besonders macht, ist die Authentizität, die Kraft und die Unbedingtheit, mit der Divinity Roxx ihr Programm einer schwarzen Hip-Hip-Rockband durchzieht - viele dieser Rockformationen gab und gibt es bekanntlich nicht. Die drastischen Texte, die sie rappt, sind aus dem wahren Leben gespeist. Und die 110 Prozent, die sie angesichts einer wirklich enttäuschenden Besucherzahl auf der Bühne gibt, entspringen dem Ehrgeiz einer Aufsteigerin. In dieser Kombination ist das durch nichts zu ersetzen.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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