Im Kino: "Moon":Eine kleine Weltraum-Seltsamkeit

Wer ist der Kerl im Trainingsraum? Und wieso sieht er aus wie ich? Ein einsamer Astronaut auf dem Mond begegnet seinem Klon: "Moon" ist eine Zukunftsgeschichte, die aussieht wie die Phantasien unserer Vergangenheit.

Martina Knoben

Da phantasiert sich der Mensch in eine Zukunft mit jedem erdenklichen technischen Schnickschnack hinein und trifft, auf den fremden Planeten und in den einsamen Raumstationen, in der mal über-, dann wieder entvölkerten Welt des Science-Fiction-Films mit ihren diversen Formen künstlicher Intelligenz, am Ende doch immer wieder auf sich selbst und alte Fragen: Träumen Androiden von elektrischen Schafen? Und was ist mit Klonen? Avataren? Was macht den Menschen aus?

Im Kino: "Moon": Das Luxusleben hat immer einen Preis: Im Science-Fiction-Film "Moon" muss der Underdog Sam Bell (Sam Rockwell) im Weltall vereinsamen, um die Erde mit Mondgestein zu versorgen.

Das Luxusleben hat immer einen Preis: Im Science-Fiction-Film "Moon" muss der Underdog Sam Bell (Sam Rockwell) im Weltall vereinsamen, um die Erde mit Mondgestein zu versorgen.

(Foto: Verleih)

Duncan Jones hat den philosophischen Aspekt, der das Genre spätestens seit den Sechzigern begleitet, wörtlich genommen in seinem Spielfilmdebüt, deshalb sieht der Zuschauer seinen Helden bald doppelt. Astronaut Sam Bell (Sam Rockwell), der auf dem Mond einen einsamen Job als Minenarbeiter verrichtet, traut seinen Augen kaum, als er nach einem kurzen Aufenthalt auf der Krankenstation seinem Duplikat begegnet: "Wer ist der Kerl im Trainingsraum? Und wieso sieht er aus wie ich?"

Sam gegen Sam

"Moon" begeistert durch die Lakonie, mit der Jones solche Momente inszeniert, der absurdeste, charmanteste ist ein Tischtennismatch Sam gegen Sam. Schön ist auch der minimalistische Look des Films, wie man ihn aus Science-Fiction-Filmen der sechziger und siebziger Jahre kennt, Jones ist ein erklärter Fan von ihnen.

Für einen Krieg der Sterne hätte das Budget seines Erstlings ohnehin nicht gereicht, man vermisst die Materialschlachten und den spirituellen Bombast aber auch nicht. Angenehm handgemacht und ein wenig schäbig sieht die Raumstation aus, auf der Sam seinen Dreijahresvertrag abdient. Jones hat viel mit Modellen gearbeitet und sparsam mit dem Computer getrickst, auch das garantiert den lässigen Retro-Look.

Vor dem Hauptfilm gibt es erst einmal ein bisschen Werbung - Jones' elegante Lösung, die Bedingungen von Sams Aufenthalt auf dem Mond darzulegen. Die Firma Lunar Industries feiert darin ihre Lösung für die Energieprobleme der Erde: Auf der dunklen Seite des Mondes baut das amerikanische Unternehmen Gestein ab, in dem Helium-3 gebunden ist, das auf der Erde zur Kernfusion verwendet wird. Die schmutzigen Technologien des 20. und des beginnenden 21.Jahrhunderts wurden dadurch überflüssig.

Menschen werden kaum benötigt

Die Spielregeln unseres Marktes aber scheinen sich nicht geändert zu haben. Riesige Erntemaschinen graben vollautomatisch das Mondgestein ab, Menschen werden kaum benötigt. Lunar Industries gönnt Sam deshalb keinen Kollegen. Er ist ein einsamer Mann, wartet die Maschinen und schießt das Mondgestein zur Erde.

Da der Satellit ausgefallen ist, besteht gerade kein Live-Kontakt nach Hause, mit seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter kann Sam nur via Videobotschaft reden. Man kann seine Arbeitsbedingungen mit Fug und Recht unmenschlich nennen, und tatsächlich geht es in "Moon" auch darum, dass unser Luxusleben immer einen Preis haben wird, den Underdogs wie Sam Bell bezahlen.

Sams einziger Mitbewohner ist der Zentralcomputer Gerty, dem Kevin Spacey seine unheimlich sanfte Stimme leiht. Unterschiedliche Smileys auf Gertys Display signalisieren seinen Gemütszustand, und auf seiner Rückseite klebt ein Post-it mit der Aufschrift "Kick me".

Einsam im Universum

Keine Spur von eleganten Touchscreen- Oberflächen - "Moon" ist eine Zukunftsgeschichte, die aussieht wie die Phantasien unserer Vergangenheit. Wenn Gerty Sam daran hindern will, eine verunglückte Erntemaschine selbst zu reparieren - ein Einsatz, bei dem Sam den Mann bergen wird, der sich als sein Doppelgänger entpuppt -, dann erinnert der allmächtige Computer an HAL, Stanley Kubricks Monstermaschine aus "2001 - Odyssee im Weltraum"; auch die achteckigen Schleusen in der Raumstation verweisen darauf.

Jones hat "Moon" mit zahlreichen Reminiszenzen an die von ihm so geliebten SF-Klassiker gespickt, Sams Blumenpflege zitiert Douglas Trumbulls "Lautlos im Weltraum", die Visionen des Astronauten erinnern an Andrej Tarkowskijs "Solaris", und das zentrale Klon-Thema ist ohne Ridley Scotts "Blade Runner" gar nicht denkbar.

Eine weitere Inspiration kommt aus Jones' Familie: Sein Vater ist David Haywood-Jones, besser bekannt unter seinem Künstlernamen David Bowie, der in seinem Song "Space Oddity" 1969 von einem melancholischen Astronauten namens Major Tom erzählte. In der Science-Fiction hat man einander immer schon gerne zitiert.

Überboten vom jüngeren Selbst

Dass zumindest einer der beiden Sams ein Klon sein muss, ist dem jüngeren sofort klar. Er ist aggressiver, körperlich und seelisch fitter als der Ältere, der in der verunglückten Erntemaschine lag und schon vorher etwas verwahrlost und geistig aus der Spur geraten war. Sam Rockwell kann sich in der Doppelrolle austoben. Allein sein Spiel belegt die Erfahrung von drei Jahren Isolation, die Sam, den Älteren, von seinem jüngeren Selbst unterscheidet.

Die philosophischen Fragen bilden schließlich nur den anregenden Hintergrund für eine spannende Psychostudie und einen etwas weniger spannenden Thriller. Auch ohne Doppelgänger wurde Sam in der Zeit seiner Isolation nämlich massiv mit sich selbst konfrontiert.

"Moon" führt nicht auf neues, unbekanntes Terrain, wie es James Cameron in "Avatar" so spektakulär eröffnet hat, Duncan Jones ist lässiger. Die Klon-Partikel, die er verwendet, all die Zitate aus seinen Lieblingsfilmen, feiern die Originalität ihrer Macher, erzählen aber auch davon, dass Einzigartigkeit womöglich gar nicht so wichtig ist.

MOON, GB 2009 - Regie: Duncan Jones. Buch: Nathan Parker. Kamera: Gary Shaw. Schnitt: Nicolas Gastner. Mit: Sam Rockwell, Dominique McElligott, Kaya Scodelario, Benedict Wong, Matt Berry, Malcolm Stewart, Adrienne Shaw, Rosie Shaw, Robin Chalk, Kevin Spacey. Koch Media, 97 Minuten.

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