"The Comedian" im Kino:Was ist nur mit dem großen Robert De Niro los?

Lesezeit: 3 min

Robert De Niro spielt einen Stand-up-Komiker, der es schafft, kein einziges Mal witzig zu sein. Sehr zum Schaden seines Films "The Comedian". (Foto: Alison Cohen Rosa)

Seit Jahren dreht der Schauspieler einen Flop nach dem anderen. Besonders seine Komödien misslingen. Ein Erklärungsversuch zum Film "The Comedian".

Von Tobias Kniebe

Um zu verstehen, was dieser Tage mit dem großen Robert De Niro los ist, muss man ein wenig in der Filmgeschichte zurückgehen. Bis hin zu einer Schlüsselszene vom Ende der Siebzigerjahre, überliefert vom Produzenten Steven Bach. Sie könnte eine dieser hübschen Erfindungen sein, die Hollywood liebt - aber Martin Scorsese, der dabei war, hat die Sache in einem SZ-Interview vor vier Jahren ausdrücklich bestätigt.

De Niro war damals die treibende Kraft bei der Idee, das Leben des Boxers Jake LaMotta in einen Film zu verwandeln. Was bei allen Geldgebern erst einmal Fassungslosigkeit hervorrief: Was, dieser Clubschläger, dieses Eifersuchtsmonster mit Hang zu Minderjährigen, dieser Mafia-Lakai und Knastbruder? Ein Studiochef nannte die Figur eine "Kakerlake". Woraufhin De Niro, der sonst höchst selten den Mund aufmacht, nur sagte: "He is not a cockroach." Sprach's, flog mit Scorsese auf die Insel St. Martin und kam mit einem finalen Script zurück, aus dem dann der Klassiker "Raging Bull" wurde.

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Ist das, Hand aufs Herz, nicht der Kern aller großen Robert-De-Niro-Auftritte? Dass er Menschlichkeit dort sieht, wo sie sonst niemand mehr wahrnimmt - in Halbverrückten, Besessenen, Außenseitern und Kakerlaken? Dass er ihre Not und Ausweglosigkeit versteht und so überzeugend auf die Leinwand bringen kann, dass man diesen Figuren folgt wie in "Mean Streets", "Taxi Driver", "Deer Hunter"? Die Liste ist lang.

Demnach besteht das Wesen von De Niros Kunst im Grunde darin, Kakerlaken aller Art in die Seele zu schauen, was eine aufreibende und mühsame und nie endende Arbeit ist, eine Schlacht, die jedes Mal wieder bergauf gekämpft werden muss. Zugleich aber ist es der Kern seiner Legende.

Irgendwann dachte er sich dann vielleicht, das müsse auch einfacher gehen. Und kam auf die Idee, die Sache umzudrehen. Seither spielt er gern Typen, die man eigentlich mögen muss, die gleichzeitig aber der Legende Tribut zollen und noch ein bisschen so tun, als hätten sie das Zeug zum Bastard. Nennen wir sie Pseudo-Kakerlaken.

Im Grunde gäbe es gegen diese Vorspiegelung falscher Tatsachen nichts zu sagen. Man nennt es Schauspielerei. Bei De Niro aber weiß man halt, was sonst noch möglich wäre. Nach dem ersten Man-kann-ihn-ja-einfach-mal-mögen-Hochgefühl - sein bärbeißiger Schwiegervater und CIA-Rentner in "Meine Braut, ihr Vater und ich" wurde seine beim Publikum bisher erfolgreichste Figur - will das seit ein paar Jahren auch kaum jemand mehr sehen. Viele De-Niro-Filme der letzten Zeit waren böse Flops, selbst solche mit hochkarätigen Sparringspartnern und anerkannten Regisseuren.

Sein neuestes Werk heißt "The Comedian" und fällt genau in diese Kategorie. Die Grundidee stammt vom "Fight Club"-Produzenten Art Linson, Taylor Hackford führt Regie, auch keiner der ganz Schlechten. Und auf der Besetzungsliste stehen Harvey Keitel, ein Weggefährte seit "Mean Streets"-Tagen, Danny DeVito als gestresster Bruder, Billy Crystal und Cloris Leachman haben Kurzauftritte, und die Leading Lady ist Leslie Mann, die vor allem in den Filmen ihres Mannes Judd Apatow neurotischen Komikern liebevoll zeigt, wo es langgeht.

Es scheint so, als würde De Niro die Rituale der modernen Comedy einfach nicht verstehen

Was kann da schiefgehen? Kurz gesagt, alles. Denn natürlich ist De Niros Figur schon wieder eine seiner Pseudo-Kakerlaken. Ein "böser" und "abgehalfterter" alter Stand-up-Komiker, der in Wahrheit aber, das wird uns mit tausend Zaunpfählen zugewinkt, noch topfit und saukomisch ist, das Herz auf dem absolut rechten Fleck hat und einfach auf seinem Recht beharrt, sein Publikum mit zotigen Sexwitzen zu konfrontieren. Wenn er mal wirklich das Maul aufreißt oder jemandem eine reinhaut, suggeriert der Film, hat er recht - man muss sich gegen Arschlöcher und die Zumutungen der modernen Welt ja wohl zur Wehr setzen dürfen.

Wie aber wirkt ein Beleidigungskomiker, der nie an sich selbst zweifelt? Halt leider nicht komisch, sondern bräsig, sturköpfig und unheimlich selbstgerecht. So schafft "The Comedian" trotz zahlreicher Stand-up-Sequenzen das Kunststück, keinen einzigen echten Lacher zu produzieren. Das ist schon bemerkenswert.

Nun kann es ja sein, dass De Niro die Selbstverletzungsrituale moderner Komik, die etwa Louis C. K. zu einem Gott machen, einfach nicht versteht. Aber müsste er als alter Kakerlaken-Flüsterer nicht wenigstens bemerken, dass seine Figur auch sonst nie in ihren Gewissheiten erschüttert wird, kein einziges Mal wirklich auf dem Prüfstand steht?

Ja, das muss er merken, aber für den Moment zieht er daraus keine Konsequenzen. Er wirkt wie ein Titan, der von seiner Kunst noch nicht lassen kann, der bis auf Weiteres aber beschlossen hat, nur Gewichte aus Pappmaschee zu stemmen.

The Comedian , USA 2016 - Regie: Taylor Hackford. Buch: A. Linson, J. Ross, R. LaGravenese. Mit Robert De Niro, Leslie Mann. Warner, 120 Minuten.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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