Jörg Pilawa wechselt zum ZDF:"Ich hatte auch ein bisschen Angst"

Von der ARD zum ZDF: Jörg Pilawa spricht über die Bedeutung von Geld, die Zukunft der Quiz-Shows und erklärt, was es heißt, 50 zu werden.

C. Keil

Über ein Ende der Zusammenarbeit von Jörg Pilawa mit der ARD ist seit April spekuliert worden, verhandelt wurde zuletzt über eine Verlängerung seines Vertrags, der im Frühjahr 2010 ausläuft. Vergangene Woche dann gab der 44-jährige Moderator seinen Wechsel zum ZDF bekannt. Jetzt spricht er über seine Beweggründe.

Jörg Pilawa, Foto: dpa

Jörg Pilawa verlässt die ARD, um nicht als Quizonkel in die deutsche Fernsehgeschichte einzugehen. Eine neue Late-Night-Sendung im ZDF soll dieser Entwicklung vorbeugen.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Pilawa, was bedeutet Ihnen Geld?

Jörg Pilawa: Ich bin in der glücklichen Situation sagen zu können, dass es mir nicht mehr so viel bedeutet.

SZ: Der dümmste Satz von Profisportlern und Moderatoren lautet: "Geld spielt keine Rolle."

Pilawa: Ja, das ist das Allerletzte, zu behaupten, Geld spiele keine Rolle. Ich bin dankbar, meine beruflichen Entscheidungen nicht mehr allein von monetären Überlegungen abhängig machen zu müssen. Die Angebote der ARD waren fair und gut, ums Geld ging es definitiv nicht. Gegen den, der das behauptet, würde ich sogar gerichtlich vorgehen.

SZ: Worum ging es? Warum arbeiten Sie künftig fürs ZDF?

Pilawa: Ich habe neun Jahre für die ARD erfolgreiches Programm gemacht, alles in allem waren das 2000 Sendungen. Ich stand jetzt, mit 44 Jahren, vor der Entscheidung: Mache ich das noch einmal drei Jahre weiter und anschließend noch mal drei Jahre, dann wäre ich 50 und würde in die Annalen der deutschen Fernsehgeschichte endgültig als der Quiz-Onkel eingehen. Oder traue ich mich, noch einmal etwas anderes zu machen. Und da hat mir das ZDF etwas angeboten, das mir die ARD überhaupt nicht anbieten konnte: eine Sendung zu entwickeln, die am späten Abend läuft und anders gestaltet ist als jede Quiz-Sendung. Das ist der Grund, einfach eine neue Herausforderung.

SZ: Sendung am späten Abend? Wird das wie Kerner oder eher Late Night wie Schmidt?

Pilawa: Ich habe zum Glück über ein Jahr Zeit, das zu entwickeln. Ich glaube nicht, dass es Ziel einer neuen Late-Night-Sendung sein kann, einen Schreibtisch mit vier Stühlen davor aufzustellen. Dafür stehe ich nicht, dafür habe ich bisher zu viele andere Dinge gemacht, dafür bin ich motorisch auch viel zu unruhig, als dass ich mich hinter einen Schreibtisch setzen könnte. Ich muss auch sagen, dass Johannes (B. Kerner) in den zurückliegenden Jahren durch seine Routine Maßstäbe gesetzt hat. Inhaltlich werde ich sicher etwas anderes machen. Und ich kann damit auch scheitern, das Risiko ist auch ein Reiz.

SZ: Stand-up-Comedy werden Sie eher nicht versuchen.

Pilawa: Nein, das wäre auch auf dem Sendeplatz, vermutlich Dienstagabend, für die Zielgruppe das falsche Format.

SZ: Es gibt etwas völlig Neues?

Pilawa: Nein, es gibt im Fernsehen nichts Neues mehr. Es gibt nur Höhen und Tiefen. Ich sage Ihnen, wie ich das angehe: Die Redaktion und ich gucken sich jetzt an, was gab es in den letzten Jahren für Late-Night-Sendungen, was ist wie beim Publikum angekommen, welche Themen sind national und international gut gelaufen. Momentan kommen Servicethemen gut an, das Fernsehen als Ratgeber. Die Zeit der reinen Talkrunde, in der wieder ein Prominenter oder Semi-Prominenter mit seiner Biographie, seinem neuen Film, seinem neuen Theaterprogramm sitzt, ist vorbei.

SZ: Ihr künftiger ZDF-Kollege Markus Lanz steht noch ganz in der Tradition Kerners.

Pilawa: Ich finde, dass er schon vieles anders macht. Er ist per se ein anderer Typ - übrigens hatte Markus, mit dem ich befreundet bin, nicht eine Sekunde Angst um seinen Job, als er hörte, dass ich zum ZDF gehen könnte.

SZ: Er ist also ein anderer Typ.

Pilawa: Und macht deshalb auch eine andere Sendung als Johannes.

SZ: Mit reichlich Servicethemen. Sie haben mit ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut noch die Präsentation einzelner Abendshows vereinbart. Sind Sie mit Quiz erst einmal durch?

Pilawa: Das habe ich so nicht gesagt. Ich halte Quiz nach wie vor für ein großartiges deutsches Format. Ich habe allerdings so viel getestet bei der ARD, Partnerschaftstests, Ernährungstests, Geschichts- und Wissenstests, dass ich von den reinen Testformaten und den damit verbundenen Fragen Abstand brauche.

