Film über französischen Schriftsteller:Wo steckte Houellebecq?

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Wurde er entführt oder gar Opfer von al-Qaida? Niemand weiß, wohin und warum der Schriftsteller Michel Houellebecq im September 2011 verschwunden war. Nun wurde laut französischen Medien ein Film über die einwöchige Absenz gedreht - mit Houellebecq in der Hauptrolle.

Von Thorsten Glotzmann

Am 14. September 2011 meldeten französische Medien, der Schriftsteller Michel Houellebecq werde vermisst. Eigentlich sollte er in Amsterdam, Den Haag und Brüssel aus seinem eben erschienenen Roman "Karte und Gebiet" vorlesen. Doch Houellebecq tauchte nicht auf und war tagelang nicht zu erreichen. Der Schriftsteller halte nicht viel von Mobiltelefonen und E-Mail-Kommunikation, erklärten Kommentatoren. Dennoch fragten Journalisten und Blogger entsetzt: "Mais où est Michel Houellebecq?"

In den Kommentarspalten von Internetportalen blühten die wildesten Spekulationen über das mysteriöse Verschwinden: Man vermutete ihn auf dem Grund des Pazifischen Ozeans, ein Kenner seiner Bücher entgegnete anspielungsreich, er hätte in diesem Fall ja immerhin noch die "Möglichkeit einer Insel".

Viele übergossen das Enfant terrible der französischen Literatur mit Häme. Er möge zum Teufel gehen und dort bleiben, wütete ein anonymer Kommentator. Ein Verlust, über den ich mich leicht hinwegtrösten könnte, spottete ein anderer. Manche wussten von einer vermeintlichen Entführung durch Außerirdische, andere wähnten ihn in den Händen von al-Qaida. Ein Gerücht, das sich als besonders hartnäckig erwies und sich in Windeseile über Twitter verbreitete. Mit seinen umstrittenen Aussagen über den Islam hatte sich der Schriftsteller besonders unter Muslimen Feinde gemacht. Eine Herausgeberin des Autors von der Verlagsgruppe Flammarion antwortete auf eine Anfrage mit Humor, Houellebecq befinde sich tatsächlich bei al-Qaida, um selbst zur Bildung eines moderaten islamistischen Flügels beizutragen.

Houellebecq spielt Houellebecq

Dann tauchte Houellebecq plötzlich wieder auf. In französischen Zeitungen und Fernsehnachrichten gab man Entwarnung: "Ouf, Michel Houellebecq wurde nicht entführt, es geht ihm gut." Er treibe sich in völliger Isolation in Südspanien herum und habe die Termine seiner Promo-Tour vergessen. Bis heute hat Houellebecq keine Erklärung abgegeben, was in den Tagen seines Verschwindens passiert ist.

Aber es besteht Aussicht auf Aufklärung. Nach Berichten französischer Medien hat Houellebecq gemeinsam mit Regisseur Guillaume Nicloux, der bei der jüngsten Berlinale mit "La Religieuse" vertreten war, einen Film über seine einwöchige Absenz gedreht. Der Titel: "L'Enlèvement de Michel Houellebecq" (Die Entführung des Michel Houellebecq). Und Houellebecq spielt sich tatsächlich selbst. Die bisherigen cineastischen Versuche des Autors ernteten bei Kritikern vernichtende Urteile. Die Verfilmung seines Romans "Möglichkeit einer Insel" galt als "katastrophal". Der neue Film wurde für Arte gedreht und soll im Herbst ausgestrahlt werden. Über das Drehbuch ist nichts bekannt. Der Guardian vermutet, man müsse dem Schriftsteller dabei zusehen, wie er allein zu Hause sitze und Fertiggerichte verspeise. Na dann, guten Appetit!

© SZ vom 17.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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