Kurzkritik:Göttlich

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Der Pianist Menahem Pressler im Prinzregententheater

Von Klaus P. Richter, München

Mozart war kaum 30, als er das A-Dur-Konzert, KV 488, schrieb. Wenn der 93-jährige Menahem Pressler jetzt das Podium im Prinzregententheater betritt und zum Steinway geführt wird, dann verwandelt sich die physische Zerbrechlichkeit des Alters schon nach dem ersten Takt in die zeitlose Epiphanie des Genius. Denn Presslers junggebliebener Geist verkehrt mit dem jungen Genie alterslos auf einer Augenhöhe, wie es nur große Musik möglich macht. Er neigt schon im Allegro eher zum Lento, bringt aber Mozarts sanguinischen Tonfall zu innerem Leuchten. Er lotet die Kadenz des ersten Satzes mit Bedacht aus und achtet sorgfältig auf die diffizilen Basseintritte. Und: Er trifft, mit sparsamstem Pedaleinsatz, jenen singenden Mozart-Ton, der nicht nur gekonnte Legatokunst und vordergründig-perlende Brillanz ist, sondern jene Verklärung stiftet, die sogar ausgefuchste Theologen mit dem lieben Gott in Verbindung bringen.

Am bewegendsten offenbart sich beider Genius im abgründigen fis-Moll-Adagio. Es ist eine seltene Tonart bei Mozart und erinnert in ihrem ergreifenden Kontrast an jenen Brief, in dem er schreibt, dass er nie zu Bett gehe, ohne daran zu denken, dass er nicht mehr aufwachen könnte. Pressler vereint Abgründigkeit und Andacht zur Metaphysik - und bleibt dabei: mit der poetischen Arabeske von Debussy und dem posthumen cis-Moll Nocturne von Chopin als unverhofften Zugaben.

Das Zürcher Kammerorchester unter seinem Konzertmeister Daniel Hope liest Pressler jede Nuance von seinem Steinway ab. Neigt es zu Beginn, da unter Willi Zimmermann, in Haydns Sinfonie Nr. 59 zu einem Energico mit zugespitztem Anti-vibrato-Klang, so mildert sich die Diktion bei Tschaikowskys Streicherserenade C-Dur zu mehr Fülle. Immer aber spürt man in diesem unvergesslichen Konzert einen inneren Esprit, wie man ihn selten bei Ensembles erlebt.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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