Nachruf:"Im Kampf fühlt man sich wohler"

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Mochte wirklich keine Cola: Günter Maschke. (Foto: N/A)

Von Kuba über die FAZ zum bewaffneten Kampf in Peru: Der Autor und Partisan Günter Maschke war der Unberechenbarste unter den sogenannten Achtundsechzigern.

Von Willi Winkler

Als die Wallfahrer aus Deutschland kamen, war er bereits vom Glauben abgefallen: Enzensberger, Henze, Reiche, der halbe SDS musste nach Kuba, um an einem Bacardi-Sozialismus teilzuhaben, aber Günter Maschke hatte den Rausch bereits hinter sich. Kuba war 1967 seine letzte Rettung gewesen, weil ihn die österreichische Polizei nach Deutschland abschieben wollte, wo die Feldjäger auf den Deserteur warteten. Maschke wollte erst nicht zur Bundeswehr, aber ein alter Kämpfer aus der illegalen KPD hatte ihm geraten, sich bei den Soldaten das Schießen für den kommenden Aufstand beibringen zu lassen. Dann war er doch davon, nach Wien, wo er den verehrten Adorno traf und von Günther Anders umarmt wurde.

Maschke war der Unberechenbarste unter den sogenannten Achtundsechzigern, manche werden sagen: der Verrückteste, und mit Sicherheit in seinem selbstbewussten Irresein eine literarische Gestalt, ein anderer Meursault, der "Fremde" in Albert Camus' Roman, den er wieder und wieder las.

Seit Maschke sechzehn war, hatte er nach jemandem gesucht, den er verehren und anbeten konnte. Ohne Abitur studierte er in Stuttgart bei Max Bense, saß zu Füßen von Ernst Bloch in Tübingen, las Tag und Nacht, ließ sich von Frank Böckelmann für die Subversive Aktion werben und kauderwelschte gegen den Katholikentag von der "neuen Erlösung des Menschen im unerbittlichen Kampf gegen die Herrschaft der zum Selbstzweck gewordenen Produktion". Er heiratete Johanna Ensslin, ihr Vater malte ihn. Bernward Vesper wollte seine Gedichte herausbringen, sie gingen verloren bei der permanenten Flucht, die sein Leben auch war.

Nach der Kuba-Phase stürmte Maschke als guter Fundamentalist in die entgegengesetzte Richtung

Kuba gewährte dem Aufrührer politisches Asyl, Maschke ging fleißig zur Zuckerohrernte, lernte Spanisch und wurde vom Sozialismus enttäuscht für alle Zeit. Fidel Castro verfolgte die Homosexuellen, die Geheimpolizei überwachte alle Ausländer, Maschke wurde abgeschoben, weil er mit dem in Ungnade gefallenen Dichter Heberto Padilla befreundet war. Bei der Ankunft in Deutschland wurde er eingesperrt und nach Landsberg gebracht, wo er die Gefängnisbibliothek betreute. Die Tupamaros München verübten einen Brandanschlag auf die Wohnung des Richters, der ihn verurteilt hatte.

Aber das war nicht nur eine Straftat, sondern ein grandioses Missverständnis. Maschke war längst ein anderer und stürmte als guter Fundamentalist in die entgegengesetzte Richtung. Er rechnete mit dem Sozialismus ab, was ihn für die Frankfurter Allgemeine interessant machte, wo der Herausgeber Joachim Fest Renegaten von links herzlich willkommen hieß. Noch Jahre später brüstete sich Maschke damit, dass er Fest, der eine Hitler-Biografie geschrieben hatte, in der Redaktion mit dem gleichnamigen Gruß bedacht hatte. Maschke lebte dabei auf: "Im Kampf fühlt man sich wohler."

Inzwischen war es seine zeitweilige Schwägerin Gudrun Ensslin, die mit der Waffe in der Hand kämpfte, während er sich nur theoretisch mit der Guerilla beschäftigte. So hatte er zu Schmitt gefunden, dem ehemaligen Kronjuristen des Dritten Reichs, der seinen Anhängern als Partisan des Denkens galt. Maschke rühmte ihn als Nationalsozialisten und pilgerte so gläubig zu ihm wie zuvor zu Castro. In einem von deutschen Ärzten finanzierten Verlag brachte er Schmitts "Leviathan" heraus und widmete sich dann, wieder angeregt durch seinen Meister, als Privatgelehrter über Jahre dem Werk des spanischen faschistischen Denkers Donoso Cortés. Sein eigenes Werk blieb schmal; eine Sammlung trägt den unvermeidlichen Titel "Das bewaffnete Wort".

"Wir könnten die ganze Dritte Welt gegen Amerika führen", klagte er

Als sein langjähriger Buchhändler Joschka Fischer 1998 Außenminister werden sollte, war Maschke entsetzt; für ihn war es Verrat, wenn ein Revolutionär den Eid auf die Verfassung schwor. Er blieb ungerührt antidemokratisch und antiamerikanisch, weigerte sich, Cola zu trinken und vermisste in Deutschland den Kampfgeist: "Wir könnten die ganze Dritte Welt gegen Amerika führen." Sein größter Kummer war, dass er nicht dauerhaft nach Südamerika gehen konnte, wo er einmal doch glücklich war. 1990 hatte er einen Lehrauftrag an der Marineschule von La Punta in Peru erhalten. Dort sollte er Philosophie und Schmitt unterrichten, aber bei der Theorie blieb es nicht. Endlich durfte er selber schießen und den "Geruch des Archaischen" atmen. Beim Militär bekämpfte er die Guerilleros des Sendero Luminoso, und Maschke brauchte das Wort nicht mehr und schwärmte, wieder ein Rausch, von einer Männerwelt mit "Befehl und Gehorsam und Brüderlichkeit".

Zu Hause in Frankfurt scharte sich in den letzten Jahren eine kleine, entschieden reaktionäre Gruppe um ihn, die Junge Freiheit bot ihm ein letztes politisches Asyl. Am Montag war der Kampf zu Ende. Günter Maschke wurde 79 Jahre alt.

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