Jazz:Cool und klar

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Auf "The Good Life" zeigt Till Brönner, zu was er eigentlich fähig ist. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Der Jazztrompeter Till Brönner zeigt sich mit seinem neuen Album "The Good Life" auf der Höhe seines Könnens.

Von Andrian Kreye

Es gibt gerade im Jazz viele Musiker, bei denen man genau hört, wo sie ihre Platten aufgenommen haben. Till Brönner ist so einer. Der hat sein neues Album "The Good Life" (Sony) in Hollywood eingespielt. Dort erfüllt er sich gerade einen Lebenstraum. Seit drei Jahren lebt er einen großen Teil seiner Zeit in Los Angeles. Es ist kein Zufall, dass er sich von allen Geburtsstädten des Jazz diese ausgesucht hat. Das hat viel mit seiner Lebensgeschichte zu tun. Die verlief für einen Jazzmusiker in erstaunlich geordneten Bahnen.

So gesehen ist er den großen Trompetern der Stadt Los Angeles wie Quincy Jones, Herb Alpert und Shorty Rogers viel näher, die als Produzenten und Filmmusiker Erfolg hatten, als denen, die in New York die Avantgarden vorantrieben. Den Jazzmusikern in Los Angeles ging es immer besser, weil die Filmindustrie schon früh erkannt hatte, was für eine Qualität der Modern Jazz hat. Auch für Brönner ist "The Good Life" programmatisch. Seine Jobs im Pop, im Fernsehen und als Produzent haben ihm immer erlaubt, Jazz nach genau seinen Vorstellungen zu spielen.

Ausgerechnet in Hollywood also, der Welthauptstadt der Ablenkungen und Oberflächlichkeiten, hat Till Brönner mal wieder sehr zu sich selbst gefunden. "The Good Life" hat streckenweise eine Qualität, die er jederzeit erreichen könnte, auch wenn er es viel zu selten tut. Nun hat er sich im Pop und im deutschen Fernsehen nie wirklich verloren. Dazu ist er musikalisch viel zu gefestigt. Aber es ist nun doch so, dass er sich in den überladenen Fusion-Arrangements oder gefälligen Tributalben oft weit unter Wert verkauft.

Till Brönner betreibt einen verschwenderischen Minimalismus

Er verteidigt das gerne mit dem leicht beleidigten Ton, der immer etwas an David Garrett erinnert, der sich auch gerne der Popkritik entziehen würde. Nun sinkt Brönner im Pop sicherlich nie auf Garretts Niveau, der als klassischer Geiger immer noch brillieren kann, aber mit seinem Pop-Orchester wirklich ausnehmend grauen- und stümperhafte Konzerte gibt.

Auf "The Good Life" zeigt Brönner allerdings wie schon auf seinem grandiosen selbstbetitelten Album vor vier Jahren, zu was er eigentlich fähig ist. Mit einer Rhythmusgruppe versierter kalifornischer Musiker betreibt er so etwas wie verschwenderischen Minimalismus. Er schließt da direkt an das Erbe des kalifornischen Cool Jazz an, mit dem kalifornische Musiker in den Fünfzigerjahren ein Gegengewicht extremer Reduktion zu der überschäumenden Brillanz des Be Bop schufen.

Die Ballade "For All We Know" verwandelt er beispielsweise mit dem Flügelhorn in ein Meisterwerk der Melancholie, bei dem der Schlagzeuger Jeff Hamilton den Takt nur mit leichten Besenstrichen auf den Becken andeutet, während Bassist John Clayton und Pianist Larry Goldings ihre Akzente so behutsam setzen, als seien Brönners Linien trotz aller Kraft seines Tons ein Mikado-Turm, den jeder Schlag zum Einstürzen bringen könnte.

Überhaupt machen die Musiker den Eindruck, als hätten sie nach diesem Prinzip souveräner Verschwendung jede zweite Note, die sie hätten spielen können, einfach ausgelassen. Dazu kommt, dass das alles mit einer Kristallklarheit aufgenommen ist, die daran erinnert, dass es in vordigitalen Zeiten das Klangideal der High Fidelity gab. So verschaffen Brönner und seine vier Begleiter (zu denen auch der Gitarrist Anthony Wilson gehört) den Standards (und zwei Brönner-Kompositionen) genau jene Luft, die das "Cool" im Cool Jazz definierte.

Wobei es da vor allem um eine musikalische Haltung geht, weniger um den direkten Anschluss an Stilformen. Er hat ja längst seine eigene Stimme gefunden. Die wird zum einen von der Klarheit seiner Linien bestimmt, aber vor allem durch seinen Ton. Kaum ein Trompeter schafft es, diese Luftpolsterung zu erzeugen, die man sonst eher von Saxofonisten kennt. Die tun sich beim Umblasen des Rohrblattes damit aber auch sehr viel leichter, als Trompeter, die enormen Druck auf ihrem Mundstück erzeugen müssen.

Als Sänger allerdings hat er keineswegs eine eigene Stimme gefunden

Jetzt steht allerdings noch ein großes "Aber" nicht hinter, sondern deutlich über der Platte. Auf sieben von dreizehn Nummern hat Till Brönner beschlossen zu singen. Und bei sechs dieser sieben Gesangsnummern ist ihm das gründlich misslungen. Als Sänger hat er nämlich keineswegs eine eigene Stimme gefunden, sondern imitiert viel zu deutlich den anderen großen Trompeter von Los Angeles, Chet Baker, der auch sang. Dem hatte er vor 16 Jahren schon mal ein Album gewidmet.

Im Timbre kommt Brönner seinem Vorbild sogar erstaunlich nahe. Auch der deutsche Akzent ist kein Problem. Jazzer konnten da schon immer darüber hinwegsingen, die Brasilianerin Astrud Gilberto zum Beispiel oder die Schwedin Monika Zetterlund. Das Berührende an Chet Bakers Gesang war jedoch, dass sein dünner, brüchiger Ton ganz direkt seine Statur und seine Lebensgeschichte abbildete. Till Brönner ist aber kein verhärmter, gebrochener Mann, sondern eine stattliche und in sich gefestigte Person. Das ist Emotionskaraoke. Nur mit dem selbst geschriebenen Bossa "Her Smile" gelingt Brönner das Singen. Da klingt er aber nicht nach Chet Baker, sondern nach dem kalifornischen Sonnyboy-Jazz-Liedermacher Michael Franks. Das passt irgendwie besser zu ihm.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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