Hip Hop aus bayerischer Blasmusik:Einmal durch den Wolf

Wie erhält man die Ästhetik der Volksmusik und lässt sie trotzdem ganz anders klingen? Dem DJ Sepalot ist das Unmögliche gelungen: Er hat aus bayerischer Blasmusik ein großartiges und wirklich ernstzunehmendes Hip-Hop-Album gemacht.

Jens-Christian Rabe

Das Oktoberfest geht auf die Zielgerade. Damit die Wehmut in der kommenden Woche nicht allzu schlimm wird, sei hiermit eine der unglaublichsten deutschen Pop-Produktionen des Jahres gepriesen. Dem DJ und Produzent Sepalot, der als Mitglied von Blumentopf ohnehin als einer der wenigen wirklich guten und fintenreichen deutschen Hip-Hop-Tüftler bekannt ist, ist das Unmögliche gelungen: Er hat aus bayerischer Blasmusik ein großartiges und wirklich ernstzunehmendes Hip-Hop-Album gemacht: "Beat Konducta Bavaria". Es ist auf seiner Seite www.sepalot.com kostenlos erhältlich. Empfohlen sei auch das neue, soeben erschienene Soloalbum Sepalots: "Chasing Clouds" (Eskapaden Musik).

DJ MEM BRAIN DJ SEPALOT

Sepalot (hier rechts mit dem DJ-Kollegen Mem Brain von MC Rene) gilt als einer der wenigen wirklich guten und fintenreichen deutschen Hip-Hop-Tüftler. Seine Meinung zu deutscher Musik: "Man kann ja nicht immer nur Motown-Classics sampeln oder alten Jazz."

(Foto: AP)

SZ: Wie kommt man darauf, ein Hip-Hop-Album aus bayerischer Volksmusik zusammenzubasteln?

Sepalot: Die Idee, auch deutsche Musik zu zitieren, hatte ich schon lange. Man kann ja nicht immer nur Motown-Classics sampeln oder alten Jazz. Und es geht beim Hip-Hop ja doch um Authentizität. Der Blumentopf-Song "Fenster zum Berg" von unserem letzten Album "Wir" basierte schon auf dem Defiliermarsch. Das sind eben einfach gute Sounds - wenn 15 oder 16 Blasmusiker spielen, klingt das sehr wuchtig. Amerikanische Brass-Bands covern ja schon lange Popmusik. Also dachte ich mir, ich mache mal ein ganzes Hip-Hop-Album, auf dem ich wirklich nur bayerische Musik verwende.

SZ: Wie muss man sich die Arbeit daran vorstellen?

Sepalot: Die Ästhetik der Volksmusik sollte erhalten bleiben, und trotzdem sollte es ganz anders klingen. Die Montage ist vielleicht mit der Arbeit an einem Mosaik in der bildenden Kunst vergleichbar. Man zerhaut ein paar Bilder und setzt sie wieder neu zusammen. In meinem Fall waren es eben ein paar Aufnahmen mit Volksmusik von Blaskapellen. Zwei Samples stammen von einer amerikanischen Platte mit dem schönen Titel "The Sound Of The Oktoberfest".

SZ: Was machte bei der Produktion die größten Schwierigkeiten?

Sepalot: Relativ leicht war es, Material zu verwenden, das eine jazzigere Note hat, wie "Mein Herz" von Willy Michl. Da schwingen auf der Originalaufnahme schon ganz andere Emotionen mit als bei irgendwelchen Märschen. Aber eigentlich wollte ich mir vor allem die großen Bierzeltklassiker vorknüpfen. Das ist mir erstmal nicht ganz leicht gefallen. Es ist schon weit weg von allem, was ich privat mag. Aber genau darum ging es. Ich wollte die Traditionals einmal durch den Wolf drehen und sehen, was passiert.

SZ: Ihre Klassiker sind der Volksmusik heilig. Gab's schon Beschwerden?

Sepalot: Dass man sich so an den Standards festhält, finde ich sehr schade an der Volksmusik. Bevor wir "Fenster zum Berg" mit der Blaskapelle Münsing aufgenommen haben, war mir gar nicht klar, wie unüblich es für Blaskapellen ist, neue Kompositionen zu spielen. Das ist noch schlimmer als in der Klassik. Es gibt nur neue volkstümliche Musik, und die spielen die guten Blasmusik-Kapellen zum Glück nicht.

SZ: Welche bayerischen Sounds waren Ihnen die liebsten?

Sepalot: Die Tuba. Und die große Trommel, die man vor dem Bauch trägt. Wenn die gut aufgenommen wurde, hat sie mehr Wucht als die Bassdrum eines Schlagzeugs.

SZ: Die Trommel-Sounds haben Sie aber doch akustisch frisiert für das Album. Oder sind die original?

Sepalot: Klar, da habe ich mit dem Equalizer ein bisschen nachgeholfen. Volksmusik ist allgemein sehr dezent produziert, die Trommeln sind eher im Hintergrund. Man musste schon nach Stellen suchen, an denen sie kurz freistanden, damit man sie dann etwas fetter machen konnte. Im Prinzip aber sind die Sounds alle echt. Man kann Blasmusik für den Club abmischen, ohne etwas dazu produzieren zu müssen.

SZ: Der nächste logische Schritt wäre eine ganze Album-Produktion mit einer echten Blaskapelle.

Sepalot: Auf jeden Fall muss es einen zweiten Teil von "Beat Konducta Bavaria" geben. Diesmal fehlen ja noch ein Schuhplattler und ein Juhitzer.

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