SZ: Was kann das ZDF besser als die ARD?

Pilawa: Ich sage Ihnen erst einmal, was die ARD besser kann. Sie macht weitgefächertes Programm in den Dritten, sie hat unterschiedliche Magazinfarben, sie hat eine starke regionale Struktur. Ihre Stärke ist dann ihre Schwäche. Wenn ich neun Landesrundfunkanstalten habe, ist es schwerer, eine schnelle Entscheidung zu bekommen. Dafür kann die ARD nichts, das ist ihr Charakter.

SZ: Sie werden beim ZDF deutlich weniger arbeiten.

Pilawa: Ja.

SZ: Hat man Sie in der ARD nicht ernst genommen? Schon 2007 oder 2008 haben Sie Ihre Agenda 2010 erklärt, zum Teil in Nischenpublikationen. Die Kernaussage: die Quizshow abgeben.

Pilawa: Ich kann niemandem den Vorwurf machen, dass er meine Absichten nicht ernst genommen hat. Ich glaube, das ist noch von keinem Unterhaltungsmoderator so durchgezogen worden. Jeder sagt doch zwischendurch mal: Ich möchte weniger machen. Es geht am Ende darum, den Schritt zu tun, und ich habe es mir damit nicht leicht gemacht. Ich hatte drei Jahre auch ein bisschen Angst davor.

SZ: Noch einmal zur ARD - bereits am 1. Juli sollen Sie Programmchef Volker Herres schriftlich darüber informiert haben, die ARD zu verlassen. Klarheit gab's danach wochenlang trotzdem nicht.

Pilawa: Die ARD hatte den Wunsch, noch einmal ein weiteres Angebot zu unterbreiten. Deshalb hatte ich mir das Zeitfenster bis nach der Sommerpause gesetzt. Und die Offerte war gut, ich hätte Verstehen Sie Spaß? moderieren können, als Marke ist das die wichtigste Unterhaltungssendung der ARD. Doch dann wäre ich an sieben weiteren Wochenenden eingespannt worden, ich hätte auf Donnerstagssendungen verzichten müssen, und Samstage und Sonntage habe ich mir immer für die Familie frei gehalten.

SZ: Wie lange sind Sie noch für die ARD tätig?

Pilawa: Für die Dauer meines Vertrages, also bis zum 30.4.2010. Wir werden das alles wohl bis Ende 2009 vorproduziert haben. Im Oktober 2010 fange ich beim ZDF an, den Vertrag habe ich in dieser Woche unterschrieben.

SZ: Sie werden lange pausieren.

Pilawa: Ich brauche den Abstand. Ich muss meine Schreibtische aufräumen und herausfinden, ob ich mich selber, ohne im Kalender stehende Produktionstage, ertragen kann.

SZ: 2005 haben Sie Ihre Firma White Balance, mit der Sie schon jetzt nahezu alles, was sie moderieren, herstellen, an den Unterhaltungskonzern MME verkauft. Wollen Sie mit White Balance auch Ihre ZDF-Sendungen produzieren?

Pilawa: Mit dem Stamm meiner Firma, der sich über Jahre gefunden hat, werde ich über 2010 hinaus arbeiten. So etwas spielt ja bei einer Entscheidung, den Sender zu wechseln, eine große Rolle. Da geht's nicht nur um mich, da geht's um viele Arbeitsplätze.

SZ: White Balance hat Das Quiz mit Jörg Pilawa, die einzige erfolgreiche Sendung am ARD-Vorabend, bisher mitproduziert. Behalten Sie den Auftrag auch nach dem Wechsel zum ZDF?

Pilawa: Das weiß ich noch nicht. Vielleicht will die ARD ein anderes Format und einen anderen Produzenten. Ich kann verstehen, dass sie sich das gut überlegt.

SZ: Zur Vereinbarung mit der MME über den Kauf von White Balance zählt auch, dass Sie bis Sommer 2010 Geschäftsführer sind. Mitte kommenden Jahres wird der Vorstandsvorsitzende, Martin Hoffmann, das Unternehmen verlassen und Intendant der Berliner Philharmoniker. Hoffmann war Ihre Vertrauensperson, kann es sein, dass Sie nach Ablauf aller Vertragsfristen eine neue Produktionseinheit gründen?

Pilawa: Ich habe jetzt Fakten geschaffen und werde sehen, wie die MME reagiert, ob sie mir den Rücken freihält, auch was die Mitarbeiter angeht, oder nicht. Wenn das so ist, kann ich mir vorstellen, in dem Verbund weiterzumachen. Sollte das nicht zusammengehen, habe ich die Möglichkeit, mit diesen Mitarbeitern unter einem anderen Firmennamen zu arbeiten.

SZ: Sie werden alles für das ZDF selbst produzieren?

Pilawa: Ja, das ist Teil der Vereinbarung.

SZ: Sie haben über das 50. Lebensjahr nachgedacht, denken Sie manchmal daran, die Unterhaltung zu verlassen und sich ins ernste Fach - Information, Kultur - zu wagen?

Pilawa: Nein. Ich finde Unterhaltung wichtig und legitim. Wenn ich den Wahlkampf sehe, die Listen, die geführt werden, wer von welcher Partei wie oft eingeladen wurde und wie viel Redezeit hatte, dann sage ich mir: In diese Mühle möchte ich nicht geraten, da gehe ich lieber als Zirkuspferd durch die Manege und unterhalte die Leute.

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