Jörg Pilawa: Wechsel zum ZDF?:Mann für die Kerner-Arbeit

Lesezeit: 3 min

Nach SZ-Informationen will Jörg Pilawa die ARD verlassen und zum ZDF wechseln. Dort würde er so mächtig werden wie zuvor J. B. Kerner. Ob Geld ihn bei der ARD halten kann?

Christopher Keil

Anfang Mai war es wohl, dass sich Jörg Pilawa und Thomas Bellut erstmals trafen. Man sprach über dies und das, und Bellut, der Programmchef des ZDF, hatte offenbar den besten Eindruck. Zum einen, weil Pilawa ein umgänglicher Mensch zu sein scheint, zum anderen, weil ihn augenscheinlich etwas zum ZDF drängte. War der Mann, der seit Jahren im wochentäglichen Vorabend mit seinem Quiz ein Quotenstabilisator ist, bereit, seine starke Position in der ARD aufzugeben?

Jörg Pilawa und die ARD: Das letzte Gespräch soll noch ausstehen. (Foto: Foto: dpa)

Im Ersten ist er für die Unterhaltung fast so etwas wie es Johannes B. Kerner und Thomas Gottschalk zusammen für das ZDF waren. Auch zur Hauptsendezeit nach der Tagesschau war Pilawa unverzichtbar, wie die vielen Einzelshows bezeugen, die er vor Publikum und Millionen präsentierte (u.a. "Pisa - der Ländertest", "Frag doch mal die Maus", "Wie alt bist du wirklich?").

Kerner wechselt demnächst zu Sat1 und wird auch beim Telekom Bundesliga-Kanal Liga Total auftreten. So kam es, dass Thomas Bellut, 54, überhaupt die Chance sah, einen Großverdiener wie Pilawa, 43, zu ködern: Dem Programmdirektor stehen nach Kerners Abgang Investitionsmittel zur Verfügung. Pilawa würde beim ZDF vermutlich eine Wild Card bekommen, den freien Zugang zu allen Zeiten und allen Sendeformen: Show, Quiz, Talk.

In der kommenden Woche könnte Jörg Pilawa der ARD zum Jahresende kündigen. Entsprechende Hinweise aus seinem Umfeld soll es geben. Anfragen in der Programmdirektion und beim ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust, dem Intendanten des SWR, werden nicht beantwortet. Wie viele letzte Gespräche gibt es noch? Ein Insider spricht von Tagesschwankungen beim blonden Moderator, der seine Zukunft ordnen möchte.

Für das Erste wäre der Verlust Pilawas, so er denn bilanziert werden muss, äußerst problematisch. Von Januar bis Juni sackten die Marktanteile im Vergleich zu 2008 um 1,1 Prozentpunkte (ab drei Jahren) sowie 1,4 (14 bis 49) ab. RTL liegt bei der Gesamtzuschauerzahl nur noch 0,5 Prozent hinter ARD und ZDF, die beide in den ersten sechs Monaten des Jahres auf durchschnittlich 12,8 Prozent kommen. Außerdem ist die große Eins im deutschen TV auffällig glücklos bei Personalien.

Es fing mit Günther Jauch (RTL) im Januar 2007 an, der ins Erste wollte und freiwillig aufgab, als er den Gremienterror um sein Engagement nicht mehr ertrug. Oliver Pocher entschied sich im April für Sat1 nach seinem Ausstieg bei Schmidt&Pocher. Auch Pro-Sieben-Entertainer Stefan Raab, mit dem es eine Kooperation beim Eurovision Song Contest hätte geben können, zog im Mai freiwillig zurück - nachdem die Intendanten den Vorschlag diskutiert und vertagt hatten.

Alle Fälle waren für sich genommen verschieden, trotzdem: Befindet sich die ARD in einer Identitätskrise? Die Umstellung auf die digitale Technik mit ihren europapolitischen Kämpfen um Online-Inhalte und neue Programme, die Reibereien mit der deutschen Politik um neue Gebührenverfahren und über Gebührenerhöhungen kosten: Energie, Mittel, vor allem Aufmerksamkeit. Zudem muss nach dem Rückzug der mächtigen Troika Fritz Pleitgen (WDR), Jobst Plog (NDR) und Peter Voß (SWR) eine neue Intendantenhierarchie etabliert werden.

Der Stuttgarter Boudgoust führt hier als gegenwärtiger ARD-Vorsitzender mit kollegialer Strenge und großer Bereitschaft, Kritik in Konsens zu verwandeln, NDR-Mann Lutz Marmor soll ihm assistieren, unterstützt wird Boudgoust immer wieder vom MDR-Patriarchen Udo Reiter. Doch im föderalen System der ARD kann zu viel Gruppenbewusstsein in die Irre führen.

Hinzu kommt, dass das Erste zwar in Volker Herres einen besonnenen und belastbaren Programmdirektor bekommen hat nach dem Abschied des 69-jährigen, genialischen Zynikers Günter Struve. Doch im komplizierten Räderwerk läuft es nach allen personellen Umstellungen und Neuausrichtungen nicht wie geschmiert.

Eines allerdings darf niemand: die ARD unterschätzen. Richtig ist, dass sie in ihren Strukturen Kraft verschleudert, richtig ist aber auch, dass die oft fehlgeleiteten, verborgenen Kräfte sehr schnell freigesetzt werden können - sogar zu Gunsten des Sendebetriebs.

Dass Pilawa beim ZDF mehr verdienen würde, darf bezweifelt werden. Er hat ein konkretes Angebot von Thomas Bellut erhalten, das Moderation und Produktion umfasst (Pilawa wickelt viel über seine Firma White Balance ab). Doch beim Geld bleiben fast alle bis zuletzt schwach - selbst, wenn man einen anderen, den besten Eindruck hatte.

© SZ vom 4.7.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Deutsche TV-Moderatoren
:Die Macht der Nacht

Jauch talkt bald wieder, Schmidt wechselt wieder - und Gottschalk macht's wieder alleine: Das Moderatorenkarussell ist abermals in voller Fahrt. Von wem lassen Sie sich am liebsten in den Schlaf befördern? Stimmen Sie ab über Deutschlands Schwafelgeschwader.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: