Komiker Kurt Krömer am Hindukusch:Afghanistan all-inclusive

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Zweimal ist Kurt Krömer nach Afghanistan gereist. Im Kriegsgebiet macht er sich auf die Suche nach Normalität. (Foto: Kiepenheuer & Witsch)

In seinem Buch "Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will" berichtet der Komiker Kurt Krömer von seinen Reisen ins Kriegsgebiet Afghanistan. Zum Glück ist das Ganze nicht lustig.

Von Johannes Spengler

Was macht ein Komiker im Kriegsgebiet? Diese Frage muss Kurt Krömer, gebürtig Alexander Bojcan, durch den Kopf gegangen sein, als er mit Helm und Splitterschutzweste aus dem Innenraum einer Transall in die Hitze Afghanistans trat. Zweimal hat er Afghanistan besucht. Einmal, um als Stargast der Bundeswehr bei den deutschen Isaf-Truppen aufzutreten. Und einmal, um "den zivilen Teil Afghanistans" zu erleben, "um den Menschen zu begegnen, die diesen Krieg nun seit mehr als dreißig Jahren durchleben müssen".

Über seine Erlebnisse hat Kurt Krömer - zusammen mit dem Ko-Autor Tankred Lerch - einen Reisebericht geschrieben. Dass es kaum einen Ort gibt, der mit mehr Befindlichkeiten belastet ist als Afghanistan, ist den beiden zum Glück bewusst. "Uns ist beiden vor der Reise klar gewesen, dass wir nicht nach Afghanistan fliegen würden, um bei den Isaf-Truppen Witze mit Schlagwörtern wie Bombenstimmung oder jeder Gag ein Knaller zu machen."

Auch der anderen großen Gefahr entgeht Krömer: Er will kein Weltverbesserer sein, keine Madonna im Krisengebiet. Genug Kollegen aus dem Showgeschäft haben sich in letzter Zeit damit hervorgetan, als Schauspieler in der Weltpolitik mitmischen zu wollen, zuletzt Tatort-Darsteller Jan Josef Liefers. Krömer weiß, dass er selbst nicht die nötige Einsicht hat, um sich einen Überblick über die komplizierte Lage in Afghanistan zu verschaffen. Für so viel Feingefühl gebührt ihm ein Lob.

Das Gefängnis der eigenen Perspektive

Stattdessen ist der Grimme-Preisträger neugierig auf den Alltag in Afghanistan. Stellvertretend für den deutschen Durchschnittsbürger besucht er die Festungsstädte der Isaf-Truppen und die Millionenmetropole Kabul, um den Daheimgebliebenen davon zu berichten. Es gehe ihm darum, durch seine Beobachtung das vorherrschende Bild von Afghanistan zu verändern, schreibt er. Terror und Gewalt sind in Afghanistan zwar alltäglich, aber irgendwo muss es doch auch so etwas wie Normalität geben?

Doch die Reise wird für Krömer zur nervenaufreibenden Grenzerfahrung. Wer den Komiker aus seiner Late Night Show kennt, muss unweigerlich darüber staunen, welche Kehrtwende er vollzieht. Aus dem Fernsehanarchisten mit Berliner Kodderschnauze wird ein stiller Beobachter.

Der Neuköllner Komiker auf einem Markt in Kabul. Es gehe ihm darum, das Bild von Afghanistan zu verändern, schreibt er. Schließlich sind nicht alle Afghanen Terroristen. (Foto: Kiepenheuer & Witsch)

Seine Komik aus Krömer - Late Night besteht darin, den Gästen über den Mund zu fahren und Peinlichkeiten durch betont naive Fragen offenzulegen. In Afghanistan funktioniert dieses Konzept nicht. Stattdessen ist es die harte Kriegsrealität, die Kurt Krömer über den Mund fährt. Angesichts der Umstände bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als in die Innenschau zu flüchten. Schritt für Schritt legt er die Klamotten seiner Kunstfigur ab und wird wieder zu Alexander Bojcan, dem 38-jährigen Kriegsdienstverweigerer, der hier irgendwie fehl am Platz ist.

