Konzert:Ein guter Junge

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Gleich angelt sich Robbie Williams eine Schöne aus dem Publikum heraus, der er für ein Duett eine Koboldmaske aufsetzt. Ein Spiel mit den Rollen, das er über die Jahre gelernt hat. (Foto: Stefan M. Prager)

Der einstige Frauenprotz Robbie Williams wird im Olympiastadion zum braven Buben im Herrenrock

Von Ralf Dombrowski

Als es dann zu "Something Stupid" kam, angelte sich Robbie Williams eine Belle aus dem Publikum, raunte "You need help!" ins Mikrofon und ließ ihr eine Art Splitting-Image-Maske aufsetzen, die den Kopf in einen Knollenkobold verwandelte. Da saßen sie dann auf der Bühne, das bizarre Pärchen im Duett, und während der Star seine Verse schmachtend sang, krächzte der Damenpart aus der Haube, als würde Gringott persönlich zum Ständchen antreten. Das ist Ironie natürlich, ein Spiel mit den Rollen, in die Robbie Williams im Laufe der Jahre zu schlüpfen gelernt hat. Der Schöne und das Biest, für den seine einstige Versuchung inzwischen zum grotesken Gruselmoment geworden ist. Der Familienvater, der an Fremdflirten am besten gar nicht mehr denken sollte, würde ihn doch die Regenbogenpresse und wahrscheinlich auch die Chefin dafür in der Luft zerreißen. So wird der einstige Frauenprotz im Olympiastadions zum braven Buben im Herrenrock, der sich nur gelegentlich noch einen Scherz auf Kosten anderer erlaubt. Die Lady aus dem Publikum jedenfalls wird am Ende der Einlage mit einem Starselfie belohnt, das sie noch ihren Enkeln zeigen kann, bejubelt von der Menge, obwohl sie sich eigentlich zur Äffin hat machen lassen. Auch das ist eben Entertainment, überzogene Gesten, die in der Inszenierung im XXL-Format einen Unterhaltungscharme entfalten, der das große Publikum bezirzt.

Robbie Williams kann das. Der ganze Abend ist ein Wechselspiel zwischen Selbstdarstellung und Verankerung in der Historie des Entertainment-Business. Immer wieder greift er auf Zitate zurück, lässt sich als Einleitung unmittelbar vor dem Showstart mit Michael Jackson und Eminem vom Band rahmen und wirft dann Sprüche an die Reflektorenwand wie etwa: "Gott segne unseren Robbie! Eines Tages wird er geadelt werden und dann ist seine Arbeit getan!" Er stoppt nach einigen Songs die rund laufende Musikmaschine im Hintergrund, um unbegleitet Melodien von den Bee Gees bis Yazoo im Stadionchor anzustimmen, auch das eine Geste der Selbstvergewisserung im Angesicht der Welthits. Gleich mehrfach mit Bedeutung aufgeladen ist sein "Minnie The Moocher", Cab Calloways Scat-Hymne auf den Drogenrausch, die spätestens seit den "Blues Brothers" zum Hipsterrepertoire gehört. Den Gipfel der Bestätigung bildet gegen Ende der knapp zweistündigen Show das Sofa auf dem Laufsteg, auf dem Williams sich zusammen mit seinem ebenfalls singenden, nur weit weniger erfolgreichen Vater niederlässt, um mit ihm zusammen Neil Diamonds "Sweet Caroline" anzustimmen, einen dieser Welthits, der auch gerne in amerikanischen Sportarenen gespielt wird, wenn Pathos gefragt ist. Fast schon übertrieben ironisch ist schließlich der Kniefall vor dem Publikum, als mit "Angels" das eigentliche Programm im Rausch der Gefühle, dem LED-Lämpchen-Meer und ein paar gut getimten Feuerwerksraketen endet. Was dann noch kommt, kann eigentlich nur "My Way" sein, die Erkennungsmelodie Frank Sinatras, des ultimativen Entertainers der Showbizgeschichte. Und das heißt auch: Robbie Williams, der schon lange keinen echten Hit mehr in den Paraden hatte und mit bald Mitte Vierzig ein wenig pausbäckiger, hausmaskuliner geworden ist, singt bereits gegen das Vergessen an. "He'll stand proud and fearless", steht auf der Leinwand, "his face forever young. God bless our Robbie, he is so well hung!" Ein guter Junge, der bei allem Erfolg Franks Liga wohl nie erreichen wird.

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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