Im Kino: Labyrinth der Wörter:Das Brachland Depardieu

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Das Gärtnern ist Germain am liebsten: In seinem neuen Film spielt Gérard Depardieu einen unbedarften Arbeiter, der von der verführerischen Gisèle Casadesus in die Welt der Literatur eingewiesen wird.

Fritz Göttler

Ein Mädchen am Steuer eines regionalen Linienbusses, das nimmt doch gleich ein für diesen Film. Und die Blicke, die sie wechselt mit dem älteren Germain - verliebt, aber nicht schwärmerisch, nein ganz selbstsicher, ganz resolut! Depardieu ist Germain, der unförmige, unbeholfene Gelegenheitsarbeiter, dem die Obelix-Wampe aus dem Overall hängt, Sophie Guillemin ist Annette, das Mädchen vom Bus.

Gérard Depardieu ist Germain, ein unförmiger, unbeholfener Gelegenheitsarbeiter, dem die Obelix-Wampe aus dem Overall hängt. Szene aus dem Drama Das Labyrinth der Wörter von Jean Becker. (Foto: dapd)

Im französischen Kino haben sie immer die Provinz ganz ernst genommen, Pagnol und Renoir, die leeren Straßen und die stillen Parks, die Kneipen mit diesen lauten, sich aufmandelnden Typen und Frauen, die schon sehr viel in Kauf nehmen für ein bisschen Glücksstabilität, die denkwürdigsten Paarungen gibt es da, durcheinander wie Kraut und Rüben.

Das Gärtnern ist auch Germain am liebsten, vielleicht gibt es da einen Zusammenhang mit der Mutter, die vehement eine Mistgabel zu handhaben weiß - Germain lebt bei ihr im Garten, in einem Wohnwagen. "La tête en friche" heißt der Film im Original, der brachliegende, der unkultivierte Kopf. Das ist das Thema in den letzten Filmen des alten Jean Becker, wie man zu einer Kultur kommt, die zum Leben taugt, wo geht es über von der Natur in Kultur.

Eines Tages hat Germain eine neue Liebe, Margueritte, mit zwei t, mit der er erst mal die Tauben zählt im Park. Sie kommt zum Lesen her, täglich, und also liest sie Germain, der es mit Büchern nicht so hat, auch vor - "Die Pest" von Camus, der von einer Zeit erzählt, da die Menschen von ihrer Vergangenheit lebten und nicht in der Zukunft , "als sie die Verletzungen spürten, die die Phantasie letztlich denen zufügt, die sich ihr anvertrauen". Gisèle Casadesus ist Margueritte, sie ist fünfundneunzig und strahlt, ob sie nun liest oder von ihrem Leben erzählt, eine unfassliche Gelassenheit aus, und ihre Stimme ist so verführerisch und klar wie die von Delphine Seyrig in den Sechzigern. Ein Kunstwerk, fragil, aber unzerbrechlich.

LA TÊTE EN FRICHE, F 2010 - Regie: Jean Becker. Buch: Jean Becker, Jean-Loup Dabadie. Nach Marie-Sabine Rogers Roman. Kamera: Arthur Cloquet. Mit: Gérard Depardieu, Gisèle Casadesus, François-Xavier Demaison, Claude Maurane, Patrick Bouchitey, Jean-François Stevenin. Concorde, 82 Min

© SZ vom 7.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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