Aus der Innenschau kommt Krömer für den Rest seines Berichts nicht mehr heraus. Penibel kommentiert er jeden seiner Schritte, schließlich wird die Perspektive zum Gefängnis. Aufgelockert wird Krömers Berichterstattung lediglich durch die hin und wieder eingestreuten Ausschnitte der Reportage " Zum Schießen" des Zeit-Journalisten Peter Kümmel, der Krömer auf seiner ersten Reise begleitet hat.

Kümmel ist das nötige Korrektiv, er beobachtet Krömer von außen, er ordnet ein und stellt die wichtigsten Zusammenhänge her. Was Krömer nicht sieht, trägt der Journalist nach. Leider gilt das nur für die erste Hälfte des Buches, denn bei der zweiten Afghanistan-Reise war Kümmel nicht dabei.

Zwischenstopp in einem Restaurant auf der Fahrt von Bagram nach Kabul. Der Kebab schmeckt gut, den Reis isst er mit der Hand. (Foto: Kiepenheuer & Witsch)

Auf der Suche nach Normalität

Hin und wieder schafft Krömer es trotzdem, interessante Details zutage zu fördern: Dass der afghanische Präsident Karsai Kunstrasen auf dem Boden seiner Limousine hat, zum Beispiel. Dass ausgerechnet Alarm für Cobra 11 im afghanischen Fernsehen läuft. Oder die Geschichte von Farhad Darya, dem größten Popstar des Landes, der auch bei den Taliban sehr beliebt ist. Prompt erscheinen sie mit Kalaschnikows zum Konzert. Nicht um zu schießen. Sondern um zu tanzen.

Doch die Normalität, von der Krömer berichten möchte, ist nirgends zu spüren. Auch nicht, wenn er bei einer afghanischen Familie isst, die sich dann als "extrem liberal" herausstellt und darin - wie er selbst eingesteht - eine "absolute Seltenheit ist". So zeichnet man zwar ein Bild von Afghanistan, dass für den Deutschen verträglich ist, der Realität entspricht es aber nicht. Letztlich ist alles, was Krömer in Afghanistan antrifft, inszenierte Normalität.

Hinzu kommt, dass er zu selten nachhakt. Wie ist das wirklich mit den Homosexuellen und der Bundeswehr und warum genau ist der pakistanische Geheimdienst ISI für die Lage in Afghanistan verantwortlich? Irgendwann gelangt Krömer zu der Selbsterkenntnis: "Was mache ich hier eigentlich?" Und weiter: "Keiner hat mir hierfür einen Auftrag erteilt, ich bin Komiker und kein Journalist. Kein Sender wartet zu Hause auf meine Doku."

Krömer zusammen dem Vorsitzenden der "Nationalen Kommission für Frieden in Afghanistan", Sibghatullah Modschaddedi. Krömer hat seine Audienz direkt nach dem amerikanischen Botschafter. (Foto: Kiepenheuer & Witsch)

Am Ende des Buches fehlt diese Antwort noch immer. Der Leser fragt sich: Was macht ein Komiker im Kriegsgebiet? Kurt Krömer schafft es in seinem Reisebericht, die offensichtlichsten Klippen zu umschiffen. Im besten Fall ist sein Buch mutig - im schlimmsten verliert es sich in der Aufzählung unnötiger Details. Mit "Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will" hat sich Kurt Krömer zwischen die Stühle gesetzt: Witzig kann er hier nicht sein, für einen Reisebericht reicht es aber ebenso wenig.

Kurt Krömer, Tankred Lerch: "Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will, Zu Besuch in Afghanistan", Kiepenheuer & Witsch, Erscheinungsdatum: 20.06.2013.

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