Im Kino: Survival of the Dead:Unversöhnliche Untote

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Scharen von Zombies ziehen in den Filmen von George A. Romero durch die amerikanische Landschaft. Aber kann man Untote nicht vielleicht domestitzieren?

Fritz Göttler

Romeros Zombie-Kino lebt vom Rückschritt, so unbeirrbar und lustvoll wie wenig sonst im amerikanischen Kino. Eine Serie, die die Gesetze der Dramaturgie ignoriert, der hektischen Spannungsmache, wie sie im amerikanischen Fernsehen endlos zelebriert wird - und von den Kritikern als sagenhafter Vorsprung des dynamischen TV vor dem unermüdlich recycelnden Kino entdeckt und gepriesen wird. Romero hat eine Reihe von Filmen gedreht, die in konzentrischen Kreisen sich entwickelt, jenen auf einer Wasseroberfläche gleich, die von einem Steinwurf aufgestört wurde.

Eine Insel, eine Gruppe Soldaten, ein erbitterter Kampf gegen die Zombies: Ein neuer Ton ist in die Serie gekommen, es entwicklet sich eine neue Härte. (Foto: Foto: Verleih)

Naive Gesellschaftsvision

Der Stein, den Romero so genial ins Kino der amerikanischen Neuen Welle geworfen hat, im Jahr 1968, war sein Film "Night of the Living Dead", in dem Amerika aus dem Innern attackiert wurde, von aus dem Grab aufgeschreckten Toten, die nach Menschenfleisch gieren und ihre Opfer durch Zubiss ebenfalls zu Zombies werden lassen. Riesige Scharen von Zombies bewegen sich seitdem in diversen Romerofilmen durch die amerikanischen Landschaften, destabilisieren die Gesellschaft, provozieren spontane Reaktionen und neue Denkmuster bei den attackierten Menschen. Im bislang letzten Kreis, dem Film "Survival of the Dead", wird plötzlich nachgedacht, ob man die Zombies, so wie es Usus der zivilisierten Völker ist den Wilden und Ureinwohnern gegenüber, nicht ein wenig domestizieren und zur Sklavenarbeit abrichten könnte.

Im Kampf, in der Konfrontation mit dem unbekannten Anderen überleben und zu sich finden, das ist eine naive, kraftvolle, gradlinige, poetische Gesellschaftsvision - und eine ausgesprochen amerikanische. Romero ist, wie alle großen amerikanischen Filmemacher, erst mal Ethnologe, ihn interessiert, wie Leute zusammenwirken und zusammenarbeiten, auf unerwartete Situationen reagieren. Und er hat nichts verloren von seiner Fähigkeit, diese in kraftvolle Bilder zu fassen.

Amerika ist im Rückzug in den Romerofilmen, und das hat sich seit 9/11 nur wenig verschärft. Im neuen Film ist der Rückzug vollkommen, eine Gruppe Soldaten setzt auf eine Insel über, die den Zombies unerreichbar sein sollte. Aber es ist nicht der Naturzustand, den sie hier finden, keine Chance auf Unabhängigkeit und Neuaufbau, wie sie den ersten Siedlern in der Wildnis sich bot. Die Insel ist in fester Hand, zwei Großgrundherren stehen sich feindlich gegenüber mit ihren Knechten, zwei starrköpfige, alttestamentarisch radikale Patriarchen und ihre Familien - das alte europäische Herrschaftsmodell, vor dem eben die Siedler einst geflohen waren.

Ein neuer Ton ist hier in die Zombie-Serie gekommen, sie öffnen sich der See gegenüber, auf Bilder hin, die man kennt von Stevenson und Richard Hughes, und in getragene Sprüche in einem lustvoll ausgespielten irischen Idiom. Die Gelassenheit des klassischen Western und seiner Community, die der Film entwickelt - bis hin zu Gunplay & Horses -, wird stark skandiert durch groteske Momente klassischer elisabethanischer Tragödie.

So entwickelt sich eine neue Härte in diesen Film, eine Unversöhnlichkeit, die stärker trifft als die schlimmsten Splatter-Effekte. Die Living-Dead-Filme sind hart und blutig, berühmt für ihre erfinderischen Spezialeffekte - Romero vertraut dem soliden Handwerk immer noch mehr als den Zaubereien der Computertrickfreaks. Wenn die Überlebenskämpfer zur Verteidigung die heranwackelnden Zombies vernichten, ist das grausam und brutal, aber falls sich mal einer dabei in Zynismus versteigt, wird er ziemlich schnell dafür gestraft. "Putting the dead to sleep", heißt es in diesem Film.

Eine Gesellschaft in Auflösung, so die Essenz der Living-Dead-Filme, ist auch eine Gesellschaft in der Erneuerung - da setzt Romero die Tradition der großen Naiven von King Vidor bis Terrence Malick fort. Die Landschaft ist das große Versprechen in diesem Film, die Garantie für ein mögliches Überleben.

SURVIVAL OF THE DEAD, USA 2009 - Regie, Buch: George A. Romero. Kamera: Adam Swica. Schnitt: Michael Doherty. Musik: Robert Carli. Mit: Alan van Sprang, Kenneth Welsh, Kathleen Munroe, Devon Bostick, Richard Fitzpatrick, Athena Karkanis, Stefano Di Matteo, Joris Jarsky. Kinostar, 86 Minuten.

© SZ vom 06.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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